Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

ten. Noch tiefer griff der Vorgang in der Hauptstadt,
welchen die Zuchtlosigkeit eines ganzen Regiments veran-
laßte, desjenigen, welches den Namen französische Gar-
den führte. Dieses, 4000 Mann stark, ward theils in
Paris, theils in Versailles zum inneren Dienste ge-
braucht, da die gewöhnliche Scharwache für die Ordnung
nicht mehr ausreichte. Das Regiment war mit seinem
neuen, peinlich strengen Chef unzufrieden und neigte
sich zur Volkssache hin. Als man auch in Paris die Ver-
einigung der drei Stände mit Lustbarkeiten beging, ver-
ließen Mehrere vom Regiment trotz des Verbotes ihre Ka-
sernen, nahmen an dem allgemeinen Jubel Theil. Zur
Strafe wurden die Schuldigsten in die Abtei gebracht,
das Gefängniß für Militärs in der Vorstadt St. Germain.
Aber ein Volkshaufe stürmte herbei und befreite seine
Freunde. Das waren also zwei recht schlimme Fälle, welche
Vorsicht in Behandlung des Militärs anempfahlen, sicher-
lich aber keinen Antrieb in sich enthielten, immer mehr
Regimenter zusammen zu ziehen. Nichtsdestoweniger ver-
sammelten sich 30,000 Mann, darunter eine Anzahl deut-
scher Regimenter, und man sprach noch von vielen Tau-
senden, die erwartet würden. Ihr Befehlshaber, der
Herzog von Broglie, nahm sein geräuschvolles Haupt-
quartier in Versailles. Jedermann ahnte, daß außerordent-
liche Dinge im Werke wären, und die drohenden Reden
der jungen Officiere ließen keinem Zweifel Raum; nur der
König und Necker schienen nichts zu bemerken. Dieser

ten. Noch tiefer griff der Vorgang in der Hauptſtadt,
welchen die Zuchtloſigkeit eines ganzen Regiments veran-
laßte, desjenigen, welches den Namen franzöſiſche Gar-
den führte. Dieſes, 4000 Mann ſtark, ward theils in
Paris, theils in Verſailles zum inneren Dienſte ge-
braucht, da die gewöhnliche Scharwache für die Ordnung
nicht mehr ausreichte. Das Regiment war mit ſeinem
neuen, peinlich ſtrengen Chef unzufrieden und neigte
ſich zur Volksſache hin. Als man auch in Paris die Ver-
einigung der drei Stände mit Luſtbarkeiten beging, ver-
ließen Mehrere vom Regiment trotz des Verbotes ihre Ka-
ſernen, nahmen an dem allgemeinen Jubel Theil. Zur
Strafe wurden die Schuldigſten in die Abtei gebracht,
das Gefängniß für Militärs in der Vorſtadt St. Germain.
Aber ein Volkshaufe ſtürmte herbei und befreite ſeine
Freunde. Das waren alſo zwei recht ſchlimme Fälle, welche
Vorſicht in Behandlung des Militärs anempfahlen, ſicher-
lich aber keinen Antrieb in ſich enthielten, immer mehr
Regimenter zuſammen zu ziehen. Nichtsdeſtoweniger ver-
ſammelten ſich 30,000 Mann, darunter eine Anzahl deut-
ſcher Regimenter, und man ſprach noch von vielen Tau-
ſenden, die erwartet würden. Ihr Befehlshaber, der
Herzog von Broglie, nahm ſein geräuſchvolles Haupt-
quartier in Verſailles. Jedermann ahnte, daß außerordent-
liche Dinge im Werke wären, und die drohenden Reden
der jungen Officiere ließen keinem Zweifel Raum; nur der
König und Necker ſchienen nichts zu bemerken. Dieſer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0230" n="220"/>
ten. Noch tiefer griff der Vorgang in der Haupt&#x017F;tadt,<lb/>
welchen die Zuchtlo&#x017F;igkeit eines ganzen Regiments veran-<lb/>
laßte, desjenigen, welches den Namen franzö&#x017F;i&#x017F;che Gar-<lb/>
den führte. Die&#x017F;es, 4000 Mann &#x017F;tark, ward theils in<lb/>
Paris, theils in Ver&#x017F;ailles zum inneren Dien&#x017F;te ge-<lb/>
braucht, da die gewöhnliche Scharwache für die Ordnung<lb/>
nicht mehr ausreichte. Das Regiment war mit &#x017F;einem<lb/>
neuen, peinlich &#x017F;trengen Chef unzufrieden und neigte<lb/>
&#x017F;ich zur Volks&#x017F;ache hin. Als man auch in Paris die Ver-<lb/>
einigung der drei Stände mit Lu&#x017F;tbarkeiten beging, ver-<lb/>
ließen Mehrere vom Regiment trotz des Verbotes ihre Ka-<lb/>
&#x017F;ernen, nahmen an dem allgemeinen Jubel Theil. Zur<lb/>
Strafe wurden die Schuldig&#x017F;ten in die Abtei gebracht,<lb/>
das Gefängniß für Militärs in der Vor&#x017F;tadt St. Germain.<lb/>
Aber ein Volkshaufe &#x017F;türmte herbei und befreite &#x017F;eine<lb/>
Freunde. Das waren al&#x017F;o zwei recht &#x017F;chlimme Fälle, welche<lb/>
Vor&#x017F;icht in Behandlung des Militärs anempfahlen, &#x017F;icher-<lb/>
lich aber keinen Antrieb in &#x017F;ich enthielten, immer mehr<lb/>
Regimenter zu&#x017F;ammen zu ziehen. Nichtsde&#x017F;toweniger ver-<lb/>
&#x017F;ammelten &#x017F;ich 30,000 Mann, darunter eine Anzahl deut-<lb/>
&#x017F;cher Regimenter, und man &#x017F;prach noch von vielen Tau-<lb/>
&#x017F;enden, die erwartet würden. Ihr Befehlshaber, der<lb/>
Herzog von Broglie, nahm &#x017F;ein geräu&#x017F;chvolles Haupt-<lb/>
quartier in Ver&#x017F;ailles. Jedermann ahnte, daß außerordent-<lb/>
liche Dinge im Werke wären, und die drohenden Reden<lb/>
der jungen Officiere ließen keinem Zweifel Raum; nur der<lb/>
König und Necker &#x017F;chienen nichts zu bemerken. Die&#x017F;er<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[220/0230] ten. Noch tiefer griff der Vorgang in der Hauptſtadt, welchen die Zuchtloſigkeit eines ganzen Regiments veran- laßte, desjenigen, welches den Namen franzöſiſche Gar- den führte. Dieſes, 4000 Mann ſtark, ward theils in Paris, theils in Verſailles zum inneren Dienſte ge- braucht, da die gewöhnliche Scharwache für die Ordnung nicht mehr ausreichte. Das Regiment war mit ſeinem neuen, peinlich ſtrengen Chef unzufrieden und neigte ſich zur Volksſache hin. Als man auch in Paris die Ver- einigung der drei Stände mit Luſtbarkeiten beging, ver- ließen Mehrere vom Regiment trotz des Verbotes ihre Ka- ſernen, nahmen an dem allgemeinen Jubel Theil. Zur Strafe wurden die Schuldigſten in die Abtei gebracht, das Gefängniß für Militärs in der Vorſtadt St. Germain. Aber ein Volkshaufe ſtürmte herbei und befreite ſeine Freunde. Das waren alſo zwei recht ſchlimme Fälle, welche Vorſicht in Behandlung des Militärs anempfahlen, ſicher- lich aber keinen Antrieb in ſich enthielten, immer mehr Regimenter zuſammen zu ziehen. Nichtsdeſtoweniger ver- ſammelten ſich 30,000 Mann, darunter eine Anzahl deut- ſcher Regimenter, und man ſprach noch von vielen Tau- ſenden, die erwartet würden. Ihr Befehlshaber, der Herzog von Broglie, nahm ſein geräuſchvolles Haupt- quartier in Verſailles. Jedermann ahnte, daß außerordent- liche Dinge im Werke wären, und die drohenden Reden der jungen Officiere ließen keinem Zweifel Raum; nur der König und Necker ſchienen nichts zu bemerken. Dieſer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/230
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/230>, abgerufen am 24.11.2024.