Alten Familiengedanken auf. "Unser Kind ist todt, Vic- tor," schreibt der Bailli, "deine Familie ist vernichtet, der Herr hat es gegeben, hat es genommen." Der Mar- quis darauf: "Die letzte Hoffnung unseres Namens ist da- hin. -- Nach so Vielem was ich ertragen, glaubte ich an meine Stärke; Gott hat mich enttäuschen wollen. -- Ich habe getrachtet ein guter Sohn, guter Bruder, guter Gatte, guter Vater, guter Nachbar zu seyn, gesetzlich in Geschäften, billig in Verträgen, habe niemals jemanden übel gewollt, und doch scheine ich ein Gegenstand des himmlischen Zornes zu seyn." Er vergleicht sich mit dem Regulus in der Tonne, umgeben von Bösewichtern; "die Mutter und von fünf Kindern ihrer viere eingesperrt." Der Oheim brachte nun in aller Stille den Gefangenen dazu seinem Vater unterwürfig zu schreiben, erinnerte zu- gleich den Bruder an den Schmerz der Provencalen, wenn eines seiner besten und kraftvollsten Geschlechter ausgehen sollte. Als auch Sophie schreibt, sich selbst alle Schuld beimißt, bricht das Eis etwas. "Ich glaube, alle Narren und Närrinnen der Welt haben sich verschworen mir Re- spect zu bezeigen." Als endlich die Minister selbst nahe daran waren einzuschreiten, kam Mirabeau frei nach vierte-1780 Dec. halbjähriger Gefangenschaft.
Die Wiedervereinigung mit seiner Frau gelang nicht; eben so wenig aber knüpfte sich das Verhältniß mit So- phien wieder an. Diese stand im Begriffe, nachdem ihr Mann gestorben, ein anderes Bündniß aus wahrer
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Alten Familiengedanken auf. „Unſer Kind iſt todt, Vic- tor,“ ſchreibt der Bailli, „deine Familie iſt vernichtet, der Herr hat es gegeben, hat es genommen.“ Der Mar- quis darauf: „Die letzte Hoffnung unſeres Namens iſt da- hin. — Nach ſo Vielem was ich ertragen, glaubte ich an meine Stärke; Gott hat mich enttäuſchen wollen. — Ich habe getrachtet ein guter Sohn, guter Bruder, guter Gatte, guter Vater, guter Nachbar zu ſeyn, geſetzlich in Geſchäften, billig in Verträgen, habe niemals jemanden übel gewollt, und doch ſcheine ich ein Gegenſtand des himmliſchen Zornes zu ſeyn.“ Er vergleicht ſich mit dem Regulus in der Tonne, umgeben von Böſewichtern; „die Mutter und von fünf Kindern ihrer viere eingeſperrt.“ Der Oheim brachte nun in aller Stille den Gefangenen dazu ſeinem Vater unterwürfig zu ſchreiben, erinnerte zu- gleich den Bruder an den Schmerz der Provençalen, wenn eines ſeiner beſten und kraftvollſten Geſchlechter ausgehen ſollte. Als auch Sophie ſchreibt, ſich ſelbſt alle Schuld beimißt, bricht das Eis etwas. „Ich glaube, alle Narren und Närrinnen der Welt haben ſich verſchworen mir Re- ſpect zu bezeigen.“ Als endlich die Miniſter ſelbſt nahe daran waren einzuſchreiten, kam Mirabeau frei nach vierte-1780 Dec. halbjähriger Gefangenſchaft.
Die Wiedervereinigung mit ſeiner Frau gelang nicht; eben ſo wenig aber knüpfte ſich das Verhältniß mit So- phien wieder an. Dieſe ſtand im Begriffe, nachdem ihr Mann geſtorben, ein anderes Bündniß aus wahrer
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Alten Familiengedanken auf. „Unſer Kind iſt todt, Vic-
tor,“ ſchreibt der Bailli, „deine Familie iſt vernichtet,
der Herr hat es gegeben, hat es genommen.“ Der Mar-
quis darauf: „Die letzte Hoffnung unſeres Namens iſt da-
hin. — Nach ſo Vielem was ich ertragen, glaubte ich an
meine Stärke; Gott hat mich enttäuſchen wollen. — Ich
habe getrachtet ein guter Sohn, guter Bruder, guter
Gatte, guter Vater, guter Nachbar zu ſeyn, geſetzlich in
Geſchäften, billig in Verträgen, habe niemals jemanden
übel gewollt, und doch ſcheine ich ein Gegenſtand des
himmliſchen Zornes zu ſeyn.“ Er vergleicht ſich mit dem
Regulus in der Tonne, umgeben von Böſewichtern; „die
Mutter und von fünf Kindern ihrer viere eingeſperrt.“
Der Oheim brachte nun in aller Stille den Gefangenen
dazu ſeinem Vater unterwürfig zu ſchreiben, erinnerte zu-
gleich den Bruder an den Schmerz der Provençalen, wenn
eines ſeiner beſten und kraftvollſten Geſchlechter ausgehen
ſollte. Als auch Sophie ſchreibt, ſich ſelbſt alle Schuld
beimißt, bricht das Eis etwas. „Ich glaube, alle Narren
und Närrinnen der Welt haben ſich verſchworen mir Re-
ſpect zu bezeigen.“ Als endlich die Miniſter ſelbſt nahe
daran waren einzuſchreiten, kam Mirabeau frei nach vierte-
halbjähriger Gefangenſchaft.
1780
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Die Wiedervereinigung mit ſeiner Frau gelang nicht;
eben ſo wenig aber knüpfte ſich das Verhältniß mit So-
phien wieder an. Dieſe ſtand im Begriffe, nachdem ihr
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/189>, abgerufen am 23.11.2024.
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