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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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ein Schreiben an die Behörden der Departements hinzu,
worin folgende Stellen zugleich die tiefe Bekümmerniß sei-
nes Inneren aussprechen: "Meine Herren! So lange
man bloß mein Privatleben verläumdet hat, habe ich ge-
schwiegen, sey es weil ein strenges Schweigen eine Ab-
büßung von rein persönlichen Fehlern ist, wie sehr sie auch
zu entschuldigen seyn möchten, und weil ich die Achtung
edler Männer allein von der Zeit und meinen Diensten er-
wartete, sey es weil die Ruthe des öffentlichen Tadels,
selbst von feindlichen Händen gebraucht, mir ehrwürdig
erscheint; sey's endlich und hauptsächlich, weil es mir
stets ein engherziger Egoismus und ein lächerlicher Mis-
griff däucht, seine Mitbürger von Dingen zu unterhalten,
die sie am wenigsten interessiren."

"Aber heute da man meine Grundsätze als öffentlicher
Charakter angreift, heute da man in der Meinung, welche
ich vertheidige, meinen sämmtlichen Meinungsgenossen
den Krieg macht, kann ich mich nicht zurückziehen ohne ei-
nen Ehrenposten zu verlassen, ohne, so zu sagen, das
kostbare Unterpfand zu verletzen, welches mir anvertraut
ist, und ich glaube derselben Nation, deren Interesse ich,
wie meine Ankläger sagen, verrathe, eine besondere Re-
chenschaft von meiner Meinung geben zu müssen, die man
verunstaltet. Es reicht mir nicht hin daß die Nationalver-
sammlung mich von dieser verhaßten Beschuldigung rein
gewaschen hat, indem sie fast einstimmig mein System
annahm; ich muß auch noch von dem Tribunal gerichtet

ein Schreiben an die Behörden der Departements hinzu,
worin folgende Stellen zugleich die tiefe Bekümmerniß ſei-
nes Inneren ausſprechen: „Meine Herren! So lange
man bloß mein Privatleben verläumdet hat, habe ich ge-
ſchwiegen, ſey es weil ein ſtrenges Schweigen eine Ab-
büßung von rein perſönlichen Fehlern iſt, wie ſehr ſie auch
zu entſchuldigen ſeyn möchten, und weil ich die Achtung
edler Männer allein von der Zeit und meinen Dienſten er-
wartete, ſey es weil die Ruthe des öffentlichen Tadels,
ſelbſt von feindlichen Händen gebraucht, mir ehrwürdig
erſcheint; ſey’s endlich und hauptſächlich, weil es mir
ſtets ein engherziger Egoismus und ein lächerlicher Mis-
griff däucht, ſeine Mitbürger von Dingen zu unterhalten,
die ſie am wenigſten intereſſiren.“

„Aber heute da man meine Grundſätze als öffentlicher
Charakter angreift, heute da man in der Meinung, welche
ich vertheidige, meinen ſämmtlichen Meinungsgenoſſen
den Krieg macht, kann ich mich nicht zurückziehen ohne ei-
nen Ehrenpoſten zu verlaſſen, ohne, ſo zu ſagen, das
koſtbare Unterpfand zu verletzen, welches mir anvertraut
iſt, und ich glaube derſelben Nation, deren Intereſſe ich,
wie meine Ankläger ſagen, verrathe, eine beſondere Re-
chenſchaft von meiner Meinung geben zu müſſen, die man
verunſtaltet. Es reicht mir nicht hin daß die Nationalver-
ſammlung mich von dieſer verhaßten Beſchuldigung rein
gewaſchen hat, indem ſie faſt einſtimmig mein Syſtem
annahm; ich muß auch noch von dem Tribunal gerichtet

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[322/0332] ein Schreiben an die Behörden der Departements hinzu, worin folgende Stellen zugleich die tiefe Bekümmerniß ſei- nes Inneren ausſprechen: „Meine Herren! So lange man bloß mein Privatleben verläumdet hat, habe ich ge- ſchwiegen, ſey es weil ein ſtrenges Schweigen eine Ab- büßung von rein perſönlichen Fehlern iſt, wie ſehr ſie auch zu entſchuldigen ſeyn möchten, und weil ich die Achtung edler Männer allein von der Zeit und meinen Dienſten er- wartete, ſey es weil die Ruthe des öffentlichen Tadels, ſelbſt von feindlichen Händen gebraucht, mir ehrwürdig erſcheint; ſey’s endlich und hauptſächlich, weil es mir ſtets ein engherziger Egoismus und ein lächerlicher Mis- griff däucht, ſeine Mitbürger von Dingen zu unterhalten, die ſie am wenigſten intereſſiren.“ „Aber heute da man meine Grundſätze als öffentlicher Charakter angreift, heute da man in der Meinung, welche ich vertheidige, meinen ſämmtlichen Meinungsgenoſſen den Krieg macht, kann ich mich nicht zurückziehen ohne ei- nen Ehrenpoſten zu verlaſſen, ohne, ſo zu ſagen, das koſtbare Unterpfand zu verletzen, welches mir anvertraut iſt, und ich glaube derſelben Nation, deren Intereſſe ich, wie meine Ankläger ſagen, verrathe, eine beſondere Re- chenſchaft von meiner Meinung geben zu müſſen, die man verunſtaltet. Es reicht mir nicht hin daß die Nationalver- ſammlung mich von dieſer verhaßten Beſchuldigung rein gewaſchen hat, indem ſie faſt einſtimmig mein Syſtem annahm; ich muß auch noch von dem Tribunal gerichtet

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/332>, abgerufen am 30.11.2024.