glieder der Nationalversammlung leistete den vorgeschriebe- nen Eid, unter ihnen Talleyrand und Gregoire. Am 4ten Januar war die gesetzte Frist abgelaufen und der nament-1791. liche Aufruf aller Mitglieder der Nationalversammlung geistlichen Standes, welche den Eid noch nicht geleistet, trat auf den Antrag Barnave's ein. Aber hier folgte eine Weigerung der anderen, nur ein einziger Pfarrer schwur. Und es machte großen Eindruck in ganz Frankreich als man vernahm, so manchem Bischof, so vielen Pfarrern habe ihre kirchliche Überzeugung mehr als ihr Kirchenamt ge- golten. Seitdem war in Frankreich eine Menge von geist- lichen Stellen unbesetzt und man unterschied zwischen be- eidigten und unbeeidigten Priestern, welche letzteren nun nicht länger für Priester gelten sollten, aber in den Augen der Gläubigen um so mehr dafür galten. An diesem De- cret schliff der Bürgerkrieg seine Waffen. Denn wie lange wird es dauern, so theilt sich Frankreich in zwei Parteien, die eine sprechend: "Weg mit einer Freiheit, die uns un- ser ewiges Heil, unsere Kirche nimmt," die andere da- gegen: "Wir sind frei und glücklich, weg mit einer Kirche, die uns diese himmlischen Güter rauben will; uns bleibt der Gott, der die Welt geschaffen hat, der Gott der Frei- heit." Bischof Talleyrand weihte die neuen Bischöfe, machte dann von der ihm angeborenen feinen Witterung Gebrauch und trat mit raschem Sprunge aus dem gefähr- lichen geistlichen Stande hinüber in die Weltlichkeit.Febr.
Mirabeau erkannte vollkommen die Tiefe des Ab-
glieder der Nationalverſammlung leiſtete den vorgeſchriebe- nen Eid, unter ihnen Talleyrand und Gregoire. Am 4ten Januar war die geſetzte Friſt abgelaufen und der nament-1791. liche Aufruf aller Mitglieder der Nationalverſammlung geiſtlichen Standes, welche den Eid noch nicht geleiſtet, trat auf den Antrag Barnave’s ein. Aber hier folgte eine Weigerung der anderen, nur ein einziger Pfarrer ſchwur. Und es machte großen Eindruck in ganz Frankreich als man vernahm, ſo manchem Biſchof, ſo vielen Pfarrern habe ihre kirchliche Überzeugung mehr als ihr Kirchenamt ge- golten. Seitdem war in Frankreich eine Menge von geiſt- lichen Stellen unbeſetzt und man unterſchied zwiſchen be- eidigten und unbeeidigten Prieſtern, welche letzteren nun nicht länger für Prieſter gelten ſollten, aber in den Augen der Gläubigen um ſo mehr dafür galten. An dieſem De- cret ſchliff der Bürgerkrieg ſeine Waffen. Denn wie lange wird es dauern, ſo theilt ſich Frankreich in zwei Parteien, die eine ſprechend: „Weg mit einer Freiheit, die uns un- ſer ewiges Heil, unſere Kirche nimmt,“ die andere da- gegen: „Wir ſind frei und glücklich, weg mit einer Kirche, die uns dieſe himmliſchen Güter rauben will; uns bleibt der Gott, der die Welt geſchaffen hat, der Gott der Frei- heit.“ Biſchof Talleyrand weihte die neuen Biſchöfe, machte dann von der ihm angeborenen feinen Witterung Gebrauch und trat mit raſchem Sprunge aus dem gefähr- lichen geiſtlichen Stande hinüber in die Weltlichkeit.Febr.
Mirabeau erkannte vollkommen die Tiefe des Ab-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0357"n="347"/>
glieder der Nationalverſammlung leiſtete den vorgeſchriebe-<lb/>
nen Eid, unter ihnen Talleyrand und Gregoire. Am 4ten<lb/>
Januar war die geſetzte Friſt abgelaufen und der nament-<noteplace="right">1791.</note><lb/>
liche Aufruf aller Mitglieder der Nationalverſammlung<lb/>
geiſtlichen Standes, welche den Eid noch nicht geleiſtet,<lb/>
trat auf den Antrag Barnave’s ein. Aber hier folgte eine<lb/>
Weigerung der anderen, nur ein einziger Pfarrer ſchwur.<lb/>
Und es machte großen Eindruck in ganz Frankreich als man<lb/>
vernahm, ſo manchem Biſchof, ſo vielen Pfarrern habe<lb/>
ihre kirchliche Überzeugung mehr als ihr Kirchenamt ge-<lb/>
golten. Seitdem war in Frankreich eine Menge von geiſt-<lb/>
lichen Stellen unbeſetzt und man unterſchied zwiſchen be-<lb/>
eidigten und unbeeidigten Prieſtern, welche letzteren nun<lb/>
nicht länger für Prieſter gelten ſollten, aber in den Augen<lb/>
der Gläubigen um ſo mehr dafür galten. An dieſem De-<lb/>
cret ſchliff der Bürgerkrieg ſeine Waffen. Denn wie lange<lb/>
wird es dauern, ſo theilt ſich Frankreich in zwei Parteien,<lb/>
die eine ſprechend: „Weg mit einer Freiheit, die uns un-<lb/>ſer ewiges Heil, unſere Kirche nimmt,“ die andere da-<lb/>
gegen: „Wir ſind frei und glücklich, weg mit einer Kirche,<lb/>
die uns dieſe himmliſchen Güter rauben will; uns bleibt<lb/>
der Gott, der die Welt geſchaffen hat, der Gott der Frei-<lb/>
heit.“ Biſchof Talleyrand weihte die neuen Biſchöfe,<lb/>
machte dann von der ihm angeborenen feinen Witterung<lb/>
Gebrauch und trat mit raſchem Sprunge aus dem gefähr-<lb/>
lichen geiſtlichen Stande hinüber in die Weltlichkeit.<noteplace="right">Febr.</note></p><lb/><p>Mirabeau erkannte vollkommen die Tiefe des Ab-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[347/0357]
glieder der Nationalverſammlung leiſtete den vorgeſchriebe-
nen Eid, unter ihnen Talleyrand und Gregoire. Am 4ten
Januar war die geſetzte Friſt abgelaufen und der nament-
liche Aufruf aller Mitglieder der Nationalverſammlung
geiſtlichen Standes, welche den Eid noch nicht geleiſtet,
trat auf den Antrag Barnave’s ein. Aber hier folgte eine
Weigerung der anderen, nur ein einziger Pfarrer ſchwur.
Und es machte großen Eindruck in ganz Frankreich als man
vernahm, ſo manchem Biſchof, ſo vielen Pfarrern habe
ihre kirchliche Überzeugung mehr als ihr Kirchenamt ge-
golten. Seitdem war in Frankreich eine Menge von geiſt-
lichen Stellen unbeſetzt und man unterſchied zwiſchen be-
eidigten und unbeeidigten Prieſtern, welche letzteren nun
nicht länger für Prieſter gelten ſollten, aber in den Augen
der Gläubigen um ſo mehr dafür galten. An dieſem De-
cret ſchliff der Bürgerkrieg ſeine Waffen. Denn wie lange
wird es dauern, ſo theilt ſich Frankreich in zwei Parteien,
die eine ſprechend: „Weg mit einer Freiheit, die uns un-
ſer ewiges Heil, unſere Kirche nimmt,“ die andere da-
gegen: „Wir ſind frei und glücklich, weg mit einer Kirche,
die uns dieſe himmliſchen Güter rauben will; uns bleibt
der Gott, der die Welt geſchaffen hat, der Gott der Frei-
heit.“ Biſchof Talleyrand weihte die neuen Biſchöfe,
machte dann von der ihm angeborenen feinen Witterung
Gebrauch und trat mit raſchem Sprunge aus dem gefähr-
lichen geiſtlichen Stande hinüber in die Weltlichkeit.
1791.
Febr.
Mirabeau erkannte vollkommen die Tiefe des Ab-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/357>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.