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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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Versailles, wohin sein Amt als Großalmosenier ihn ruft.
Wer hat ihn betrogen? die Lamotte? oder die Königin?
die Monarchin, die er gesprochen, deren Briefe er in Hän-
den hatte? Wie aber wenn die Königin in der Bedrängniß
allen Verkehr mit ihm abläugnet, was die Gräfin ihn jetzt
fürchten läßt? Nun er besaß ja doch ihre eigenen Briefe!

Die Königin, schon gewohnt ihren Gemahl zu lenken,
ging nicht zuerst zu diesem, ihm die erlittene Schmach zu
klagen, sie sprach mit ihrer Kammerfrau der Campan, be-
rief zwei Männer zu sich, die in ihrem engeren Vertrauen
standen, den Baron von Breteuil und den Abbe Vermont,
beides Hofleute vom gewöhnlichen Schlage und Feinde
Rohans. Breteuil vergab es dem Cardinal nicht daß er
ihm ehemals seine Bahn gestört, in der Wiener Gesandt-
schaft ihn ausgestochen, ihn genöthigt vor der Hand bei
kleineren Höfen zu bleiben. Das hatte zwar in der Folge
sich wieder völlig ausgeglichen, Breteuil ward nach Rohan
Gesandter in Wien und hatte gegenwärtig als Minister
des königlichen Hauses (in besseren Tagen das Ministerium
von Malesherbes) ihn nun vollends überholt; allein der
verhaßte Mann durfte nicht wieder aufkommen; und Abbe
Vermont, der aus einem demüthigen Lehrer in der fran-
zösischen Sprache bei Marien Antonien, welchen sich die
Kaiserin aus Paris verschrieb, neuerdings ein Mann von
Geltung geworden war, hatte zu oft in früheren Tagen
den wegwerfenden Übermuth des Cardinals erfahren, um
nicht derselben Meinung zu seyn. Vergeblich daß Vergennes

Verſailles, wohin ſein Amt als Großalmoſenier ihn ruft.
Wer hat ihn betrogen? die Lamotte? oder die Königin?
die Monarchin, die er geſprochen, deren Briefe er in Hän-
den hatte? Wie aber wenn die Königin in der Bedrängniß
allen Verkehr mit ihm abläugnet, was die Gräfin ihn jetzt
fürchten läßt? Nun er beſaß ja doch ihre eigenen Briefe!

Die Königin, ſchon gewohnt ihren Gemahl zu lenken,
ging nicht zuerſt zu dieſem, ihm die erlittene Schmach zu
klagen, ſie ſprach mit ihrer Kammerfrau der Campan, be-
rief zwei Männer zu ſich, die in ihrem engeren Vertrauen
ſtanden, den Baron von Breteuil und den Abbé Vermont,
beides Hofleute vom gewöhnlichen Schlage und Feinde
Rohans. Breteuil vergab es dem Cardinal nicht daß er
ihm ehemals ſeine Bahn geſtört, in der Wiener Geſandt-
ſchaft ihn ausgeſtochen, ihn genöthigt vor der Hand bei
kleineren Höfen zu bleiben. Das hatte zwar in der Folge
ſich wieder völlig ausgeglichen, Breteuil ward nach Rohan
Geſandter in Wien und hatte gegenwärtig als Miniſter
des königlichen Hauſes (in beſſeren Tagen das Miniſterium
von Malesherbes) ihn nun vollends überholt; allein der
verhaßte Mann durfte nicht wieder aufkommen; und Abbé
Vermont, der aus einem demüthigen Lehrer in der fran-
zöſiſchen Sprache bei Marien Antonien, welchen ſich die
Kaiſerin aus Paris verſchrieb, neuerdings ein Mann von
Geltung geworden war, hatte zu oft in früheren Tagen
den wegwerfenden Übermuth des Cardinals erfahren, um
nicht derſelben Meinung zu ſeyn. Vergeblich daß Vergennes

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[101/0111] Verſailles, wohin ſein Amt als Großalmoſenier ihn ruft. Wer hat ihn betrogen? die Lamotte? oder die Königin? die Monarchin, die er geſprochen, deren Briefe er in Hän- den hatte? Wie aber wenn die Königin in der Bedrängniß allen Verkehr mit ihm abläugnet, was die Gräfin ihn jetzt fürchten läßt? Nun er beſaß ja doch ihre eigenen Briefe! Die Königin, ſchon gewohnt ihren Gemahl zu lenken, ging nicht zuerſt zu dieſem, ihm die erlittene Schmach zu klagen, ſie ſprach mit ihrer Kammerfrau der Campan, be- rief zwei Männer zu ſich, die in ihrem engeren Vertrauen ſtanden, den Baron von Breteuil und den Abbé Vermont, beides Hofleute vom gewöhnlichen Schlage und Feinde Rohans. Breteuil vergab es dem Cardinal nicht daß er ihm ehemals ſeine Bahn geſtört, in der Wiener Geſandt- ſchaft ihn ausgeſtochen, ihn genöthigt vor der Hand bei kleineren Höfen zu bleiben. Das hatte zwar in der Folge ſich wieder völlig ausgeglichen, Breteuil ward nach Rohan Geſandter in Wien und hatte gegenwärtig als Miniſter des königlichen Hauſes (in beſſeren Tagen das Miniſterium von Malesherbes) ihn nun vollends überholt; allein der verhaßte Mann durfte nicht wieder aufkommen; und Abbé Vermont, der aus einem demüthigen Lehrer in der fran- zöſiſchen Sprache bei Marien Antonien, welchen ſich die Kaiſerin aus Paris verſchrieb, neuerdings ein Mann von Geltung geworden war, hatte zu oft in früheren Tagen den wegwerfenden Übermuth des Cardinals erfahren, um nicht derſelben Meinung zu ſeyn. Vergeblich daß Vergennes

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/111>, abgerufen am 27.11.2024.