heit gründen zu können. Er beruft die Versammlung zu sich, um ihre Arbeiten fortzusetzen, um sie ohne anarchi- sche Einflüsse zu beendigen. Monsicur war überrascht von der Schrift, durchdrungen, allein um so weniger zum Beitritte, zur Mittheilung an den König geneigt, als er so eben für einen andern Entwurf die Beistimmung der Königin gewonnen hatte. Dieser war eben so listig feige, Verderben drohend gerade in seinem Gelingen, als jener kühn, vielleicht überkühn: denn wer stand dafür ein daß nicht über Ludwigs schwaches Gemüth in Rouen die Mei- nung der Höflinge obsiegte, welche die Krone des heiligen Ludwig allein in ihrer Unumschränktheit erkannten? Mon- sieur legte seinen Plan auf ein Entwischen des Königs in den Norden, in die Picardie an, nach Peronne, von wo man im schlimmsten Falle die belgische Gränze nicht weit hatte. Von dort aus sollte der König die Nationalver- sammlung für aufgelöst und alle ihre Beschlüsse für ungül- tig erklären. Die nöthige Mannschaft zur Ausführung zu werben, die Gelder zu negotiiren war ein Marquis de Favras, früher in Monsieurs Diensten stehend, beauf- tragt, ein kühner Abenteurer, wenn nicht an Genie, doch in der Zahl seiner Gläubiger dem Grafen Mirabeau gewachsen. Aber seine Werber verriethen ihn und Weih- nachtsabend brachte man den Favras gefangen in das Stadt- haus. Auf einmal schallt es durch Paris von einer Ver- schwörung, an deren Spitze Monsieur steht. Dieser Fürst konnte, wenn es galt, beherzt auftreten, allein er gab
heit gründen zu können. Er beruft die Verſammlung zu ſich, um ihre Arbeiten fortzuſetzen, um ſie ohne anarchi- ſche Einflüſſe zu beendigen. Monſicur war überraſcht von der Schrift, durchdrungen, allein um ſo weniger zum Beitritte, zur Mittheilung an den König geneigt, als er ſo eben für einen andern Entwurf die Beiſtimmung der Königin gewonnen hatte. Dieſer war eben ſo liſtig feige, Verderben drohend gerade in ſeinem Gelingen, als jener kühn, vielleicht überkühn: denn wer ſtand dafür ein daß nicht über Ludwigs ſchwaches Gemüth in Rouen die Mei- nung der Höflinge obſiegte, welche die Krone des heiligen Ludwig allein in ihrer Unumſchränktheit erkannten? Mon- ſieur legte ſeinen Plan auf ein Entwiſchen des Königs in den Norden, in die Picardie an, nach Peronne, von wo man im ſchlimmſten Falle die belgiſche Gränze nicht weit hatte. Von dort aus ſollte der König die Nationalver- ſammlung für aufgelöſt und alle ihre Beſchlüſſe für ungül- tig erklären. Die nöthige Mannſchaft zur Ausführung zu werben, die Gelder zu negotiiren war ein Marquis de Favras, früher in Monſieurs Dienſten ſtehend, beauf- tragt, ein kühner Abenteurer, wenn nicht an Genie, doch in der Zahl ſeiner Gläubiger dem Grafen Mirabeau gewachſen. Aber ſeine Werber verriethen ihn und Weih- nachtsabend brachte man den Favras gefangen in das Stadt- haus. Auf einmal ſchallt es durch Paris von einer Ver- ſchwörung, an deren Spitze Monſieur ſteht. Dieſer Fürſt konnte, wenn es galt, beherzt auftreten, allein er gab
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heit gründen zu können. Er beruft die Verſammlung zu
ſich, um ihre Arbeiten fortzuſetzen, um ſie ohne anarchi-
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der Schrift, durchdrungen, allein um ſo weniger zum
Beitritte, zur Mittheilung an den König geneigt, als er
ſo eben für einen andern Entwurf die Beiſtimmung der
Königin gewonnen hatte. Dieſer war eben ſo liſtig feige,
Verderben drohend gerade in ſeinem Gelingen, als jener
kühn, vielleicht überkühn: denn wer ſtand dafür ein daß
nicht über Ludwigs ſchwaches Gemüth in Rouen die Mei-
nung der Höflinge obſiegte, welche die Krone des heiligen
Ludwig allein in ihrer Unumſchränktheit erkannten? Mon-
ſieur legte ſeinen Plan auf ein Entwiſchen des Königs in
den Norden, in die Picardie an, nach Peronne, von wo
man im ſchlimmſten Falle die belgiſche Gränze nicht weit
hatte. Von dort aus ſollte der König die Nationalver-
ſammlung für aufgelöſt und alle ihre Beſchlüſſe für ungül-
tig erklären. Die nöthige Mannſchaft zur Ausführung zu
werben, die Gelder zu negotiiren war ein Marquis de
Favras, früher in Monſieurs Dienſten ſtehend, beauf-
tragt, ein kühner Abenteurer, wenn nicht an Genie,
doch in der Zahl ſeiner Gläubiger dem Grafen Mirabeau
gewachſen. Aber ſeine Werber verriethen ihn und Weih-
nachtsabend brachte man den Favras gefangen in das Stadt-
haus. Auf einmal ſchallt es durch Paris von einer Ver-
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konnte, wenn es galt, beherzt auftreten, allein er gab
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/314>, abgerufen am 28.11.2024.
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