Schwester war an den Thronerben von Sardinien verhei- rathet, die andere, Elisabeth, ein Kind von zehn Jahren. In Zurückgezogenheit vom Hofe lebten die Tanten des Kö- nigs, Töchter Ludwigs XV., welche die junge Königin schon als Österreicherin nicht liebten und an ihren neuen Weisen ein Ärgerniß nahmen; man vernachlässigte sich wechselseitig. Von der Seitenlinie der Orleans hielt man sich in alter Eifersucht getrennt. Der jetzige König der Franzosen stand in seinem ersten Lebensjahre.
Also auch in seiner Familie fand der junge König keine haltbare Stütze; fand er sie bei seinen Ministern? Ludwig dachte bescheiden von seinen Kräften, sah sich nach einem ersten Minister um und fiel zuerst auf Machault, einen strengen und einsichtig sparsamen Mann, dessen früheres Ministerium ein Opfer des österreichischen Systems ge- worden war. Allein der ältesten Tante Adelaide, die eini- gen Einfluß über den König festhielt, misfiel an Machault, daß er überall, wo Staat und Kirche zusammentrafen, un- beugsam auf des Staates Seite stand; sie brachte den Grafen Maurepas in Vorschlag, als einen Mann, mit dem sich reden ließ. Gewiß auch er gehörte nicht zu der Zahl der Frommen, aber er war frivol, mithin kein Mann von lästigen Grundsätzen; zu seinem Lobe gereichte, daß er ein Ministerium, welches ihm im siebzehnten Lebens- jahre zufiel, gleich zu Anfang der Maitressenwirthschaft durch die Frau von Pompadour verloren hatte. Jetzt ward er dreiundsiebzigjährig, am Ende doch nicht älter als
Schweſter war an den Thronerben von Sardinien verhei- rathet, die andere, Eliſabeth, ein Kind von zehn Jahren. In Zurückgezogenheit vom Hofe lebten die Tanten des Kö- nigs, Töchter Ludwigs XV., welche die junge Königin ſchon als Öſterreicherin nicht liebten und an ihren neuen Weiſen ein Ärgerniß nahmen; man vernachläſſigte ſich wechſelſeitig. Von der Seitenlinie der Orleans hielt man ſich in alter Eiferſucht getrennt. Der jetzige König der Franzoſen ſtand in ſeinem erſten Lebensjahre.
Alſo auch in ſeiner Familie fand der junge König keine haltbare Stütze; fand er ſie bei ſeinen Miniſtern? Ludwig dachte beſcheiden von ſeinen Kräften, ſah ſich nach einem erſten Miniſter um und fiel zuerſt auf Machault, einen ſtrengen und einſichtig ſparſamen Mann, deſſen früheres Miniſterium ein Opfer des öſterreichiſchen Syſtems ge- worden war. Allein der älteſten Tante Adelaide, die eini- gen Einfluß über den König feſthielt, misfiel an Machault, daß er überall, wo Staat und Kirche zuſammentrafen, un- beugſam auf des Staates Seite ſtand; ſie brachte den Grafen Maurepas in Vorſchlag, als einen Mann, mit dem ſich reden ließ. Gewiß auch er gehörte nicht zu der Zahl der Frommen, aber er war frivol, mithin kein Mann von läſtigen Grundſätzen; zu ſeinem Lobe gereichte, daß er ein Miniſterium, welches ihm im ſiebzehnten Lebens- jahre zufiel, gleich zu Anfang der Maitreſſenwirthſchaft durch die Frau von Pompadour verloren hatte. Jetzt ward er dreiundſiebzigjährig, am Ende doch nicht älter als
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0028"n="18"/>
Schweſter war an den Thronerben von Sardinien verhei-<lb/>
rathet, die andere, Eliſabeth, ein Kind von zehn Jahren.<lb/>
In Zurückgezogenheit vom Hofe lebten die Tanten des Kö-<lb/>
nigs, Töchter Ludwigs <hirendition="#aq">XV.,</hi> welche die junge Königin<lb/>ſchon als Öſterreicherin nicht liebten und an ihren neuen<lb/>
Weiſen ein Ärgerniß nahmen; man vernachläſſigte ſich<lb/>
wechſelſeitig. Von der Seitenlinie der Orleans hielt man<lb/>ſich in alter Eiferſucht getrennt. Der jetzige König der<lb/>
Franzoſen ſtand in ſeinem erſten Lebensjahre.</p><lb/><p>Alſo auch in ſeiner Familie fand der junge König keine<lb/>
haltbare Stütze; fand er ſie bei ſeinen Miniſtern? Ludwig<lb/>
dachte beſcheiden von ſeinen Kräften, ſah ſich nach einem<lb/>
erſten Miniſter um und fiel zuerſt auf Machault, einen<lb/>ſtrengen und einſichtig ſparſamen Mann, deſſen früheres<lb/>
Miniſterium ein Opfer des öſterreichiſchen Syſtems ge-<lb/>
worden war. Allein der älteſten Tante Adelaide, die eini-<lb/>
gen Einfluß über den König feſthielt, misfiel an Machault,<lb/>
daß er überall, wo Staat und Kirche zuſammentrafen, un-<lb/>
beugſam auf des Staates Seite ſtand; ſie brachte den<lb/>
Grafen Maurepas in Vorſchlag, als einen Mann, mit<lb/>
dem ſich reden ließ. Gewiß auch er gehörte nicht zu der<lb/>
Zahl der Frommen, aber er war frivol, mithin kein Mann<lb/>
von läſtigen Grundſätzen; zu ſeinem Lobe gereichte, daß<lb/>
er ein Miniſterium, welches ihm im ſiebzehnten Lebens-<lb/>
jahre zufiel, gleich zu Anfang der Maitreſſenwirthſchaft<lb/>
durch die Frau von Pompadour verloren hatte. Jetzt ward<lb/>
er dreiundſiebzigjährig, am Ende doch nicht älter als<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[18/0028]
Schweſter war an den Thronerben von Sardinien verhei-
rathet, die andere, Eliſabeth, ein Kind von zehn Jahren.
In Zurückgezogenheit vom Hofe lebten die Tanten des Kö-
nigs, Töchter Ludwigs XV., welche die junge Königin
ſchon als Öſterreicherin nicht liebten und an ihren neuen
Weiſen ein Ärgerniß nahmen; man vernachläſſigte ſich
wechſelſeitig. Von der Seitenlinie der Orleans hielt man
ſich in alter Eiferſucht getrennt. Der jetzige König der
Franzoſen ſtand in ſeinem erſten Lebensjahre.
Alſo auch in ſeiner Familie fand der junge König keine
haltbare Stütze; fand er ſie bei ſeinen Miniſtern? Ludwig
dachte beſcheiden von ſeinen Kräften, ſah ſich nach einem
erſten Miniſter um und fiel zuerſt auf Machault, einen
ſtrengen und einſichtig ſparſamen Mann, deſſen früheres
Miniſterium ein Opfer des öſterreichiſchen Syſtems ge-
worden war. Allein der älteſten Tante Adelaide, die eini-
gen Einfluß über den König feſthielt, misfiel an Machault,
daß er überall, wo Staat und Kirche zuſammentrafen, un-
beugſam auf des Staates Seite ſtand; ſie brachte den
Grafen Maurepas in Vorſchlag, als einen Mann, mit
dem ſich reden ließ. Gewiß auch er gehörte nicht zu der
Zahl der Frommen, aber er war frivol, mithin kein Mann
von läſtigen Grundſätzen; zu ſeinem Lobe gereichte, daß
er ein Miniſterium, welches ihm im ſiebzehnten Lebens-
jahre zufiel, gleich zu Anfang der Maitreſſenwirthſchaft
durch die Frau von Pompadour verloren hatte. Jetzt ward
er dreiundſiebzigjährig, am Ende doch nicht älter als
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/28>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.