dieser neuen Probe beruht das Urtheil, welches Gegen- wart und Zukunft über Sie fällen werden."
Paul Marat, der Volksfreund.
Ein Paar Wochen nach Mirabeau's Tode machte der König die Erfahrung daß seine Person unfreier als die April 18.des geringsten Franzosen sey. Er wollte auf einige Tage nach St. Cloud, um sein Gemüth und seine Gesundheit durch den ländlichen Aufenthalt, die Bewegung der Jagd zu erfrischen, die heilige Osterwoche in Stille mit un- beeidigten Priestern zu begehen; vielleicht auch geschah es, um einen Versuch zu machen, ob eine weitere Reise, öf- fentlich angestellt, ausführbar seyn möchte. Dieser Ver- such mislang. Der Verdacht der Flucht war verbreitet, vergeblich daß Lafayette und Bailly Alles aufboten, die aufgestellten Nationalgarden gehorchten nicht, und der wilde Danton führte sein Bataillon herbei, ohne irgend berufen zu seyn. Der König saß mit der Königin andert- halb Stunden im Wagen, unsäglichen Kränkungen aus- gesetzt, und mußte am Ende aussteigen, bleiben. La- fayette, tief gekränkt, reichte seine Entlassung ein; da gab es neue Versicherungen, neue Eide, und Lafayette be- April 25.hielt den Befehl.
Um so ungeduldiger betrieb nun die Königin den Plan der geheimen Entweichung. Unter unzähligen Vorsichts- anstalten, Verabredungen mit Bouille, Feststellungen und Umstellungen des Abreisetages kam man endlich auf den 21sten Junius überein. Glücklich gelang gegen Mitter-
dieſer neuen Probe beruht das Urtheil, welches Gegen- wart und Zukunft über Sie fällen werden.“
Paul Marat, der Volksfreund.
Ein Paar Wochen nach Mirabeau’s Tode machte der König die Erfahrung daß ſeine Perſon unfreier als die April 18.des geringſten Franzoſen ſey. Er wollte auf einige Tage nach St. Cloud, um ſein Gemüth und ſeine Geſundheit durch den ländlichen Aufenthalt, die Bewegung der Jagd zu erfriſchen, die heilige Oſterwoche in Stille mit un- beeidigten Prieſtern zu begehen; vielleicht auch geſchah es, um einen Verſuch zu machen, ob eine weitere Reiſe, öf- fentlich angeſtellt, ausführbar ſeyn möchte. Dieſer Ver- ſuch mislang. Der Verdacht der Flucht war verbreitet, vergeblich daß Lafayette und Bailly Alles aufboten, die aufgeſtellten Nationalgarden gehorchten nicht, und der wilde Danton führte ſein Bataillon herbei, ohne irgend berufen zu ſeyn. Der König ſaß mit der Königin andert- halb Stunden im Wagen, unſäglichen Kränkungen aus- geſetzt, und mußte am Ende ausſteigen, bleiben. La- fayette, tief gekränkt, reichte ſeine Entlaſſung ein; da gab es neue Verſicherungen, neue Eide, und Lafayette be- April 25.hielt den Befehl.
Um ſo ungeduldiger betrieb nun die Königin den Plan der geheimen Entweichung. Unter unzähligen Vorſichts- anſtalten, Verabredungen mit Bouillé, Feſtſtellungen und Umſtellungen des Abreiſetages kam man endlich auf den 21ſten Junius überein. Glücklich gelang gegen Mitter-
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dieſer neuen Probe beruht das Urtheil, welches Gegen-
wart und Zukunft über Sie fällen werden.“
Paul Marat, der Volksfreund.
Ein Paar Wochen nach Mirabeau’s Tode machte der
König die Erfahrung daß ſeine Perſon unfreier als die
des geringſten Franzoſen ſey. Er wollte auf einige Tage
nach St. Cloud, um ſein Gemüth und ſeine Geſundheit
durch den ländlichen Aufenthalt, die Bewegung der Jagd
zu erfriſchen, die heilige Oſterwoche in Stille mit un-
beeidigten Prieſtern zu begehen; vielleicht auch geſchah es,
um einen Verſuch zu machen, ob eine weitere Reiſe, öf-
fentlich angeſtellt, ausführbar ſeyn möchte. Dieſer Ver-
ſuch mislang. Der Verdacht der Flucht war verbreitet,
vergeblich daß Lafayette und Bailly Alles aufboten, die
aufgeſtellten Nationalgarden gehorchten nicht, und der
wilde Danton führte ſein Bataillon herbei, ohne irgend
berufen zu ſeyn. Der König ſaß mit der Königin andert-
halb Stunden im Wagen, unſäglichen Kränkungen aus-
geſetzt, und mußte am Ende ausſteigen, bleiben. La-
fayette, tief gekränkt, reichte ſeine Entlaſſung ein; da
gab es neue Verſicherungen, neue Eide, und Lafayette be-
hielt den Befehl.
April 18.
April 25.
Um ſo ungeduldiger betrieb nun die Königin den Plan
der geheimen Entweichung. Unter unzähligen Vorſichts-
anſtalten, Verabredungen mit Bouillé, Feſtſtellungen und
Umſtellungen des Abreiſetages kam man endlich auf den
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/382>, abgerufen am 23.12.2024.
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