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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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macht; er hätte mit Steuern aushelfen sollen. Mit größe-
rem Rechte hielt er ihm seine Schrift über den Getraide-
handel vor, durch welche er an dem Sturze des einzigen
Ministers, welcher der Wiedergeburt von Frankreich ge-
wachsen war, an Turgots Sturze gearbeitet habe. Um
den Folgen eines Verhaftsbriefes zu entgehen, der ihn
wegen der Schrift gegen Calonne traf, kam Mirabeau
zum dritten Male nach Deutschland, und brachte jetzt mit
Beihülfe des Majors und Professors Mauvillon in Braun-
schweig sein großes denkwürdiges Werk über die preußische
Monarchie zu Stande. Vielfach, wo er Preußen nannte,
hatte er Frankreich im Auge. Der Vater, dem er sein
Werk gewidmet, nahm es wohl auf, meinte, der Haupt-
nutzen desselben sey zu zeigen, wie Friedrich der Große mit
allem guten Willen, all seiner Wachsamkeit sich doch im
Einzelnen unzählige Male geirrt habe.

Aufs Neue bot aber Mirabeau der Regierung seine
Dienste an, wandte sich an den Minister Montmorin.
Die Sache lag ganz einfach vor; man hätte ihn im Va-
terlande benutzen, oder unter dem Scheine der Dienste
einen gefährlichen Gegner an ihm entfernen sollen. Denn
in seiner wachsenden Bedrängniß erklärt er sich bereit, wo-
hin man will, "nach Warschau, St. Petersburg, Con-
stantinopel, Alexandrien" zu gehen. Weder das Eine
noch das Andere geschah. Es ist nicht anders, diese mi-
nisterielle Unfähigkeit ein politisches Genie zu würdigen,
gepaart mit dem unerbittlichen Geize des alten Vaters

macht; er hätte mit Steuern aushelfen ſollen. Mit größe-
rem Rechte hielt er ihm ſeine Schrift über den Getraide-
handel vor, durch welche er an dem Sturze des einzigen
Miniſters, welcher der Wiedergeburt von Frankreich ge-
wachſen war, an Turgots Sturze gearbeitet habe. Um
den Folgen eines Verhaftsbriefes zu entgehen, der ihn
wegen der Schrift gegen Calonne traf, kam Mirabeau
zum dritten Male nach Deutſchland, und brachte jetzt mit
Beihülfe des Majors und Profeſſors Mauvillon in Braun-
ſchweig ſein großes denkwürdiges Werk über die preußiſche
Monarchie zu Stande. Vielfach, wo er Preußen nannte,
hatte er Frankreich im Auge. Der Vater, dem er ſein
Werk gewidmet, nahm es wohl auf, meinte, der Haupt-
nutzen deſſelben ſey zu zeigen, wie Friedrich der Große mit
allem guten Willen, all ſeiner Wachſamkeit ſich doch im
Einzelnen unzählige Male geirrt habe.

Aufs Neue bot aber Mirabeau der Regierung ſeine
Dienſte an, wandte ſich an den Miniſter Montmorin.
Die Sache lag ganz einfach vor; man hätte ihn im Va-
terlande benutzen, oder unter dem Scheine der Dienſte
einen gefährlichen Gegner an ihm entfernen ſollen. Denn
in ſeiner wachſenden Bedrängniß erklärt er ſich bereit, wo-
hin man will, „nach Warſchau, St. Petersburg, Con-
ſtantinopel, Alexandrien“ zu gehen. Weder das Eine
noch das Andere geſchah. Es iſt nicht anders, dieſe mi-
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[182/0192] macht; er hätte mit Steuern aushelfen ſollen. Mit größe- rem Rechte hielt er ihm ſeine Schrift über den Getraide- handel vor, durch welche er an dem Sturze des einzigen Miniſters, welcher der Wiedergeburt von Frankreich ge- wachſen war, an Turgots Sturze gearbeitet habe. Um den Folgen eines Verhaftsbriefes zu entgehen, der ihn wegen der Schrift gegen Calonne traf, kam Mirabeau zum dritten Male nach Deutſchland, und brachte jetzt mit Beihülfe des Majors und Profeſſors Mauvillon in Braun- ſchweig ſein großes denkwürdiges Werk über die preußiſche Monarchie zu Stande. Vielfach, wo er Preußen nannte, hatte er Frankreich im Auge. Der Vater, dem er ſein Werk gewidmet, nahm es wohl auf, meinte, der Haupt- nutzen deſſelben ſey zu zeigen, wie Friedrich der Große mit allem guten Willen, all ſeiner Wachſamkeit ſich doch im Einzelnen unzählige Male geirrt habe. Aufs Neue bot aber Mirabeau der Regierung ſeine Dienſte an, wandte ſich an den Miniſter Montmorin. Die Sache lag ganz einfach vor; man hätte ihn im Va- terlande benutzen, oder unter dem Scheine der Dienſte einen gefährlichen Gegner an ihm entfernen ſollen. Denn in ſeiner wachſenden Bedrängniß erklärt er ſich bereit, wo- hin man will, „nach Warſchau, St. Petersburg, Con- ſtantinopel, Alexandrien“ zu gehen. Weder das Eine noch das Andere geſchah. Es iſt nicht anders, dieſe mi- niſterielle Unfähigkeit ein politiſches Genie zu würdigen, gepaart mit dem unerbittlichen Geize des alten Vaters

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/192>, abgerufen am 23.11.2024.