sammlung die nöthigen Verbesserungen zu bewirken. Auf einen Schlag aber war es jetzt auch mit der Popularität des pariser Parlaments und der Achtung zu Ende, welche ihm selbst ruhige Beobachter eine Zeitlang zollen mochten. Man warf ihm öffentlich seinen Standesegoismus vor, daß es nicht an das Volk, nur an seinen erblichen Adel denke, das Vorrecht jedes Mitgliedes dieses Parlaments. Als der freigegebene d'Espremenil auf seiner Rückreise durch Frankreich seine Parlamentsapotheosen wiederholte, ward er wie ein faselnder Geck betrachtet. Hierauf ließ sich etwas gründen. Der Widerstand dieses Parlaments, welcher eben noch unüberwindlich scheinen konnte, war durch seine eigene Schuld gebrochen. Wenn nichtsdesto- weniger Necker sich nicht stark genug hielt ein Zweikam- mersystem sofort durchzusetzen, so öffnete sich ihm ein zwei- ter Weg. Der ganze dritte Stand, das heißt ungefähr 24 Millionen Franzosen und außerdem eine Anzahl ein- sichtiger Männer vom Adel stimmten darin überein daß der dritte Stand mindestens so viel Repräsentanten erhal- ten müsse als Geistlichkeit und Adel zusammengenommen. Man konnte dafür sogar das Herkommen anführen, weil wirklich in den alten Etats-generaux der dritte Stand ge- wöhnlich am zahlreichsten erschien, obgleich er in einigen Provinzen bloß aus Städtern bestand, während er in den andern auch die Landleute begriff. Den privilegirten Stän- den konnte das gleichgültig seyn, sobald jeder Stand für sich abstimmte, wovon auf älteren Reichstagen freilich
ſammlung die nöthigen Verbeſſerungen zu bewirken. Auf einen Schlag aber war es jetzt auch mit der Popularität des pariſer Parlaments und der Achtung zu Ende, welche ihm ſelbſt ruhige Beobachter eine Zeitlang zollen mochten. Man warf ihm öffentlich ſeinen Standesegoismus vor, daß es nicht an das Volk, nur an ſeinen erblichen Adel denke, das Vorrecht jedes Mitgliedes dieſes Parlaments. Als der freigegebene d’Espréménil auf ſeiner Rückreiſe durch Frankreich ſeine Parlamentsapotheoſen wiederholte, ward er wie ein faſelnder Geck betrachtet. Hierauf ließ ſich etwas gründen. Der Widerſtand dieſes Parlaments, welcher eben noch unüberwindlich ſcheinen konnte, war durch ſeine eigene Schuld gebrochen. Wenn nichtsdeſto- weniger Necker ſich nicht ſtark genug hielt ein Zweikam- merſyſtem ſofort durchzuſetzen, ſo öffnete ſich ihm ein zwei- ter Weg. Der ganze dritte Stand, das heißt ungefähr 24 Millionen Franzoſen und außerdem eine Anzahl ein- ſichtiger Männer vom Adel ſtimmten darin überein daß der dritte Stand mindeſtens ſo viel Repräſentanten erhal- ten müſſe als Geiſtlichkeit und Adel zuſammengenommen. Man konnte dafür ſogar das Herkommen anführen, weil wirklich in den alten Etats-généraux der dritte Stand ge- wöhnlich am zahlreichſten erſchien, obgleich er in einigen Provinzen bloß aus Städtern beſtand, während er in den andern auch die Landleute begriff. Den privilegirten Stän- den konnte das gleichgültig ſeyn, ſobald jeder Stand für ſich abſtimmte, wovon auf älteren Reichstagen freilich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0158"n="148"/>ſammlung die nöthigen Verbeſſerungen zu bewirken. Auf<lb/>
einen Schlag aber war es jetzt auch mit der Popularität<lb/>
des pariſer Parlaments und der Achtung zu Ende, welche<lb/>
ihm ſelbſt ruhige Beobachter eine Zeitlang zollen mochten.<lb/>
Man warf ihm öffentlich ſeinen Standesegoismus vor,<lb/>
daß es nicht an das Volk, nur an ſeinen erblichen Adel<lb/>
denke, das Vorrecht jedes Mitgliedes dieſes Parlaments.<lb/>
Als der freigegebene d’Espréménil auf ſeiner Rückreiſe<lb/>
durch Frankreich ſeine Parlamentsapotheoſen wiederholte,<lb/>
ward er wie ein faſelnder Geck betrachtet. Hierauf ließ<lb/>ſich etwas gründen. Der Widerſtand dieſes Parlaments,<lb/>
welcher eben noch unüberwindlich ſcheinen konnte, war<lb/>
durch ſeine eigene Schuld gebrochen. Wenn nichtsdeſto-<lb/>
weniger Necker ſich nicht ſtark genug hielt ein Zweikam-<lb/>
merſyſtem ſofort durchzuſetzen, ſo öffnete ſich ihm ein zwei-<lb/>
ter Weg. Der ganze dritte Stand, das heißt ungefähr<lb/>
24 Millionen Franzoſen und außerdem eine Anzahl ein-<lb/>ſichtiger Männer vom Adel ſtimmten darin überein daß<lb/>
der dritte Stand mindeſtens ſo viel Repräſentanten erhal-<lb/>
ten müſſe als Geiſtlichkeit und Adel zuſammengenommen.<lb/>
Man konnte dafür ſogar das Herkommen anführen, weil<lb/>
wirklich in den alten Etats-généraux der dritte Stand ge-<lb/>
wöhnlich am zahlreichſten erſchien, obgleich er in einigen<lb/>
Provinzen bloß aus Städtern beſtand, während er in den<lb/>
andern auch die Landleute begriff. Den privilegirten Stän-<lb/>
den konnte das gleichgültig ſeyn, ſobald jeder Stand für<lb/>ſich abſtimmte, wovon auf älteren Reichstagen freilich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[148/0158]
ſammlung die nöthigen Verbeſſerungen zu bewirken. Auf
einen Schlag aber war es jetzt auch mit der Popularität
des pariſer Parlaments und der Achtung zu Ende, welche
ihm ſelbſt ruhige Beobachter eine Zeitlang zollen mochten.
Man warf ihm öffentlich ſeinen Standesegoismus vor,
daß es nicht an das Volk, nur an ſeinen erblichen Adel
denke, das Vorrecht jedes Mitgliedes dieſes Parlaments.
Als der freigegebene d’Espréménil auf ſeiner Rückreiſe
durch Frankreich ſeine Parlamentsapotheoſen wiederholte,
ward er wie ein faſelnder Geck betrachtet. Hierauf ließ
ſich etwas gründen. Der Widerſtand dieſes Parlaments,
welcher eben noch unüberwindlich ſcheinen konnte, war
durch ſeine eigene Schuld gebrochen. Wenn nichtsdeſto-
weniger Necker ſich nicht ſtark genug hielt ein Zweikam-
merſyſtem ſofort durchzuſetzen, ſo öffnete ſich ihm ein zwei-
ter Weg. Der ganze dritte Stand, das heißt ungefähr
24 Millionen Franzoſen und außerdem eine Anzahl ein-
ſichtiger Männer vom Adel ſtimmten darin überein daß
der dritte Stand mindeſtens ſo viel Repräſentanten erhal-
ten müſſe als Geiſtlichkeit und Adel zuſammengenommen.
Man konnte dafür ſogar das Herkommen anführen, weil
wirklich in den alten Etats-généraux der dritte Stand ge-
wöhnlich am zahlreichſten erſchien, obgleich er in einigen
Provinzen bloß aus Städtern beſtand, während er in den
andern auch die Landleute begriff. Den privilegirten Stän-
den konnte das gleichgültig ſeyn, ſobald jeder Stand für
ſich abſtimmte, wovon auf älteren Reichstagen freilich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/158>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.