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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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stillen Flügel seines Schlosses nachdenklich zu. Hier lebte
in Abgeschiedenheit sein Sohn, der Dauphin, mit seiner
sächsischen Gemahlin in frommer ehelicher Eintracht. Be-
ruhigt bei dem Glauben der Väter, nicht einmal den Je-
suiten gram, studirte man hier nicht minder eifrig seinen
Montesquieu und verhandelte über die unabweislichen
Forderungen einer guten Staatsverfassung, tadelte auch
im Kreise weniger Vertrauten diesen unwürdigen Anschluß
des versailler Cabinets an Österreich, von einer schlauen
Maitresse gestiftet, die sich nothwendig machen wollte. In
diesen prunklosen Räumen fand Preußens Friedrich wäh-
rend des siebenjährigen Krieges seine begeisterten Bewun-
derer, und wenn, wie das regelmäßig geschah, die fran-
zösischen Officiere zu Ende jedes Sommers nach Paris zu-
rückströmten, um die Winterfreuden der Hauptstadt ja nicht
zu verfehlen, gar nicht mehr bei dem Heere draußen zu
halten waren, da fand es sich, daß deren Held eben auch
dieser Friedrich, ihr Besieger, war, und die Hauptstadt gab
ihnen Recht. Aber der Dauphin starb früh, erst sechs und+ 1765.
Dec. 20.

dreißigjährig. Als sein ältester Sohn erwuchs, der nach-
herige Ludwig XVI., ließ er sich freilich eine Gemahlin
aus Österreich gefallen, allein der Gegensatz der Gesin-
nung blieb. Auch in den Gemächern des neuen Dauphins
besprach man die Schriften der Denker, die nicht auf kirch-
lichem Grunde bauten, oder der sogenannten Philosophen,
eines Voltaire, Rousseau, Diderot, Helvetius, und der
junge Fürst trug eine Färbung derselben davon, aus wel-

ſtillen Flügel ſeines Schloſſes nachdenklich zu. Hier lebte
in Abgeſchiedenheit ſein Sohn, der Dauphin, mit ſeiner
ſächſiſchen Gemahlin in frommer ehelicher Eintracht. Be-
ruhigt bei dem Glauben der Väter, nicht einmal den Je-
ſuiten gram, ſtudirte man hier nicht minder eifrig ſeinen
Montesquieu und verhandelte über die unabweislichen
Forderungen einer guten Staatsverfaſſung, tadelte auch
im Kreiſe weniger Vertrauten dieſen unwürdigen Anſchluß
des verſailler Cabinets an Öſterreich, von einer ſchlauen
Maitreſſe geſtiftet, die ſich nothwendig machen wollte. In
dieſen prunkloſen Räumen fand Preußens Friedrich wäh-
rend des ſiebenjährigen Krieges ſeine begeiſterten Bewun-
derer, und wenn, wie das regelmäßig geſchah, die fran-
zöſiſchen Officiere zu Ende jedes Sommers nach Paris zu-
rückſtrömten, um die Winterfreuden der Hauptſtadt ja nicht
zu verfehlen, gar nicht mehr bei dem Heere draußen zu
halten waren, da fand es ſich, daß deren Held eben auch
dieſer Friedrich, ihr Beſieger, war, und die Hauptſtadt gab
ihnen Recht. Aber der Dauphin ſtarb früh, erſt ſechs und† 1765.
Dec. 20.

dreißigjährig. Als ſein älteſter Sohn erwuchs, der nach-
herige Ludwig XVI., ließ er ſich freilich eine Gemahlin
aus Öſterreich gefallen, allein der Gegenſatz der Geſin-
nung blieb. Auch in den Gemächern des neuen Dauphins
beſprach man die Schriften der Denker, die nicht auf kirch-
lichem Grunde bauten, oder der ſogenannten Philoſophen,
eines Voltaire, Rouſſeau, Diderot, Helvetius, und der
junge Fürſt trug eine Färbung derſelben davon, aus wel-

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[11/0021] ſtillen Flügel ſeines Schloſſes nachdenklich zu. Hier lebte in Abgeſchiedenheit ſein Sohn, der Dauphin, mit ſeiner ſächſiſchen Gemahlin in frommer ehelicher Eintracht. Be- ruhigt bei dem Glauben der Väter, nicht einmal den Je- ſuiten gram, ſtudirte man hier nicht minder eifrig ſeinen Montesquieu und verhandelte über die unabweislichen Forderungen einer guten Staatsverfaſſung, tadelte auch im Kreiſe weniger Vertrauten dieſen unwürdigen Anſchluß des verſailler Cabinets an Öſterreich, von einer ſchlauen Maitreſſe geſtiftet, die ſich nothwendig machen wollte. In dieſen prunkloſen Räumen fand Preußens Friedrich wäh- rend des ſiebenjährigen Krieges ſeine begeiſterten Bewun- derer, und wenn, wie das regelmäßig geſchah, die fran- zöſiſchen Officiere zu Ende jedes Sommers nach Paris zu- rückſtrömten, um die Winterfreuden der Hauptſtadt ja nicht zu verfehlen, gar nicht mehr bei dem Heere draußen zu halten waren, da fand es ſich, daß deren Held eben auch dieſer Friedrich, ihr Beſieger, war, und die Hauptſtadt gab ihnen Recht. Aber der Dauphin ſtarb früh, erſt ſechs und dreißigjährig. Als ſein älteſter Sohn erwuchs, der nach- herige Ludwig XVI., ließ er ſich freilich eine Gemahlin aus Öſterreich gefallen, allein der Gegenſatz der Geſin- nung blieb. Auch in den Gemächern des neuen Dauphins beſprach man die Schriften der Denker, die nicht auf kirch- lichem Grunde bauten, oder der ſogenannten Philoſophen, eines Voltaire, Rouſſeau, Diderot, Helvetius, und der junge Fürſt trug eine Färbung derſelben davon, aus wel- † 1765. Dec. 20.

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/21>, abgerufen am 24.11.2024.