Zu dieser Zeit gab er seine Schriften über die Gefäng- nisse und über die Preßfreiheit heraus, letztere nach John Milton und mit dem Motto: "Wer einen Menschen töd- tet, tödtet ein vernünftiges Geschöpf, wer aber ein gutes Buch vernichtet, tödtet die Vernunft selber." Mirabeau hielt fest an dem Satze, die Regierung habe durch die Aufforderung an das Publicum, sie mit ihrem guten Rathe für die Reichsstände zu unterstützen, auf die Censur ver- zichtet, und Tausende von Flugschriften setzten das praktisch durch.
Um die Zeit da die berühmte Brochüre von Sieyes ans Licht trat, ging sein Landsmann in die Provence, mit1789 Jan. dem Adel an der Wahl von Abgeordneten für die General- stände theilzunehmen. Er that durch seinen Oheim bei dem Vater Schritte, wünschte die großen mirabeauschen Hauslehen in der Adelskammer zu repräsentiren; der aber meinte: das komme ihm, dem Inhaber, doch wohl eher zu. Nun fragte es sich, ob der Adel den Sohn, als nicht wirklichen Besitzer von Lehen zulassen, noch mehr, ob er ihn zum Abgeordneten wählen werde. Allein das schlimmste Hinderniß steht noch zurück. Für seine Geltung in den Reichsständen war sein Selbstgefühl ihm Bürge, allein wer bürgte dem Bedrängten für sein Reisegeld hin in die Provence und wieder zurück? Nun hatte er ein geistreiches, aber vielfach anstößiges Buch abgefaßt: Geheime Ge- schichte des berliner Hofes. Er bietet seine Handschrift dem Grafen Montmorin an, will man ihn entschädigen,
Zu dieſer Zeit gab er ſeine Schriften über die Gefäng- niſſe und über die Preßfreiheit heraus, letztere nach John Milton und mit dem Motto: „Wer einen Menſchen töd- tet, tödtet ein vernünftiges Geſchöpf, wer aber ein gutes Buch vernichtet, tödtet die Vernunft ſelber.“ Mirabeau hielt feſt an dem Satze, die Regierung habe durch die Aufforderung an das Publicum, ſie mit ihrem guten Rathe für die Reichsſtände zu unterſtützen, auf die Cenſur ver- zichtet, und Tauſende von Flugſchriften ſetzten das praktiſch durch.
Um die Zeit da die berühmte Brochüre von Sieyes ans Licht trat, ging ſein Landsmann in die Provence, mit1789 Jan. dem Adel an der Wahl von Abgeordneten für die General- ſtände theilzunehmen. Er that durch ſeinen Oheim bei dem Vater Schritte, wünſchte die großen mirabeauſchen Hauslehen in der Adelskammer zu repräſentiren; der aber meinte: das komme ihm, dem Inhaber, doch wohl eher zu. Nun fragte es ſich, ob der Adel den Sohn, als nicht wirklichen Beſitzer von Lehen zulaſſen, noch mehr, ob er ihn zum Abgeordneten wählen werde. Allein das ſchlimmſte Hinderniß ſteht noch zurück. Für ſeine Geltung in den Reichsſtänden war ſein Selbſtgefühl ihm Bürge, allein wer bürgte dem Bedrängten für ſein Reiſegeld hin in die Provence und wieder zurück? Nun hatte er ein geiſtreiches, aber vielfach anſtößiges Buch abgefaßt: Geheime Ge- ſchichte des berliner Hofes. Er bietet ſeine Handſchrift dem Grafen Montmorin an, will man ihn entſchädigen,
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Zu dieſer Zeit gab er ſeine Schriften über die Gefäng-
niſſe und über die Preßfreiheit heraus, letztere nach John
Milton und mit dem Motto: „Wer einen Menſchen töd-
tet, tödtet ein vernünftiges Geſchöpf, wer aber ein gutes
Buch vernichtet, tödtet die Vernunft ſelber.“ Mirabeau
hielt feſt an dem Satze, die Regierung habe durch die
Aufforderung an das Publicum, ſie mit ihrem guten Rathe
für die Reichsſtände zu unterſtützen, auf die Cenſur ver-
zichtet, und Tauſende von Flugſchriften ſetzten das
praktiſch durch.
Um die Zeit da die berühmte Brochüre von Sieyes ans
Licht trat, ging ſein Landsmann in die Provence, mit
dem Adel an der Wahl von Abgeordneten für die General-
ſtände theilzunehmen. Er that durch ſeinen Oheim bei
dem Vater Schritte, wünſchte die großen mirabeauſchen
Hauslehen in der Adelskammer zu repräſentiren; der aber
meinte: das komme ihm, dem Inhaber, doch wohl eher
zu. Nun fragte es ſich, ob der Adel den Sohn, als nicht
wirklichen Beſitzer von Lehen zulaſſen, noch mehr, ob er
ihn zum Abgeordneten wählen werde. Allein das ſchlimmſte
Hinderniß ſteht noch zurück. Für ſeine Geltung in den
Reichsſtänden war ſein Selbſtgefühl ihm Bürge, allein
wer bürgte dem Bedrängten für ſein Reiſegeld hin in die
Provence und wieder zurück? Nun hatte er ein geiſtreiches,
aber vielfach anſtößiges Buch abgefaßt: Geheime Ge-
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dem Grafen Montmorin an, will man ihn entſchädigen,
1789
Jan.
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/195>, abgerufen am 23.11.2024.
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