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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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lassen? Ihr stoische Zuschauer der nicht zu berechnenden
Übel, welche diese Katastrophe über Frankreich aus-
speien wird, gleichgültige Egoisten, die Ihr wähnen
könnet, jene Zuckungen der Verzweiflung und des Elends
würden, wie so viele andere, rasch vorüberstreichen, um so
rascher, je heftiger sie gewesen sind; seyd Ihr so gewiß,
daß so viele brodlose Menschen Euch ruhig werden die Ge-
richte durchkosten lassen, deren Zahl und Köstlichkeit keine
Schmälerung duldet? Nein, Ihr werdet zu Grunde gehen
und aus dem allgemeinen Brande, welchen Ihr ohne Schau-
der entzündetet, wird der Verlust Eurer Ehre auch keinem
einzigen Eurer scheußlichen Genüsse Errettung bringen."

"Seht, dahin gehen wir. Ich höre von Vaterlands-
liebe reden, vom Aufschwunge, vom Aufrufe der Vater-
landsliebe. Ach entweiht nicht die Worte Vaterland und
Vaterlandsliebe. Ist sie denn so hochherzig, die Kühnheit,
einen Theil seines Einkommens hergeben um alle seine
Habe zu retten? Nein, meine Herren, es ist ein einfaches
Rechenexempel, und wer da Anstand nimmt, kann
den Unwillen lediglich durch die Verachtung entwaffnen,
welche seine Dummheit einflößen muß. Ja, meine Her-
ren, es ist der gemeinste Menschenverstand, die alltäglichste
Einsicht, der roheste Eigennutz, den ich aufrufe. Ich sage
Euch nicht mehr wie ehemals wohl: Wollet Ihr die Er-
sten seyn, die der Welt das Schauspiel eines Volks geben,
welches sich versammelt, um den öffentlichen Glauben zu
brechen? Ich sage Euch nicht mehr: Welchen Anspruch

laſſen? Ihr ſtoiſche Zuſchauer der nicht zu berechnenden
Übel, welche dieſe Kataſtrophe über Frankreich aus-
ſpeien wird, gleichgültige Egoiſten, die Ihr wähnen
könnet, jene Zuckungen der Verzweiflung und des Elends
würden, wie ſo viele andere, raſch vorüberſtreichen, um ſo
raſcher, je heftiger ſie geweſen ſind; ſeyd Ihr ſo gewiß,
daß ſo viele brodloſe Menſchen Euch ruhig werden die Ge-
richte durchkoſten laſſen, deren Zahl und Köſtlichkeit keine
Schmälerung duldet? Nein, Ihr werdet zu Grunde gehen
und aus dem allgemeinen Brande, welchen Ihr ohne Schau-
der entzündetet, wird der Verluſt Eurer Ehre auch keinem
einzigen Eurer ſcheußlichen Genüſſe Errettung bringen.“

„Seht, dahin gehen wir. Ich höre von Vaterlands-
liebe reden, vom Aufſchwunge, vom Aufrufe der Vater-
landsliebe. Ach entweiht nicht die Worte Vaterland und
Vaterlandsliebe. Iſt ſie denn ſo hochherzig, die Kühnheit,
einen Theil ſeines Einkommens hergeben um alle ſeine
Habe zu retten? Nein, meine Herren, es iſt ein einfaches
Rechenexempel, und wer da Anſtand nimmt, kann
den Unwillen lediglich durch die Verachtung entwaffnen,
welche ſeine Dummheit einflößen muß. Ja, meine Her-
ren, es iſt der gemeinſte Menſchenverſtand, die alltäglichſte
Einſicht, der roheſte Eigennutz, den ich aufrufe. Ich ſage
Euch nicht mehr wie ehemals wohl: Wollet Ihr die Er-
ſten ſeyn, die der Welt das Schauſpiel eines Volks geben,
welches ſich verſammelt, um den öffentlichen Glauben zu
brechen? Ich ſage Euch nicht mehr: Welchen Anſpruch

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[281/0291] laſſen? Ihr ſtoiſche Zuſchauer der nicht zu berechnenden Übel, welche dieſe Kataſtrophe über Frankreich aus- ſpeien wird, gleichgültige Egoiſten, die Ihr wähnen könnet, jene Zuckungen der Verzweiflung und des Elends würden, wie ſo viele andere, raſch vorüberſtreichen, um ſo raſcher, je heftiger ſie geweſen ſind; ſeyd Ihr ſo gewiß, daß ſo viele brodloſe Menſchen Euch ruhig werden die Ge- richte durchkoſten laſſen, deren Zahl und Köſtlichkeit keine Schmälerung duldet? Nein, Ihr werdet zu Grunde gehen und aus dem allgemeinen Brande, welchen Ihr ohne Schau- der entzündetet, wird der Verluſt Eurer Ehre auch keinem einzigen Eurer ſcheußlichen Genüſſe Errettung bringen.“ „Seht, dahin gehen wir. Ich höre von Vaterlands- liebe reden, vom Aufſchwunge, vom Aufrufe der Vater- landsliebe. Ach entweiht nicht die Worte Vaterland und Vaterlandsliebe. Iſt ſie denn ſo hochherzig, die Kühnheit, einen Theil ſeines Einkommens hergeben um alle ſeine Habe zu retten? Nein, meine Herren, es iſt ein einfaches Rechenexempel, und wer da Anſtand nimmt, kann den Unwillen lediglich durch die Verachtung entwaffnen, welche ſeine Dummheit einflößen muß. Ja, meine Her- ren, es iſt der gemeinſte Menſchenverſtand, die alltäglichſte Einſicht, der roheſte Eigennutz, den ich aufrufe. Ich ſage Euch nicht mehr wie ehemals wohl: Wollet Ihr die Er- ſten ſeyn, die der Welt das Schauſpiel eines Volks geben, welches ſich verſammelt, um den öffentlichen Glauben zu brechen? Ich ſage Euch nicht mehr: Welchen Anſpruch

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/291>, abgerufen am 26.11.2024.