edler Mäßigung dargelegt daß der königliche Befehl eben so sehr Gehorsam heische als die königliche Absicht ihn verdiene, daß auch die Stimme von 600,000 Einwohnern einen Werth habe, 180 Berechtigten gegenüber, als auch der Sturm über ihn ausbrach. Man befand jetzt daß die mirabeauschen Lehen auf seines Vaters Namen gingen, daß auch sein Ehecontract ihn nicht zum Lehnseigenthümer mache, seine Ausstoßung ward entschieden. Auch sein Protest hiegegen trägt keine Spur von Leidenschaft; er ist ein anderer Mensch, sobald er in die Sphäre öffentlicher Verhältnisse tritt. Um so gewisser konnte er von nun an der Gunst des dritten Standes seyn, es wäre denn daß ein Verhaftsbrief wegen seiner berliner Briefe dazwischen träte. Diese Sorge trieb ihn schleunig nach Paris, und als er erfahren, für seine Person sey nichts zu fürchten, eben so rasch wieder zurück in die Provence. Sein Ein- tritt hier war ein Triumphzug, allenthalben strömte ihm die Bevölkerung entgegen, man feierte mit lautem Zuruf den König und Mirabcau. An den Zauber seiner Unter- haltung sah man Alt und Jung gefesselt; wer ihn von den Irrthümern seiner Jugend reuig erzählen hörte, überredete sich gern, diesem Manne gehörten bloß seine Tugenden, seine Laster wären ihm äußerlich angespritzt. Aber Theu- rung herrschte auch in der Provence; der geringe Mann forderte in Marseille einen niedrigeren Satz für Brod und Fleisch; die Obrigkeit hat im ersten Schrecken nachgegeben, und weiß nun nicht wie sie Wort halten soll. Da nimmt
edler Mäßigung dargelegt daß der königliche Befehl eben ſo ſehr Gehorſam heiſche als die königliche Abſicht ihn verdiene, daß auch die Stimme von 600,000 Einwohnern einen Werth habe, 180 Berechtigten gegenüber, als auch der Sturm über ihn ausbrach. Man befand jetzt daß die mirabeauſchen Lehen auf ſeines Vaters Namen gingen, daß auch ſein Ehecontract ihn nicht zum Lehnseigenthümer mache, ſeine Ausſtoßung ward entſchieden. Auch ſein Proteſt hiegegen trägt keine Spur von Leidenſchaft; er iſt ein anderer Menſch, ſobald er in die Sphäre öffentlicher Verhältniſſe tritt. Um ſo gewiſſer konnte er von nun an der Gunſt des dritten Standes ſeyn, es wäre denn daß ein Verhaftsbrief wegen ſeiner berliner Briefe dazwiſchen träte. Dieſe Sorge trieb ihn ſchleunig nach Paris, und als er erfahren, für ſeine Perſon ſey nichts zu fürchten, eben ſo raſch wieder zurück in die Provence. Sein Ein- tritt hier war ein Triumphzug, allenthalben ſtrömte ihm die Bevölkerung entgegen, man feierte mit lautem Zuruf den König und Mirabcau. An den Zauber ſeiner Unter- haltung ſah man Alt und Jung gefeſſelt; wer ihn von den Irrthümern ſeiner Jugend reuig erzählen hörte, überredete ſich gern, dieſem Manne gehörten bloß ſeine Tugenden, ſeine Laſter wären ihm äußerlich angeſpritzt. Aber Theu- rung herrſchte auch in der Provence; der geringe Mann forderte in Marſeille einen niedrigeren Satz für Brod und Fleiſch; die Obrigkeit hat im erſten Schrecken nachgegeben, und weiß nun nicht wie ſie Wort halten ſoll. Da nimmt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0197"n="187"/>
edler Mäßigung dargelegt daß der königliche Befehl eben<lb/>ſo ſehr Gehorſam heiſche als die königliche Abſicht ihn<lb/>
verdiene, daß auch die Stimme von 600,000 Einwohnern<lb/>
einen Werth habe, 180 Berechtigten gegenüber, als auch<lb/>
der Sturm über ihn ausbrach. Man befand jetzt daß die<lb/>
mirabeauſchen Lehen auf ſeines Vaters Namen gingen,<lb/>
daß auch ſein Ehecontract ihn nicht zum Lehnseigenthümer<lb/>
mache, ſeine Ausſtoßung ward entſchieden. Auch ſein<lb/>
Proteſt hiegegen trägt keine Spur von Leidenſchaft; er iſt<lb/>
ein anderer Menſch, ſobald er in die Sphäre öffentlicher<lb/>
Verhältniſſe tritt. Um ſo gewiſſer konnte er von nun an<lb/>
der Gunſt des dritten Standes ſeyn, es wäre denn daß<lb/>
ein Verhaftsbrief wegen ſeiner berliner Briefe dazwiſchen<lb/>
träte. Dieſe Sorge trieb ihn ſchleunig nach Paris, und<lb/>
als er erfahren, für ſeine Perſon ſey nichts zu fürchten,<lb/>
eben ſo raſch wieder zurück in die Provence. Sein Ein-<lb/>
tritt hier war ein Triumphzug, allenthalben ſtrömte ihm<lb/>
die Bevölkerung entgegen, man feierte mit lautem Zuruf<lb/>
den König und Mirabcau. An den Zauber ſeiner Unter-<lb/>
haltung ſah man Alt und Jung gefeſſelt; wer ihn von den<lb/>
Irrthümern ſeiner Jugend reuig erzählen hörte, überredete<lb/>ſich gern, dieſem Manne gehörten bloß ſeine Tugenden,<lb/>ſeine Laſter wären ihm äußerlich angeſpritzt. Aber Theu-<lb/>
rung herrſchte auch in der Provence; der geringe Mann<lb/>
forderte in Marſeille einen niedrigeren Satz für Brod und<lb/>
Fleiſch; die Obrigkeit hat im erſten Schrecken nachgegeben,<lb/>
und weiß nun nicht wie ſie Wort halten ſoll. Da nimmt<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[187/0197]
edler Mäßigung dargelegt daß der königliche Befehl eben
ſo ſehr Gehorſam heiſche als die königliche Abſicht ihn
verdiene, daß auch die Stimme von 600,000 Einwohnern
einen Werth habe, 180 Berechtigten gegenüber, als auch
der Sturm über ihn ausbrach. Man befand jetzt daß die
mirabeauſchen Lehen auf ſeines Vaters Namen gingen,
daß auch ſein Ehecontract ihn nicht zum Lehnseigenthümer
mache, ſeine Ausſtoßung ward entſchieden. Auch ſein
Proteſt hiegegen trägt keine Spur von Leidenſchaft; er iſt
ein anderer Menſch, ſobald er in die Sphäre öffentlicher
Verhältniſſe tritt. Um ſo gewiſſer konnte er von nun an
der Gunſt des dritten Standes ſeyn, es wäre denn daß
ein Verhaftsbrief wegen ſeiner berliner Briefe dazwiſchen
träte. Dieſe Sorge trieb ihn ſchleunig nach Paris, und
als er erfahren, für ſeine Perſon ſey nichts zu fürchten,
eben ſo raſch wieder zurück in die Provence. Sein Ein-
tritt hier war ein Triumphzug, allenthalben ſtrömte ihm
die Bevölkerung entgegen, man feierte mit lautem Zuruf
den König und Mirabcau. An den Zauber ſeiner Unter-
haltung ſah man Alt und Jung gefeſſelt; wer ihn von den
Irrthümern ſeiner Jugend reuig erzählen hörte, überredete
ſich gern, dieſem Manne gehörten bloß ſeine Tugenden,
ſeine Laſter wären ihm äußerlich angeſpritzt. Aber Theu-
rung herrſchte auch in der Provence; der geringe Mann
forderte in Marſeille einen niedrigeren Satz für Brod und
Fleiſch; die Obrigkeit hat im erſten Schrecken nachgegeben,
und weiß nun nicht wie ſie Wort halten ſoll. Da nimmt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/197>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.