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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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und unten, Volk, Nationalgarden, Soldaten rufen:
"wir schwören," kriegerische Instrumente und Kanonen
fallen ein und in demselben Augenblicke bricht die Sonne
durch das schwere Gewölk. Der Präsident der National-
versammlung spricht, vor seinem Sessel stehend, densel-
ben Eid, und alle Mitglieder der Nationalversammlung
wiederholen ihn. Zuletzt der König vom Throne; er er-
hob seine Hand gegen den Altar und sprach mit lauter
Stimme: "Ich, König der Franzosen, schwöre, die ganze
Gewalt, welche mir durch das Verfassungsgesetz des
Staates übertragen ist, anzuwenden, um die von der Na-
tionalversammlung beschlossene und von mir angenommene
Verfassung aufrecht zu halten und die Gesetze ausführen
zu lassen." Während des allgemeinen Jubels erhub die
Königin, welche eine Loge an der Militärschule einnahm,
den Dauphin auf ihren Armen. Den Schluß machte ein
Tedeum um sechs Uhr Abends; es knüpften sich aber noch
einige festliche Tage an. Und die große Mehrzahl der
Bundesbrüder brachte eine fröhliche und gute Stimmung
in ihre Departements zurück, nicht zur Freude der dema-
gogischen Schriftsteller der Hauptstadt, welche gegen diese
Eintracht wütheten. Camille Desmoulins, der sich in
seinem mit Talent geschriebenen Tagesblatte unverhohlen
den Generalprocurator der Laterne nannte, ermahnte, die
Laterne in Ehren zu halten, dieses Kriegsgesetz der Na-
tion, für Verbrecher gegen die Nation bestimmt, nicht
zur Bestrafung von Dieben herabzuwürdigen. Der junge

und unten, Volk, Nationalgarden, Soldaten rufen:
„wir ſchwören,“ kriegeriſche Inſtrumente und Kanonen
fallen ein und in demſelben Augenblicke bricht die Sonne
durch das ſchwere Gewölk. Der Präſident der National-
verſammlung ſpricht, vor ſeinem Seſſel ſtehend, denſel-
ben Eid, und alle Mitglieder der Nationalverſammlung
wiederholen ihn. Zuletzt der König vom Throne; er er-
hob ſeine Hand gegen den Altar und ſprach mit lauter
Stimme: „Ich, König der Franzoſen, ſchwöre, die ganze
Gewalt, welche mir durch das Verfaſſungsgeſetz des
Staates übertragen iſt, anzuwenden, um die von der Na-
tionalverſammlung beſchloſſene und von mir angenommene
Verfaſſung aufrecht zu halten und die Geſetze ausführen
zu laſſen.“ Während des allgemeinen Jubels erhub die
Königin, welche eine Loge an der Militärſchule einnahm,
den Dauphin auf ihren Armen. Den Schluß machte ein
Tedeum um ſechs Uhr Abends; es knüpften ſich aber noch
einige feſtliche Tage an. Und die große Mehrzahl der
Bundesbrüder brachte eine fröhliche und gute Stimmung
in ihre Departements zurück, nicht zur Freude der dema-
gogiſchen Schriftſteller der Hauptſtadt, welche gegen dieſe
Eintracht wütheten. Camille Desmoulins, der ſich in
ſeinem mit Talent geſchriebenen Tagesblatte unverhohlen
den Generalprocurator der Laterne nannte, ermahnte, die
Laterne in Ehren zu halten, dieſes Kriegsgeſetz der Na-
tion, für Verbrecher gegen die Nation beſtimmt, nicht
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[336/0346] und unten, Volk, Nationalgarden, Soldaten rufen: „wir ſchwören,“ kriegeriſche Inſtrumente und Kanonen fallen ein und in demſelben Augenblicke bricht die Sonne durch das ſchwere Gewölk. Der Präſident der National- verſammlung ſpricht, vor ſeinem Seſſel ſtehend, denſel- ben Eid, und alle Mitglieder der Nationalverſammlung wiederholen ihn. Zuletzt der König vom Throne; er er- hob ſeine Hand gegen den Altar und ſprach mit lauter Stimme: „Ich, König der Franzoſen, ſchwöre, die ganze Gewalt, welche mir durch das Verfaſſungsgeſetz des Staates übertragen iſt, anzuwenden, um die von der Na- tionalverſammlung beſchloſſene und von mir angenommene Verfaſſung aufrecht zu halten und die Geſetze ausführen zu laſſen.“ Während des allgemeinen Jubels erhub die Königin, welche eine Loge an der Militärſchule einnahm, den Dauphin auf ihren Armen. Den Schluß machte ein Tedeum um ſechs Uhr Abends; es knüpften ſich aber noch einige feſtliche Tage an. Und die große Mehrzahl der Bundesbrüder brachte eine fröhliche und gute Stimmung in ihre Departements zurück, nicht zur Freude der dema- gogiſchen Schriftſteller der Hauptſtadt, welche gegen dieſe Eintracht wütheten. Camille Desmoulins, der ſich in ſeinem mit Talent geſchriebenen Tagesblatte unverhohlen den Generalprocurator der Laterne nannte, ermahnte, die Laterne in Ehren zu halten, dieſes Kriegsgeſetz der Na- tion, für Verbrecher gegen die Nation beſtimmt, nicht zur Beſtrafung von Dieben herabzuwürdigen. Der junge

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/346>, abgerufen am 23.12.2024.