Kanoniere wurden an einem Laternenpfahl aufgeknüpft. Flesselles erkannte sein Schicksal, als man ihm zurief: er solle ins Palais-royal, um dort gerichtet zu werden. Lau- nay's Kopf war ihm dahin vorangegangen. Als Flesselles auf den Greveplatz trat, nahte sich ein unbekannter jun- ger Mensch, schoß ihn nieder, und man trug seinen Kopf umher. Die Eroberer behielten die Bastille im Besitz; die wenigen Gefangenen, nur sieben, darunter ein Paar Wahnsinnige, wurden befreit. Nach ein Paar Tagen ward unter Trompetenschall durch ganz Paris verkündigt, die Schleifung der Bastille sey auf dem Stadthause be- schlossen.
Die Bastille ward um vier Uhr Nachmittags genom- men; die Nationalversammlung erfuhr davon durch den Herrn von Wimpfen, Deputirten von Caen, der gerade in Paris war, und ungeachtet die Minister alle Verbin- dung zwischen Versailles und der Hauptstadt hatten ab- sperren lassen, glücklich durchkam. Auch die Minister wa- ren unterrichtet; ihre Sorge war daß nur der König nicht um seine Nachtruh komme und sie verschwiegen es ihm. Aber der Herzog von Liancourt, dem des Königs Heil aufrichtig am Herzen lag, bediente sich des Vorrechts sei- Juli 15.nes Hofamtes, ließ ihn wecken, verkündigte ihm was ge- schehen. "Also ein Aufstand?" rief der Monarch. "Nein, Sire," sprach Liancourt, "das ist eine Revolution." Ludwig hatte gestern zwei verschiedenen Deputationen der Nationalversammlung, welche die Entfernung der Truppen
Kanoniere wurden an einem Laternenpfahl aufgeknüpft. Fleſſelles erkannte ſein Schickſal, als man ihm zurief: er ſolle ins Palais-royal, um dort gerichtet zu werden. Lau- nay’s Kopf war ihm dahin vorangegangen. Als Fleſſelles auf den Greveplatz trat, nahte ſich ein unbekannter jun- ger Menſch, ſchoß ihn nieder, und man trug ſeinen Kopf umher. Die Eroberer behielten die Baſtille im Beſitz; die wenigen Gefangenen, nur ſieben, darunter ein Paar Wahnſinnige, wurden befreit. Nach ein Paar Tagen ward unter Trompetenſchall durch ganz Paris verkündigt, die Schleifung der Baſtille ſey auf dem Stadthauſe be- ſchloſſen.
Die Baſtille ward um vier Uhr Nachmittags genom- men; die Nationalverſammlung erfuhr davon durch den Herrn von Wimpfen, Deputirten von Caen, der gerade in Paris war, und ungeachtet die Miniſter alle Verbin- dung zwiſchen Verſailles und der Hauptſtadt hatten ab- ſperren laſſen, glücklich durchkam. Auch die Miniſter wa- ren unterrichtet; ihre Sorge war daß nur der König nicht um ſeine Nachtruh komme und ſie verſchwiegen es ihm. Aber der Herzog von Liancourt, dem des Königs Heil aufrichtig am Herzen lag, bediente ſich des Vorrechts ſei- Juli 15.nes Hofamtes, ließ ihn wecken, verkündigte ihm was ge- ſchehen. „Alſo ein Aufſtand?“ rief der Monarch. „Nein, Sire,“ ſprach Liancourt, „das iſt eine Revolution.“ Ludwig hatte geſtern zwei verſchiedenen Deputationen der Nationalverſammlung, welche die Entfernung der Truppen
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Kanoniere wurden an einem Laternenpfahl aufgeknüpft.
Fleſſelles erkannte ſein Schickſal, als man ihm zurief: er
ſolle ins Palais-royal, um dort gerichtet zu werden. Lau-
nay’s Kopf war ihm dahin vorangegangen. Als Fleſſelles
auf den Greveplatz trat, nahte ſich ein unbekannter jun-
ger Menſch, ſchoß ihn nieder, und man trug ſeinen Kopf
umher. Die Eroberer behielten die Baſtille im Beſitz; die
wenigen Gefangenen, nur ſieben, darunter ein Paar
Wahnſinnige, wurden befreit. Nach ein Paar Tagen
ward unter Trompetenſchall durch ganz Paris verkündigt,
die Schleifung der Baſtille ſey auf dem Stadthauſe be-
ſchloſſen.
Die Baſtille ward um vier Uhr Nachmittags genom-
men; die Nationalverſammlung erfuhr davon durch den
Herrn von Wimpfen, Deputirten von Caen, der gerade
in Paris war, und ungeachtet die Miniſter alle Verbin-
dung zwiſchen Verſailles und der Hauptſtadt hatten ab-
ſperren laſſen, glücklich durchkam. Auch die Miniſter wa-
ren unterrichtet; ihre Sorge war daß nur der König nicht
um ſeine Nachtruh komme und ſie verſchwiegen es ihm.
Aber der Herzog von Liancourt, dem des Königs Heil
aufrichtig am Herzen lag, bediente ſich des Vorrechts ſei-
nes Hofamtes, ließ ihn wecken, verkündigte ihm was ge-
ſchehen. „Alſo ein Aufſtand?“ rief der Monarch. „Nein,
Sire,“ ſprach Liancourt, „das iſt eine Revolution.“
Ludwig hatte geſtern zwei verſchiedenen Deputationen der
Nationalverſammlung, welche die Entfernung der Truppen
Juli 15.
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/244>, abgerufen am 24.11.2024.
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