Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

im Allgemeinen genehmigt, allein seine Dauer noch nicht
bestimmt. Auf Barnave's Vorschlag beschloß man dieser
Entscheidung so lange Anstand zu geben, bis die königliche
Sanction der Beschlüsse vom 4ten August eingegangen
wäre. War es aber weise oder auch nur anständig, Ver-
fassungsbestimmungen so zu sagen von dem Wohlverhal-
ten des Königs abhängig zu machen? Die königliche Ant-
wort kam; sie rühmte den Geist jener Beschlüsse, sprach
dabei Bedenken gegen einige Puncte in der mildesten Fas-
sung aus, machte diese gerade nur als Bedenken, keines-
wegs als Ablehnung geltend, als z. B. die financielle
Schwierigkeit, gerade jetzt die Capitalien zurückzahlen zu
müssen, mit welchen die Richterstellen erkauft worden, die
Nothwendigkeit mit dem heiligen Stuhle wegen der abzu-
schaffenden Annaten zuvörderst in Unterhandlung zu treten.
Am tiefsten traf die Bemerkung über den Zehenten, so leise
sie ausgesprochen war. Das Opfer, von Seiten der Geist-
lichkeit gebracht, erhielt alles Lob; allein warum den
Grundbesitzern ein Geschenk mit so vielen Millionen ma-
chen? Warum nicht lieber diese zum allgemeinen Nutzen
der bedrängten Staatscasse zuweisen? So gerecht diese
Rüge war, sie konnte nicht ungelegener kommen, Mira-
beau hatte durch ähnliche Äußerungen schon früher den
Verdruß der Versammlung erregt. Man fühlte keine Nei-
gung eine Übereilung einzusehen, die man außer Stand
zu verbessern war. Denn schon war die Kunde von die-
sen Beschlüssen durch ganz Frankreich erschollen, die kleinern

im Allgemeinen genehmigt, allein ſeine Dauer noch nicht
beſtimmt. Auf Barnave’s Vorſchlag beſchloß man dieſer
Entſcheidung ſo lange Anſtand zu geben, bis die königliche
Sanction der Beſchlüſſe vom 4ten Auguſt eingegangen
wäre. War es aber weiſe oder auch nur anſtändig, Ver-
faſſungsbeſtimmungen ſo zu ſagen von dem Wohlverhal-
ten des Königs abhängig zu machen? Die königliche Ant-
wort kam; ſie rühmte den Geiſt jener Beſchlüſſe, ſprach
dabei Bedenken gegen einige Puncte in der mildeſten Faſ-
ſung aus, machte dieſe gerade nur als Bedenken, keines-
wegs als Ablehnung geltend, als z. B. die financielle
Schwierigkeit, gerade jetzt die Capitalien zurückzahlen zu
müſſen, mit welchen die Richterſtellen erkauft worden, die
Nothwendigkeit mit dem heiligen Stuhle wegen der abzu-
ſchaffenden Annaten zuvörderſt in Unterhandlung zu treten.
Am tiefſten traf die Bemerkung über den Zehenten, ſo leiſe
ſie ausgeſprochen war. Das Opfer, von Seiten der Geiſt-
lichkeit gebracht, erhielt alles Lob; allein warum den
Grundbeſitzern ein Geſchenk mit ſo vielen Millionen ma-
chen? Warum nicht lieber dieſe zum allgemeinen Nutzen
der bedrängten Staatscaſſe zuweiſen? So gerecht dieſe
Rüge war, ſie konnte nicht ungelegener kommen, Mira-
beau hatte durch ähnliche Äußerungen ſchon früher den
Verdruß der Verſammlung erregt. Man fühlte keine Nei-
gung eine Übereilung einzuſehen, die man außer Stand
zu verbeſſern war. Denn ſchon war die Kunde von die-
ſen Beſchlüſſen durch ganz Frankreich erſchollen, die kleinern

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0282" n="272"/>
im Allgemeinen genehmigt, allein &#x017F;eine Dauer noch nicht<lb/>
be&#x017F;timmt. Auf Barnave&#x2019;s Vor&#x017F;chlag be&#x017F;chloß man die&#x017F;er<lb/>
Ent&#x017F;cheidung &#x017F;o lange An&#x017F;tand zu geben, bis die königliche<lb/>
Sanction der Be&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e vom 4ten Augu&#x017F;t eingegangen<lb/>
wäre. War es aber wei&#x017F;e oder auch nur an&#x017F;tändig, Ver-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;ungsbe&#x017F;timmungen &#x017F;o zu &#x017F;agen von dem Wohlverhal-<lb/>
ten des Königs abhängig zu machen? Die königliche Ant-<lb/>
wort kam; &#x017F;ie rühmte den Gei&#x017F;t jener Be&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;prach<lb/>
dabei Bedenken gegen einige Puncte in der milde&#x017F;ten Fa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ung aus, machte die&#x017F;e gerade nur als Bedenken, keines-<lb/>
wegs als Ablehnung geltend, als z. B. die financielle<lb/>
Schwierigkeit, gerade jetzt die Capitalien zurückzahlen zu<lb/>&#x017F;&#x017F;en, mit welchen die Richter&#x017F;tellen erkauft worden, die<lb/>
Nothwendigkeit mit dem heiligen Stuhle wegen der abzu-<lb/>
&#x017F;chaffenden Annaten zuvörder&#x017F;t in Unterhandlung zu treten.<lb/>
Am tief&#x017F;ten traf die Bemerkung über den Zehenten, &#x017F;o lei&#x017F;e<lb/>
&#x017F;ie ausge&#x017F;prochen war. Das Opfer, von Seiten der Gei&#x017F;t-<lb/>
lichkeit gebracht, erhielt alles Lob; allein warum den<lb/>
Grundbe&#x017F;itzern ein Ge&#x017F;chenk mit &#x017F;o vielen Millionen ma-<lb/>
chen? Warum nicht lieber die&#x017F;e zum allgemeinen Nutzen<lb/>
der bedrängten Staatsca&#x017F;&#x017F;e zuwei&#x017F;en? So gerecht die&#x017F;e<lb/>
Rüge war, &#x017F;ie konnte nicht ungelegener kommen, Mira-<lb/>
beau hatte durch ähnliche Äußerungen &#x017F;chon früher den<lb/>
Verdruß der Ver&#x017F;ammlung erregt. Man fühlte keine Nei-<lb/>
gung eine Übereilung einzu&#x017F;ehen, die man außer Stand<lb/>
zu verbe&#x017F;&#x017F;ern war. Denn &#x017F;chon war die Kunde von die-<lb/>
&#x017F;en Be&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;en durch ganz Frankreich er&#x017F;chollen, die kleinern<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[272/0282] im Allgemeinen genehmigt, allein ſeine Dauer noch nicht beſtimmt. Auf Barnave’s Vorſchlag beſchloß man dieſer Entſcheidung ſo lange Anſtand zu geben, bis die königliche Sanction der Beſchlüſſe vom 4ten Auguſt eingegangen wäre. War es aber weiſe oder auch nur anſtändig, Ver- faſſungsbeſtimmungen ſo zu ſagen von dem Wohlverhal- ten des Königs abhängig zu machen? Die königliche Ant- wort kam; ſie rühmte den Geiſt jener Beſchlüſſe, ſprach dabei Bedenken gegen einige Puncte in der mildeſten Faſ- ſung aus, machte dieſe gerade nur als Bedenken, keines- wegs als Ablehnung geltend, als z. B. die financielle Schwierigkeit, gerade jetzt die Capitalien zurückzahlen zu müſſen, mit welchen die Richterſtellen erkauft worden, die Nothwendigkeit mit dem heiligen Stuhle wegen der abzu- ſchaffenden Annaten zuvörderſt in Unterhandlung zu treten. Am tiefſten traf die Bemerkung über den Zehenten, ſo leiſe ſie ausgeſprochen war. Das Opfer, von Seiten der Geiſt- lichkeit gebracht, erhielt alles Lob; allein warum den Grundbeſitzern ein Geſchenk mit ſo vielen Millionen ma- chen? Warum nicht lieber dieſe zum allgemeinen Nutzen der bedrängten Staatscaſſe zuweiſen? So gerecht dieſe Rüge war, ſie konnte nicht ungelegener kommen, Mira- beau hatte durch ähnliche Äußerungen ſchon früher den Verdruß der Verſammlung erregt. Man fühlte keine Nei- gung eine Übereilung einzuſehen, die man außer Stand zu verbeſſern war. Denn ſchon war die Kunde von die- ſen Beſchlüſſen durch ganz Frankreich erſchollen, die kleinern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/282
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/282>, abgerufen am 25.11.2024.