nothwendigen Verbesserungen beschäftigen. Um aber zu dem Ende Alles hinlänglich vorbereiten zu können, muß in der Zwischenzeit für die Staatsbedürfnisse gesorgt seyn. Das geschieht durch eine Anleihe von 420 Millionen, in fünf Jahren zahlbar. Man wird im ersten Jahre 120 Millionen brauchen zur Deckung des Deficit, in jedem nächsten stufenweise weniger, im fünften wird man mit deren 60 reichen und diese wegen des wiederbefestigten Credits zu sehr niedrigen Zinsen erwerben können. Als König und Königin sich wegen der Reichsstände Sorge machten, fehlte es an leichtfertigen Trostsprüchen nicht: "Fünf Jahre sind eine lange Zeit. Sind inzwischen die nöthigen Verbesserungen im Innern gemacht, so hat man freie Hand die Reichsstände auch nicht zu berufen, inso- fern sie dann keinen Zweck mehr haben, oder auch sie zu berufen als ein Schauspiel ohne Wirklichkeit, sobald nur die Leidenschaften beruhigt sind."
Auf den 19. November ließ der König eine königliche Sitzung (seance royale) im Parlament ansagen. Eine solche war in der äußeren Erscheinung dem Throngerichte verwandt. In beiden sah man den König unter dem Thronhimmel auf einem Kissen sitzend, zwei Seitenkissen stützen seine Ellenbogen, ein viertes seinen Rücken, ein fünftes unten die Füße; allein im Throngericht ging der Kanzler umher und sammelte die Stimmen der einzelnen Mitglieder ein, und zwar gegen das sonstige Herkommen zuerst bei den Pärs, den geborenen und den ernannten,
nothwendigen Verbeſſerungen beſchäftigen. Um aber zu dem Ende Alles hinlänglich vorbereiten zu können, muß in der Zwiſchenzeit für die Staatsbedürfniſſe geſorgt ſeyn. Das geſchieht durch eine Anleihe von 420 Millionen, in fünf Jahren zahlbar. Man wird im erſten Jahre 120 Millionen brauchen zur Deckung des Deficit, in jedem nächſten ſtufenweiſe weniger, im fünften wird man mit deren 60 reichen und dieſe wegen des wiederbefeſtigten Credits zu ſehr niedrigen Zinſen erwerben können. Als König und Königin ſich wegen der Reichsſtände Sorge machten, fehlte es an leichtfertigen Troſtſprüchen nicht: „Fünf Jahre ſind eine lange Zeit. Sind inzwiſchen die nöthigen Verbeſſerungen im Innern gemacht, ſo hat man freie Hand die Reichsſtände auch nicht zu berufen, inſo- fern ſie dann keinen Zweck mehr haben, oder auch ſie zu berufen als ein Schauſpiel ohne Wirklichkeit, ſobald nur die Leidenſchaften beruhigt ſind.“
Auf den 19. November ließ der König eine königliche Sitzung (séance royale) im Parlament anſagen. Eine ſolche war in der äußeren Erſcheinung dem Throngerichte verwandt. In beiden ſah man den König unter dem Thronhimmel auf einem Kiſſen ſitzend, zwei Seitenkiſſen ſtützen ſeine Ellenbogen, ein viertes ſeinen Rücken, ein fünftes unten die Füße; allein im Throngericht ging der Kanzler umher und ſammelte die Stimmen der einzelnen Mitglieder ein, und zwar gegen das ſonſtige Herkommen zuerſt bei den Pärs, den geborenen und den ernannten,
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nothwendigen Verbeſſerungen beſchäftigen. Um aber zu
dem Ende Alles hinlänglich vorbereiten zu können, muß
in der Zwiſchenzeit für die Staatsbedürfniſſe geſorgt ſeyn.
Das geſchieht durch eine Anleihe von 420 Millionen, in
fünf Jahren zahlbar. Man wird im erſten Jahre 120
Millionen brauchen zur Deckung des Deficit, in jedem
nächſten ſtufenweiſe weniger, im fünften wird man mit
deren 60 reichen und dieſe wegen des wiederbefeſtigten
Credits zu ſehr niedrigen Zinſen erwerben können. Als
König und Königin ſich wegen der Reichsſtände Sorge
machten, fehlte es an leichtfertigen Troſtſprüchen nicht:
„Fünf Jahre ſind eine lange Zeit. Sind inzwiſchen die
nöthigen Verbeſſerungen im Innern gemacht, ſo hat man
freie Hand die Reichsſtände auch nicht zu berufen, inſo-
fern ſie dann keinen Zweck mehr haben, oder auch ſie zu
berufen als ein Schauſpiel ohne Wirklichkeit, ſobald nur
die Leidenſchaften beruhigt ſind.“
Auf den 19. November ließ der König eine königliche
Sitzung (séance royale) im Parlament anſagen. Eine
ſolche war in der äußeren Erſcheinung dem Throngerichte
verwandt. In beiden ſah man den König unter dem
Thronhimmel auf einem Kiſſen ſitzend, zwei Seitenkiſſen
ſtützen ſeine Ellenbogen, ein viertes ſeinen Rücken, ein
fünftes unten die Füße; allein im Throngericht ging der
Kanzler umher und ſammelte die Stimmen der einzelnen
Mitglieder ein, und zwar gegen das ſonſtige Herkommen
zuerſt bei den Pärs, den geborenen und den ernannten,
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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/131>, abgerufen am 23.11.2024.
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