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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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den und nicht geneigter zu neuen Steuern. Als am Ende
der hohe Adel zu der Entscheidung kam, den Grundsatz
der gleichen Vertheilung anzuerkennen und wirklich in den
Büreaus dafür den Ausschlag gab, erhoben sich aus dem
Provinzialadel ungestüme Stimmen dagegen: "Der hat
gut schenken," sprach man, "welcher vorher weiß daß
ihm seine Opfer mit reichlichen Zinsen ersetzt werden. Ihr
ziehet Pensionen von je 60,000, wo nicht gar 160,000
Livres, und wenn Ihr gleichwohl das Unglück habt Schul-
den zu machen, fließen Euch abermals Hunderttausende
zu. Mit uns Leuten aus der Provinz steht es anders."
Auch die vom Klerus mochten von dem Grundsatze der
Gleichmäßigkeit nichts wissen, und wie vielfach auch Brienne
an den Steuern veränderte, ermäßigte, in Sachen des
Eigennutzes sehen auch Einfältige scharf, es blieben im-
mer Steuern und es war der ärgerliche Weg Calonne's.
Ja hätte Brienne bloß durch Ersparungen und ohne damit
jemand lästig zu fallen den Ausfall zu ergänzen vermocht,
er wäre der rechte Mann gewesen. So aber war das Ende
doch daß man die Steuern abschlug, als zu deren Bewil-
ligung nicht befugt. Dabei von allen Seiten Überdruß
der Sitzungen, bis auf den einen Lafayette, der nicht
müde ward fruchtlose Anträge zu häufen, den Reformir-
ten geholfen wissen wollte und sogar noch einmal die
Reichsstände anregte, indem er eine Anleihe in Vorschlag
brachte, welche bis zu deren Berufung den Staatsbedarf
decken sollte. Am 25. Mai Entlassung der Notabeln.


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den und nicht geneigter zu neuen Steuern. Als am Ende
der hohe Adel zu der Entſcheidung kam, den Grundſatz
der gleichen Vertheilung anzuerkennen und wirklich in den
Büreaus dafür den Ausſchlag gab, erhoben ſich aus dem
Provinzialadel ungeſtüme Stimmen dagegen: „Der hat
gut ſchenken,“ ſprach man, „welcher vorher weiß daß
ihm ſeine Opfer mit reichlichen Zinſen erſetzt werden. Ihr
ziehet Penſionen von je 60,000, wo nicht gar 160,000
Livres, und wenn Ihr gleichwohl das Unglück habt Schul-
den zu machen, fließen Euch abermals Hunderttauſende
zu. Mit uns Leuten aus der Provinz ſteht es anders.“
Auch die vom Klerus mochten von dem Grundſatze der
Gleichmäßigkeit nichts wiſſen, und wie vielfach auch Brienne
an den Steuern veränderte, ermäßigte, in Sachen des
Eigennutzes ſehen auch Einfältige ſcharf, es blieben im-
mer Steuern und es war der ärgerliche Weg Calonne’s.
Ja hätte Brienne bloß durch Erſparungen und ohne damit
jemand läſtig zu fallen den Ausfall zu ergänzen vermocht,
er wäre der rechte Mann geweſen. So aber war das Ende
doch daß man die Steuern abſchlug, als zu deren Bewil-
ligung nicht befugt. Dabei von allen Seiten Überdruß
der Sitzungen, bis auf den einen Lafayette, der nicht
müde ward fruchtloſe Anträge zu häufen, den Reformir-
ten geholfen wiſſen wollte und ſogar noch einmal die
Reichsſtände anregte, indem er eine Anleihe in Vorſchlag
brachte, welche bis zu deren Berufung den Staatsbedarf
decken ſollte. Am 25. Mai Entlaſſung der Notabeln.


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[115/0125] den und nicht geneigter zu neuen Steuern. Als am Ende der hohe Adel zu der Entſcheidung kam, den Grundſatz der gleichen Vertheilung anzuerkennen und wirklich in den Büreaus dafür den Ausſchlag gab, erhoben ſich aus dem Provinzialadel ungeſtüme Stimmen dagegen: „Der hat gut ſchenken,“ ſprach man, „welcher vorher weiß daß ihm ſeine Opfer mit reichlichen Zinſen erſetzt werden. Ihr ziehet Penſionen von je 60,000, wo nicht gar 160,000 Livres, und wenn Ihr gleichwohl das Unglück habt Schul- den zu machen, fließen Euch abermals Hunderttauſende zu. Mit uns Leuten aus der Provinz ſteht es anders.“ Auch die vom Klerus mochten von dem Grundſatze der Gleichmäßigkeit nichts wiſſen, und wie vielfach auch Brienne an den Steuern veränderte, ermäßigte, in Sachen des Eigennutzes ſehen auch Einfältige ſcharf, es blieben im- mer Steuern und es war der ärgerliche Weg Calonne’s. Ja hätte Brienne bloß durch Erſparungen und ohne damit jemand läſtig zu fallen den Ausfall zu ergänzen vermocht, er wäre der rechte Mann geweſen. So aber war das Ende doch daß man die Steuern abſchlug, als zu deren Bewil- ligung nicht befugt. Dabei von allen Seiten Überdruß der Sitzungen, bis auf den einen Lafayette, der nicht müde ward fruchtloſe Anträge zu häufen, den Reformir- ten geholfen wiſſen wollte und ſogar noch einmal die Reichsſtände anregte, indem er eine Anleihe in Vorſchlag brachte, welche bis zu deren Berufung den Staatsbedarf decken ſollte. Am 25. Mai Entlaſſung der Notabeln. 8*

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/125>, abgerufen am 23.11.2024.