in dem Ministerrathe in des Königs Zimmer und aus allen Kräften für Brienne's Maßregeln thätig. Eines Ta- ges als sie dahin auf dem Wege war, hörte sie unbemerkt die Worte eines Musikers der Kapelle: "eine Königin, die ihre Pflicht kennt, bleibt in ihren Zimmern und strickt Filet;" allein sie nannte bereits ihr unglückliches Geschick, was ihre Lust und ihr Stolz war, die Einmischung in Staatssachen. Durch den Einfluß der Königin stieg Brienne, der ein öffentliches Zeichen des allerhöchsten Vertrauens begehrte, gerade jetzt zum Premierminister. Dadurch beleidigt traten Segur und de Castries zurück, und Brienne beförderte seinen verdienstlosen Bruder zum Kriegsminister, das Seewesen erhielt Graf La Luzerne, der freilich gerade in Domingo sich befand, und das zu einer Zeit da ein Krieg nicht unwahrscheinlich war. Da- mals inzwischen ward Holland den preußischen Waffen preisgegeben, welche die Leiden des Erbstatthalters, des Schwagers Friedrich Wilhelms II., zu rächen kamen. Aber Viele in Frankreich waren der Meinung, Necker an der Spitze der Finanzen und eine kräftige Kriegsdemon- stration durch versammelte 20,000 Mann, als deren An- führer man Lafayette nannte, würden das schwankende Ansehn der Krone im rechten Augenblicke wieder befestigt haben.
Unterdessen traf das Parlament an seinem Verban- nungsorte vergebliche Anstalten zur Fortsetzung seiner Amtsgeschäfte, denn kein Advocat erschien. Um so häufiger
in dem Miniſterrathe in des Königs Zimmer und aus allen Kräften für Brienne’s Maßregeln thätig. Eines Ta- ges als ſie dahin auf dem Wege war, hörte ſie unbemerkt die Worte eines Muſikers der Kapelle: „eine Königin, die ihre Pflicht kennt, bleibt in ihren Zimmern und ſtrickt Filet;“ allein ſie nannte bereits ihr unglückliches Geſchick, was ihre Luſt und ihr Stolz war, die Einmiſchung in Staatsſachen. Durch den Einfluß der Königin ſtieg Brienne, der ein öffentliches Zeichen des allerhöchſten Vertrauens begehrte, gerade jetzt zum Premierminiſter. Dadurch beleidigt traten Segur und de Caſtries zurück, und Brienne beförderte ſeinen verdienſtloſen Bruder zum Kriegsminiſter, das Seeweſen erhielt Graf La Luzerne, der freilich gerade in Domingo ſich befand, und das zu einer Zeit da ein Krieg nicht unwahrſcheinlich war. Da- mals inzwiſchen ward Holland den preußiſchen Waffen preisgegeben, welche die Leiden des Erbſtatthalters, des Schwagers Friedrich Wilhelms II., zu rächen kamen. Aber Viele in Frankreich waren der Meinung, Necker an der Spitze der Finanzen und eine kräftige Kriegsdemon- ſtration durch verſammelte 20,000 Mann, als deren An- führer man Lafayette nannte, würden das ſchwankende Anſehn der Krone im rechten Augenblicke wieder befeſtigt haben.
Unterdeſſen traf das Parlament an ſeinem Verban- nungsorte vergebliche Anſtalten zur Fortſetzung ſeiner Amtsgeſchäfte, denn kein Advocat erſchien. Um ſo häufiger
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0129"n="119"/>
in dem Miniſterrathe in des Königs Zimmer und aus<lb/>
allen Kräften für Brienne’s Maßregeln thätig. Eines Ta-<lb/>
ges als ſie dahin auf dem Wege war, hörte ſie unbemerkt<lb/>
die Worte eines Muſikers der Kapelle: „eine Königin,<lb/>
die ihre Pflicht kennt, bleibt in ihren Zimmern und ſtrickt<lb/>
Filet;“ allein ſie nannte bereits ihr unglückliches Geſchick,<lb/>
was ihre Luſt und ihr Stolz war, die Einmiſchung in<lb/>
Staatsſachen. Durch den Einfluß der Königin ſtieg<lb/>
Brienne, der ein öffentliches Zeichen des allerhöchſten<lb/>
Vertrauens begehrte, gerade jetzt zum Premierminiſter.<lb/>
Dadurch beleidigt traten Segur und de Caſtries zurück,<lb/>
und Brienne beförderte ſeinen verdienſtloſen Bruder zum<lb/>
Kriegsminiſter, das Seeweſen erhielt Graf La Luzerne,<lb/>
der freilich gerade in Domingo ſich befand, und das zu<lb/>
einer Zeit da ein Krieg nicht unwahrſcheinlich war. Da-<lb/>
mals inzwiſchen ward Holland den preußiſchen Waffen<lb/>
preisgegeben, welche die Leiden des Erbſtatthalters, des<lb/>
Schwagers Friedrich Wilhelms <hirendition="#aq">II.</hi>, zu rächen kamen.<lb/>
Aber Viele in Frankreich waren der Meinung, Necker an<lb/>
der Spitze der Finanzen und eine kräftige Kriegsdemon-<lb/>ſtration durch verſammelte 20,000 Mann, als deren An-<lb/>
führer man Lafayette nannte, würden das ſchwankende<lb/>
Anſehn der Krone im rechten Augenblicke wieder befeſtigt<lb/>
haben.</p><lb/><p>Unterdeſſen traf das Parlament an ſeinem Verban-<lb/>
nungsorte vergebliche Anſtalten zur Fortſetzung ſeiner<lb/>
Amtsgeſchäfte, denn kein Advocat erſchien. Um ſo häufiger<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[119/0129]
in dem Miniſterrathe in des Königs Zimmer und aus
allen Kräften für Brienne’s Maßregeln thätig. Eines Ta-
ges als ſie dahin auf dem Wege war, hörte ſie unbemerkt
die Worte eines Muſikers der Kapelle: „eine Königin,
die ihre Pflicht kennt, bleibt in ihren Zimmern und ſtrickt
Filet;“ allein ſie nannte bereits ihr unglückliches Geſchick,
was ihre Luſt und ihr Stolz war, die Einmiſchung in
Staatsſachen. Durch den Einfluß der Königin ſtieg
Brienne, der ein öffentliches Zeichen des allerhöchſten
Vertrauens begehrte, gerade jetzt zum Premierminiſter.
Dadurch beleidigt traten Segur und de Caſtries zurück,
und Brienne beförderte ſeinen verdienſtloſen Bruder zum
Kriegsminiſter, das Seeweſen erhielt Graf La Luzerne,
der freilich gerade in Domingo ſich befand, und das zu
einer Zeit da ein Krieg nicht unwahrſcheinlich war. Da-
mals inzwiſchen ward Holland den preußiſchen Waffen
preisgegeben, welche die Leiden des Erbſtatthalters, des
Schwagers Friedrich Wilhelms II., zu rächen kamen.
Aber Viele in Frankreich waren der Meinung, Necker an
der Spitze der Finanzen und eine kräftige Kriegsdemon-
ſtration durch verſammelte 20,000 Mann, als deren An-
führer man Lafayette nannte, würden das ſchwankende
Anſehn der Krone im rechten Augenblicke wieder befeſtigt
haben.
Unterdeſſen traf das Parlament an ſeinem Verban-
nungsorte vergebliche Anſtalten zur Fortſetzung ſeiner
Amtsgeſchäfte, denn kein Advocat erſchien. Um ſo häufiger
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/129>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.