schickte hernach, als die Gefahr drohender ward, die Men- schenmasse sich häufte, eine zweite Deputation mit der Bitte, der Gouverneur möge eine Abtheilung Bürgermiliz aufnehmen, um gemeinsam mit der Garnison Besatzungs- dienste zu thun. Aber es war nicht mehr möglich bis zur Bastille durchzudringen. Dennoch versuchte man es vom Stadthause aus mit einer dritten Deputation. Diese soll, einen Tambour und eine Fahne voran, sich Platz schaffen, das Volk vom Schießen abhalten; aber sie kann nicht allenthalben seyn, hier läßt man sich sagen, dort aber feuert man lustig fort aus Flinten gegen Mauern, von welchen die Kugeln abprallen. Endlich erwiedert der Gou- verneur das Feuer, und Einige aus der Menge fallen. Schon aber kommen Kanonen herbei, es bilden sich zwei Sturmhaufen. Dreihundert von jenen französischen Gar- den, einer, Elie, früher Sergent in einem anderen Re- giment, führt sie an; der zweite Haufe besteht aus Hand- werkern, ein Uhrmachergeselle aus Genf, Hullin, ist der Führer. So kam Ordnung in den Angriff, der mit wun- derbarer Kühnheit geschieht. Ein glücklicher Schuß sprengt die Ketten der ersten Zugbrücke; sie fällt. So kamen die Stürmer in den ersten Hof, stellten hier ihre Kanonen auf. Ihre Zahl war sehr geschmolzen; sie hatten mehr als 80 Mann an Todten, eben so Viele an Verwundeten verloren, aber nichts von ihrem Muthe. Launay war ein Befehlshaber ohne Entschlossenheit, aber ein Soldat von Ehre. Als er das Gelingen des Sturmes sah, wollte er
ſchickte hernach, als die Gefahr drohender ward, die Men- ſchenmaſſe ſich häufte, eine zweite Deputation mit der Bitte, der Gouverneur möge eine Abtheilung Bürgermiliz aufnehmen, um gemeinſam mit der Garniſon Beſatzungs- dienſte zu thun. Aber es war nicht mehr möglich bis zur Baſtille durchzudringen. Dennoch verſuchte man es vom Stadthauſe aus mit einer dritten Deputation. Dieſe ſoll, einen Tambour und eine Fahne voran, ſich Platz ſchaffen, das Volk vom Schießen abhalten; aber ſie kann nicht allenthalben ſeyn, hier läßt man ſich ſagen, dort aber feuert man luſtig fort aus Flinten gegen Mauern, von welchen die Kugeln abprallen. Endlich erwiedert der Gou- verneur das Feuer, und Einige aus der Menge fallen. Schon aber kommen Kanonen herbei, es bilden ſich zwei Sturmhaufen. Dreihundert von jenen franzöſiſchen Gar- den, einer, Elie, früher Sergent in einem anderen Re- giment, führt ſie an; der zweite Haufe beſteht aus Hand- werkern, ein Uhrmachergeſelle aus Genf, Hullin, iſt der Führer. So kam Ordnung in den Angriff, der mit wun- derbarer Kühnheit geſchieht. Ein glücklicher Schuß ſprengt die Ketten der erſten Zugbrücke; ſie fällt. So kamen die Stürmer in den erſten Hof, ſtellten hier ihre Kanonen auf. Ihre Zahl war ſehr geſchmolzen; ſie hatten mehr als 80 Mann an Todten, eben ſo Viele an Verwundeten verloren, aber nichts von ihrem Muthe. Launay war ein Befehlshaber ohne Entſchloſſenheit, aber ein Soldat von Ehre. Als er das Gelingen des Sturmes ſah, wollte er
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ſchickte hernach, als die Gefahr drohender ward, die Men-
ſchenmaſſe ſich häufte, eine zweite Deputation mit der
Bitte, der Gouverneur möge eine Abtheilung Bürgermiliz
aufnehmen, um gemeinſam mit der Garniſon Beſatzungs-
dienſte zu thun. Aber es war nicht mehr möglich bis zur
Baſtille durchzudringen. Dennoch verſuchte man es vom
Stadthauſe aus mit einer dritten Deputation. Dieſe ſoll,
einen Tambour und eine Fahne voran, ſich Platz ſchaffen,
das Volk vom Schießen abhalten; aber ſie kann nicht
allenthalben ſeyn, hier läßt man ſich ſagen, dort aber
feuert man luſtig fort aus Flinten gegen Mauern, von
welchen die Kugeln abprallen. Endlich erwiedert der Gou-
verneur das Feuer, und Einige aus der Menge fallen.
Schon aber kommen Kanonen herbei, es bilden ſich zwei
Sturmhaufen. Dreihundert von jenen franzöſiſchen Gar-
den, einer, Elie, früher Sergent in einem anderen Re-
giment, führt ſie an; der zweite Haufe beſteht aus Hand-
werkern, ein Uhrmachergeſelle aus Genf, Hullin, iſt der
Führer. So kam Ordnung in den Angriff, der mit wun-
derbarer Kühnheit geſchieht. Ein glücklicher Schuß ſprengt
die Ketten der erſten Zugbrücke; ſie fällt. So kamen die
Stürmer in den erſten Hof, ſtellten hier ihre Kanonen
auf. Ihre Zahl war ſehr geſchmolzen; ſie hatten mehr
als 80 Mann an Todten, eben ſo Viele an Verwundeten
verloren, aber nichts von ihrem Muthe. Launay war ein
Befehlshaber ohne Entſchloſſenheit, aber ein Soldat von
Ehre. Als er das Gelingen des Sturmes ſah, wollte er
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/242>, abgerufen am 25.11.2024.
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