Mirabeau verfocht mit ungemeiner Lebhaftigkeit das Prin- cip der Oberaufsicht des Staates oder, wie man damals sagen mußte, der Nation auf den Bergbau, infofern näm- lich daß die Bearbeitung wirklich stattfinde und in keinen Raubbau ausarte, allein er verfocht das Näherrecht des Besitzers von Grund und Boden gegen den Anspruch des Entdeckers des Bergwerks. Er ist in dieser Angelegenheit fünfmal aufgetreten und immer mit der ihm eigenthümlichen sprühenden Gluth, welche jeden Widerstand vertilgt, das letzte Mal am 27sten. Als er an diesem Tage in die Sitzung ging, sprach er bei seinem Lamark vor, der bei dem Aus- gange als Bergwerkbesitzer mit seinem Vermögen interessirt war. Er blieb dort eine volle Stunde bewußtlos auf dem Sopha liegen, fuhr dann in die Sitzung, hielt seine Rede über die Minen, und kehrte mit dem Gefühle tödtlicher Er- schöpfung nach Hause. Der Kranke pflegte den Grund sei- nes Übels vom Februar 1788 zu leiten, da ihn was er cho- lera-morbus nannte befallen habe; er habe das Leben von zehn kräftigen Menschen in sich getragen, von da an sey er aus dem Sommer in seinen Herbst getreten. Seine Augen- leiden schrieb er dem feuchten Local in den Sälen des Reit- hauses zu. An demselben 27sten, da er seine letzte Rede hielt, wollte er noch das italiänische Theater besuchen, man sah ihn schwanken, er mußte am Eingange umkehren.
Der Ruf von Mirabeau's Fähigkeiten war unermeßlich, weit größer als seine Popularität. Es war so angenommen daß für ihn das einfältige Wort "unmöglich," wie er selbst
Mirabeau verfocht mit ungemeiner Lebhaftigkeit das Prin- cip der Oberaufſicht des Staates oder, wie man damals ſagen mußte, der Nation auf den Bergbau, infofern näm- lich daß die Bearbeitung wirklich ſtattfinde und in keinen Raubbau ausarte, allein er verfocht das Näherrecht des Beſitzers von Grund und Boden gegen den Anſpruch des Entdeckers des Bergwerks. Er iſt in dieſer Angelegenheit fünfmal aufgetreten und immer mit der ihm eigenthümlichen ſprühenden Gluth, welche jeden Widerſtand vertilgt, das letzte Mal am 27ſten. Als er an dieſem Tage in die Sitzung ging, ſprach er bei ſeinem Lamark vor, der bei dem Aus- gange als Bergwerkbeſitzer mit ſeinem Vermögen intereſſirt war. Er blieb dort eine volle Stunde bewußtlos auf dem Sopha liegen, fuhr dann in die Sitzung, hielt ſeine Rede über die Minen, und kehrte mit dem Gefühle tödtlicher Er- ſchöpfung nach Hauſe. Der Kranke pflegte den Grund ſei- nes Übels vom Februar 1788 zu leiten, da ihn was er cho- lera-morbus nannte befallen habe; er habe das Leben von zehn kräftigen Menſchen in ſich getragen, von da an ſey er aus dem Sommer in ſeinen Herbſt getreten. Seine Augen- leiden ſchrieb er dem feuchten Local in den Sälen des Reit- hauſes zu. An demſelben 27ſten, da er ſeine letzte Rede hielt, wollte er noch das italiäniſche Theater beſuchen, man ſah ihn ſchwanken, er mußte am Eingange umkehren.
Der Ruf von Mirabeau’s Fähigkeiten war unermeßlich, weit größer als ſeine Popularität. Es war ſo angenommen daß für ihn das einfältige Wort „unmöglich,“ wie er ſelbſt
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Mirabeau verfocht mit ungemeiner Lebhaftigkeit das Prin-
cip der Oberaufſicht des Staates oder, wie man damals
ſagen mußte, der Nation auf den Bergbau, infofern näm-
lich daß die Bearbeitung wirklich ſtattfinde und in keinen
Raubbau ausarte, allein er verfocht das Näherrecht des
Beſitzers von Grund und Boden gegen den Anſpruch des
Entdeckers des Bergwerks. Er iſt in dieſer Angelegenheit
fünfmal aufgetreten und immer mit der ihm eigenthümlichen
ſprühenden Gluth, welche jeden Widerſtand vertilgt, das
letzte Mal am 27ſten. Als er an dieſem Tage in die Sitzung
ging, ſprach er bei ſeinem Lamark vor, der bei dem Aus-
gange als Bergwerkbeſitzer mit ſeinem Vermögen intereſſirt
war. Er blieb dort eine volle Stunde bewußtlos auf dem
Sopha liegen, fuhr dann in die Sitzung, hielt ſeine Rede
über die Minen, und kehrte mit dem Gefühle tödtlicher Er-
ſchöpfung nach Hauſe. Der Kranke pflegte den Grund ſei-
nes Übels vom Februar 1788 zu leiten, da ihn was er cho-
lera-morbus nannte befallen habe; er habe das Leben von
zehn kräftigen Menſchen in ſich getragen, von da an ſey er
aus dem Sommer in ſeinen Herbſt getreten. Seine Augen-
leiden ſchrieb er dem feuchten Local in den Sälen des Reit-
hauſes zu. An demſelben 27ſten, da er ſeine letzte Rede
hielt, wollte er noch das italiäniſche Theater beſuchen, man
ſah ihn ſchwanken, er mußte am Eingange umkehren.
Der Ruf von Mirabeau’s Fähigkeiten war unermeßlich,
weit größer als ſeine Popularität. Es war ſo angenommen
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/369>, abgerufen am 23.12.2024.
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