sem Tage die Vereinigung unmittelbar erfolgt. Der Bi-Mai 27. schof von Chartres, der alte Gönner von Sieyes, ein von seinem Berufe in Redlichkeit erfüllter Prälat, drang tief bewegt darauf. Dennoch ward es für das Mal abgewen- det, und der König trat eilig mit Vergleichsvorschlägen dazwischen. Jeder Stand soll zunächst für sich prüfen, den beiden anderen Einsicht der Acten geben; bleiben dann angefochtene Vollmachten übrig, so treten Commissarien der drei Stände zusammen, schließlich entscheiden die Kam- mern, können sie sich nicht einigen, der König. Diesen Vorschlägen, deren Dolmetscher Necker in dem Ausschusse der drei Stände war, fügte die Geistlichkeit sich gleich; geschah es daß auch der Adel nachgab, so war dem unpri- vilegirten Stande eine große Gefahr bereitet; er mußte dann entweder aus seiner geschützten Stellung weichen und auf Hoffnungen verzichten, die ihm Alles bedeuteten, oder sich gegen Vorschläge auflehnen, die, wenn sie als Vorschriften den Etats-generaux vorangegangen wären, jedermann befriedigt hätten. Allein der Adel hatte schon einige Tage vorher einen Beschluß gefaßt, welcher die Berathung jedes Standes für sich und das Veto jedes Standes für unabänderliche Grundsätze der französischen Monarchie erklärte, und diesem Beschlusse getreu fiel seine Erklärung dahin aus, daß er allein über die Wahlen seines Standes zu entscheiden habe. Alsbald erklärten die Gemei- nen, ein Vergleichsvorschlag, welchen eine der Parteien ver- worfen habe, sey fruchtlos, und die Conferenzen brachen ab.Juni 9.
ſem Tage die Vereinigung unmittelbar erfolgt. Der Bi-Mai 27. ſchof von Chartres, der alte Gönner von Sieyes, ein von ſeinem Berufe in Redlichkeit erfüllter Prälat, drang tief bewegt darauf. Dennoch ward es für das Mal abgewen- det, und der König trat eilig mit Vergleichsvorſchlägen dazwiſchen. Jeder Stand ſoll zunächſt für ſich prüfen, den beiden anderen Einſicht der Acten geben; bleiben dann angefochtene Vollmachten übrig, ſo treten Commiſſarien der drei Stände zuſammen, ſchließlich entſcheiden die Kam- mern, können ſie ſich nicht einigen, der König. Dieſen Vorſchlägen, deren Dolmetſcher Necker in dem Ausſchuſſe der drei Stände war, fügte die Geiſtlichkeit ſich gleich; geſchah es daß auch der Adel nachgab, ſo war dem unpri- vilegirten Stande eine große Gefahr bereitet; er mußte dann entweder aus ſeiner geſchützten Stellung weichen und auf Hoffnungen verzichten, die ihm Alles bedeuteten, oder ſich gegen Vorſchläge auflehnen, die, wenn ſie als Vorſchriften den Etats-généraux vorangegangen wären, jedermann befriedigt hätten. Allein der Adel hatte ſchon einige Tage vorher einen Beſchluß gefaßt, welcher die Berathung jedes Standes für ſich und das Veto jedes Standes für unabänderliche Grundſätze der franzöſiſchen Monarchie erklärte, und dieſem Beſchluſſe getreu fiel ſeine Erklärung dahin aus, daß er allein über die Wahlen ſeines Standes zu entſcheiden habe. Alsbald erklärten die Gemei- nen, ein Vergleichsvorſchlag, welchen eine der Parteien ver- worfen habe, ſey fruchtlos, und die Conferenzen brachen ab.Juni 9.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0207"n="197"/>ſem Tage die Vereinigung unmittelbar erfolgt. Der Bi-<noteplace="right">Mai 27.</note><lb/>ſchof von Chartres, der alte Gönner von Sieyes, ein von<lb/>ſeinem Berufe in Redlichkeit erfüllter Prälat, drang tief<lb/>
bewegt darauf. Dennoch ward es für das Mal abgewen-<lb/>
det, und der König trat eilig mit Vergleichsvorſchlägen<lb/>
dazwiſchen. Jeder Stand ſoll zunächſt für ſich prüfen, den<lb/>
beiden anderen Einſicht der Acten geben; bleiben dann<lb/>
angefochtene Vollmachten übrig, ſo treten Commiſſarien<lb/>
der drei Stände zuſammen, ſchließlich entſcheiden die Kam-<lb/>
mern, können ſie ſich nicht einigen, der König. Dieſen<lb/>
Vorſchlägen, deren Dolmetſcher Necker in dem Ausſchuſſe<lb/>
der drei Stände war, fügte die Geiſtlichkeit ſich gleich;<lb/>
geſchah es daß auch der Adel nachgab, ſo war dem unpri-<lb/>
vilegirten Stande eine große Gefahr bereitet; er mußte<lb/>
dann entweder aus ſeiner geſchützten Stellung weichen und<lb/>
auf Hoffnungen verzichten, die ihm Alles bedeuteten,<lb/>
oder ſich gegen Vorſchläge auflehnen, die, wenn ſie als<lb/>
Vorſchriften den Etats-généraux vorangegangen wären,<lb/>
jedermann befriedigt hätten. Allein der Adel hatte ſchon<lb/>
einige Tage vorher einen Beſchluß gefaßt, welcher die<lb/>
Berathung jedes Standes für ſich und das Veto jedes<lb/>
Standes für unabänderliche Grundſätze der franzöſiſchen<lb/>
Monarchie erklärte, und dieſem Beſchluſſe getreu fiel ſeine<lb/>
Erklärung dahin aus, daß er allein über die Wahlen ſeines<lb/>
Standes zu entſcheiden habe. Alsbald erklärten die Gemei-<lb/>
nen, ein Vergleichsvorſchlag, welchen eine der Parteien ver-<lb/>
worfen habe, ſey fruchtlos, und die Conferenzen brachen ab.<noteplace="right">Juni 9.</note></p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[197/0207]
ſem Tage die Vereinigung unmittelbar erfolgt. Der Bi-
ſchof von Chartres, der alte Gönner von Sieyes, ein von
ſeinem Berufe in Redlichkeit erfüllter Prälat, drang tief
bewegt darauf. Dennoch ward es für das Mal abgewen-
det, und der König trat eilig mit Vergleichsvorſchlägen
dazwiſchen. Jeder Stand ſoll zunächſt für ſich prüfen, den
beiden anderen Einſicht der Acten geben; bleiben dann
angefochtene Vollmachten übrig, ſo treten Commiſſarien
der drei Stände zuſammen, ſchließlich entſcheiden die Kam-
mern, können ſie ſich nicht einigen, der König. Dieſen
Vorſchlägen, deren Dolmetſcher Necker in dem Ausſchuſſe
der drei Stände war, fügte die Geiſtlichkeit ſich gleich;
geſchah es daß auch der Adel nachgab, ſo war dem unpri-
vilegirten Stande eine große Gefahr bereitet; er mußte
dann entweder aus ſeiner geſchützten Stellung weichen und
auf Hoffnungen verzichten, die ihm Alles bedeuteten,
oder ſich gegen Vorſchläge auflehnen, die, wenn ſie als
Vorſchriften den Etats-généraux vorangegangen wären,
jedermann befriedigt hätten. Allein der Adel hatte ſchon
einige Tage vorher einen Beſchluß gefaßt, welcher die
Berathung jedes Standes für ſich und das Veto jedes
Standes für unabänderliche Grundſätze der franzöſiſchen
Monarchie erklärte, und dieſem Beſchluſſe getreu fiel ſeine
Erklärung dahin aus, daß er allein über die Wahlen ſeines
Standes zu entſcheiden habe. Alsbald erklärten die Gemei-
nen, ein Vergleichsvorſchlag, welchen eine der Parteien ver-
worfen habe, ſey fruchtlos, und die Conferenzen brachen ab.
Mai 27.
Juni 9.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/207>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.