Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

länder sollen nicht davon betroffen werden. So stand
der König, schon seit länger aus einem König von Frank-
reich in einen König der Franzosen verwandelt, mit sei-
nem Sire und seiner Majestät ganz vereinzelt da. We-
nig fehlte so hätte er unlängst auf einen Antrag Pe-
tions auch das "von Gottes Gnaden" verloren, ohne
die Bemerkung Mirabeau's: "Diese Worte enthalten
eine der Gottheit erwiesene Huldigung, welche alle Völ-
ker der Welt ihr schuldig sind." Was Mirabeau über
die ganze Neuerung dachte, verhehlt er seinem Freunde
Mauvillon nicht: "Ich denke gerade wie Sie in Hin-
sicht der Titel, Livreien u. s. w. Nichts unmöglicher
als die Gewalt der Erinnerungen aus den Herzen der
Menschen herauszureißen; der wahre Adel ist in diesem
Sinne eine eben so unzerstörbare als geheiligte Sache.
Die Formen werden wechseln, die Verehrung wird blei-
ben. Laß jedermann gleich vor dem Gesetze seyn, jedes
Monopol, besonders jedes sittliche, verschwinde; alles
Übrige ist Eitelkeit, dahin oder dorthin verlegt." Als
die Zeitungsschreiber ihre Lust daran hatten ihn nun
nach seinem Geschlechtsnamen Riquetti den Älteren zu
nennen, sprach er: "Ihr habt Europa vier Tage lang
mit Eurem Riquetti irre gemacht!" Aber Camille Des-
moulins ließ es sich nicht nehmen, die Königin jetzt
in seinem Blatte die Frau des Königs und den Kö-
nig selbst gelegentlich den Ältesten der Capets zu
nennen.


länder ſollen nicht davon betroffen werden. So ſtand
der König, ſchon ſeit länger aus einem König von Frank-
reich in einen König der Franzoſen verwandelt, mit ſei-
nem Sire und ſeiner Majeſtät ganz vereinzelt da. We-
nig fehlte ſo hätte er unlängſt auf einen Antrag Pé-
tions auch das „von Gottes Gnaden“ verloren, ohne
die Bemerkung Mirabeau’s: „Dieſe Worte enthalten
eine der Gottheit erwieſene Huldigung, welche alle Völ-
ker der Welt ihr ſchuldig ſind.“ Was Mirabeau über
die ganze Neuerung dachte, verhehlt er ſeinem Freunde
Mauvillon nicht: „Ich denke gerade wie Sie in Hin-
ſicht der Titel, Livreien u. ſ. w. Nichts unmöglicher
als die Gewalt der Erinnerungen aus den Herzen der
Menſchen herauszureißen; der wahre Adel iſt in dieſem
Sinne eine eben ſo unzerſtörbare als geheiligte Sache.
Die Formen werden wechſeln, die Verehrung wird blei-
ben. Laß jedermann gleich vor dem Geſetze ſeyn, jedes
Monopol, beſonders jedes ſittliche, verſchwinde; alles
Übrige iſt Eitelkeit, dahin oder dorthin verlegt.“ Als
die Zeitungsſchreiber ihre Luſt daran hatten ihn nun
nach ſeinem Geſchlechtsnamen Riquetti den Älteren zu
nennen, ſprach er: „Ihr habt Europa vier Tage lang
mit Eurem Riquetti irre gemacht!“ Aber Camille Des-
moulins ließ es ſich nicht nehmen, die Königin jetzt
in ſeinem Blatte die Frau des Königs und den Kö-
nig ſelbſt gelegentlich den Älteſten der Capets zu
nennen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0341" n="331"/>
länder &#x017F;ollen nicht davon betroffen werden. So &#x017F;tand<lb/>
der König, &#x017F;chon &#x017F;eit länger aus einem König von Frank-<lb/>
reich in einen König der Franzo&#x017F;en verwandelt, mit &#x017F;ei-<lb/>
nem Sire und &#x017F;einer Maje&#x017F;tät ganz vereinzelt da. We-<lb/>
nig fehlte &#x017F;o hätte er unläng&#x017F;t auf einen Antrag Pé-<lb/>
tions auch das &#x201E;von Gottes Gnaden&#x201C; verloren, ohne<lb/>
die Bemerkung Mirabeau&#x2019;s: &#x201E;Die&#x017F;e Worte enthalten<lb/>
eine der Gottheit erwie&#x017F;ene Huldigung, welche alle Völ-<lb/>
ker der Welt ihr &#x017F;chuldig &#x017F;ind.&#x201C; Was Mirabeau über<lb/>
die ganze Neuerung dachte, verhehlt er &#x017F;einem Freunde<lb/>
Mauvillon nicht: &#x201E;Ich denke gerade wie Sie in Hin-<lb/>
&#x017F;icht der Titel, Livreien u. &#x017F;. w. Nichts unmöglicher<lb/>
als die Gewalt der Erinnerungen aus den Herzen der<lb/>
Men&#x017F;chen herauszureißen; der wahre Adel i&#x017F;t in die&#x017F;em<lb/>
Sinne eine eben &#x017F;o unzer&#x017F;törbare als geheiligte Sache.<lb/>
Die Formen werden wech&#x017F;eln, die Verehrung wird blei-<lb/>
ben. Laß jedermann gleich vor dem Ge&#x017F;etze &#x017F;eyn, jedes<lb/>
Monopol, be&#x017F;onders jedes &#x017F;ittliche, ver&#x017F;chwinde; alles<lb/>
Übrige i&#x017F;t Eitelkeit, dahin oder dorthin verlegt.&#x201C; Als<lb/>
die Zeitungs&#x017F;chreiber ihre Lu&#x017F;t daran hatten ihn nun<lb/>
nach &#x017F;einem Ge&#x017F;chlechtsnamen Riquetti den Älteren zu<lb/>
nennen, &#x017F;prach er: &#x201E;Ihr habt Europa vier Tage lang<lb/>
mit Eurem Riquetti irre gemacht!&#x201C; Aber Camille Des-<lb/>
moulins ließ es &#x017F;ich nicht nehmen, die Königin jetzt<lb/>
in &#x017F;einem Blatte die Frau des Königs und den Kö-<lb/>
nig &#x017F;elb&#x017F;t gelegentlich den Älte&#x017F;ten der Capets zu<lb/>
nennen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[331/0341] länder ſollen nicht davon betroffen werden. So ſtand der König, ſchon ſeit länger aus einem König von Frank- reich in einen König der Franzoſen verwandelt, mit ſei- nem Sire und ſeiner Majeſtät ganz vereinzelt da. We- nig fehlte ſo hätte er unlängſt auf einen Antrag Pé- tions auch das „von Gottes Gnaden“ verloren, ohne die Bemerkung Mirabeau’s: „Dieſe Worte enthalten eine der Gottheit erwieſene Huldigung, welche alle Völ- ker der Welt ihr ſchuldig ſind.“ Was Mirabeau über die ganze Neuerung dachte, verhehlt er ſeinem Freunde Mauvillon nicht: „Ich denke gerade wie Sie in Hin- ſicht der Titel, Livreien u. ſ. w. Nichts unmöglicher als die Gewalt der Erinnerungen aus den Herzen der Menſchen herauszureißen; der wahre Adel iſt in dieſem Sinne eine eben ſo unzerſtörbare als geheiligte Sache. Die Formen werden wechſeln, die Verehrung wird blei- ben. Laß jedermann gleich vor dem Geſetze ſeyn, jedes Monopol, beſonders jedes ſittliche, verſchwinde; alles Übrige iſt Eitelkeit, dahin oder dorthin verlegt.“ Als die Zeitungsſchreiber ihre Luſt daran hatten ihn nun nach ſeinem Geſchlechtsnamen Riquetti den Älteren zu nennen, ſprach er: „Ihr habt Europa vier Tage lang mit Eurem Riquetti irre gemacht!“ Aber Camille Des- moulins ließ es ſich nicht nehmen, die Königin jetzt in ſeinem Blatte die Frau des Königs und den Kö- nig ſelbſt gelegentlich den Älteſten der Capets zu nennen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/341
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/341>, abgerufen am 23.12.2024.