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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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bereit die Generalstaaten nach Noyons oder Soissons zu
verlegen, in welchem Falle er für seine Person sich nach
Compiegne begeben werde. An demselben Tage ward
Necker entlassen und zugleich bedeutet, das Königreich
ungesäumt und ohne Aufsehn zu räumen. Mont-
morin und alle übrigen Minister bis auf Barentin nah-
men ihren Abschied. Necker erhielt das Schreiben des
Königs, als er gerade im Begriffe stand sich mit Gästen
zu Tische zu setzen. Er ließ Alles seinen Gang gehen.
Nach der Mahlzeit forderte er Madame Necker zu einer
Spazierfahrt auf, theilte ihr im Wagen den königlichen
Befehl mit, nahm auf der ersten Post unter einem frem-
den Namen Vorspann nach Brüssel, ging von da in die
Schweiz. So rechtfertigte er das Vertrauen des Königs,
der den Vorschlag Breteuil's abwies, Neckern verhaften
zu lassen, weil zu fürchten sey, er werde sich nach Paris
begeben und die wogende Hauptstadt in Aufruhr setzen.

An die Spitze des Ministeriums und der Finanzen trat,
plötzlich aus dem Dunkel springend, Tags vorher erst an-
gekommen, Breteuil; Broglie ward Kriegsminister.

In Paris gab es zwei Puncte der Bewegung, das
Stadthaus und das Palais-royal. An beiden Orten wur-
den zahlreich besuchte Zusammenkünfte zu politischen Zwecken
gehalten. Im Stadthause saßen die Wähler von Paris;
die städtische Behörde hatte ihnen den Saal dort zu Ver-
sammlungen eingeräumt, welche die Regierung untersagte
ohne sie zu hindern. Man discutirte hier in aller Form,

bereit die Generalſtaaten nach Noyons oder Soiſſons zu
verlegen, in welchem Falle er für ſeine Perſon ſich nach
Compiegne begeben werde. An demſelben Tage ward
Necker entlaſſen und zugleich bedeutet, das Königreich
ungeſäumt und ohne Aufſehn zu räumen. Mont-
morin und alle übrigen Miniſter bis auf Barentin nah-
men ihren Abſchied. Necker erhielt das Schreiben des
Königs, als er gerade im Begriffe ſtand ſich mit Gäſten
zu Tiſche zu ſetzen. Er ließ Alles ſeinen Gang gehen.
Nach der Mahlzeit forderte er Madame Necker zu einer
Spazierfahrt auf, theilte ihr im Wagen den königlichen
Befehl mit, nahm auf der erſten Poſt unter einem frem-
den Namen Vorſpann nach Brüſſel, ging von da in die
Schweiz. So rechtfertigte er das Vertrauen des Königs,
der den Vorſchlag Breteuil’s abwies, Neckern verhaften
zu laſſen, weil zu fürchten ſey, er werde ſich nach Paris
begeben und die wogende Hauptſtadt in Aufruhr ſetzen.

An die Spitze des Miniſteriums und der Finanzen trat,
plötzlich aus dem Dunkel ſpringend, Tags vorher erſt an-
gekommen, Breteuil; Broglie ward Kriegsminiſter.

In Paris gab es zwei Puncte der Bewegung, das
Stadthaus und das Palais-royal. An beiden Orten wur-
den zahlreich beſuchte Zuſammenkünfte zu politiſchen Zwecken
gehalten. Im Stadthauſe ſaßen die Wähler von Paris;
die ſtädtiſche Behörde hatte ihnen den Saal dort zu Ver-
ſammlungen eingeräumt, welche die Regierung unterſagte
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[224/0234] bereit die Generalſtaaten nach Noyons oder Soiſſons zu verlegen, in welchem Falle er für ſeine Perſon ſich nach Compiegne begeben werde. An demſelben Tage ward Necker entlaſſen und zugleich bedeutet, das Königreich ungeſäumt und ohne Aufſehn zu räumen. Mont- morin und alle übrigen Miniſter bis auf Barentin nah- men ihren Abſchied. Necker erhielt das Schreiben des Königs, als er gerade im Begriffe ſtand ſich mit Gäſten zu Tiſche zu ſetzen. Er ließ Alles ſeinen Gang gehen. Nach der Mahlzeit forderte er Madame Necker zu einer Spazierfahrt auf, theilte ihr im Wagen den königlichen Befehl mit, nahm auf der erſten Poſt unter einem frem- den Namen Vorſpann nach Brüſſel, ging von da in die Schweiz. So rechtfertigte er das Vertrauen des Königs, der den Vorſchlag Breteuil’s abwies, Neckern verhaften zu laſſen, weil zu fürchten ſey, er werde ſich nach Paris begeben und die wogende Hauptſtadt in Aufruhr ſetzen. An die Spitze des Miniſteriums und der Finanzen trat, plötzlich aus dem Dunkel ſpringend, Tags vorher erſt an- gekommen, Breteuil; Broglie ward Kriegsminiſter. In Paris gab es zwei Puncte der Bewegung, das Stadthaus und das Palais-royal. An beiden Orten wur- den zahlreich beſuchte Zuſammenkünfte zu politiſchen Zwecken gehalten. Im Stadthauſe ſaßen die Wähler von Paris; die ſtädtiſche Behörde hatte ihnen den Saal dort zu Ver- ſammlungen eingeräumt, welche die Regierung unterſagte ohne ſie zu hindern. Man discutirte hier in aller Form,

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/234>, abgerufen am 25.11.2024.