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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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tages, die Stadt Rennes einrückten. Nun erfolgte eine
Unterwerfung, welcher die Minderzahl des Adels wider-
sprach. Ludwig war Despot geworden ohne es zu wollen.

Unterdessen gewann Vergennes täglich mehr Gebiet
bei dem Könige und schien geneigt an die Stelle von Mau-
repas zu treten. Da er aber Widerstand bei den andern
Ministern fand, stand er ab und Joly de Fleury, der sich
an ihn gehangen, mußte fallen. Der Friede war inzwi-1783.
März.

schen wieder hergestellt; um so weniger fühlte sich der Kö-
nig geneigt seine Antipathie gegen Necker zu überwinden,
er hatte einen vollkommen ehrlichen Mann an dem Staats-
rathe D'Ormesson gefunden, der freilich bescheiden einge-
stand daß er von den Finanzen wenig verstehe; diesen
zwang er beinahe die Finanzen zu übernehmen. Allein die
Dinge gingen schief; der redliche Mann hatte das Schick-
sal seines Königes, er ward aus Unbeholfenheit manchmal
despotisch, was die Finanzen am wenigsten dulden, und
als er an die Generalpächter rührte, war sein Fall ent-
schieden. Nach nur sieben Monaten war Frankreich aber-Oct.
mals ohne Finanzminister. Die Welt der Schurken schrie
Triumph als es der ungeschickten Ehrlichkeit so übel ge-
lungen war, und aus einer nicht kleinen Zahl von Bewer-
bern, die jetzt mit kecker Stirn in die lange Reihe derjeni-
gen traten, von deren Rechtlichkeit nichts zu fürchten war,
griff Ludwigs unglückliche Hand gerade den Schlimmsten
heraus. Der Herr von Calonne war als Intendant der
Generalität Lille so übel berufen, solch ein Schuldenmacher

tages, die Stadt Rennes einrückten. Nun erfolgte eine
Unterwerfung, welcher die Minderzahl des Adels wider-
ſprach. Ludwig war Despot geworden ohne es zu wollen.

Unterdeſſen gewann Vergennes täglich mehr Gebiet
bei dem Könige und ſchien geneigt an die Stelle von Mau-
repas zu treten. Da er aber Widerſtand bei den andern
Miniſtern fand, ſtand er ab und Joly de Fleury, der ſich
an ihn gehangen, mußte fallen. Der Friede war inzwi-1783.
März.

ſchen wieder hergeſtellt; um ſo weniger fühlte ſich der Kö-
nig geneigt ſeine Antipathie gegen Necker zu überwinden,
er hatte einen vollkommen ehrlichen Mann an dem Staats-
rathe D’Ormeſſon gefunden, der freilich beſcheiden einge-
ſtand daß er von den Finanzen wenig verſtehe; dieſen
zwang er beinahe die Finanzen zu übernehmen. Allein die
Dinge gingen ſchief; der redliche Mann hatte das Schick-
ſal ſeines Königes, er ward aus Unbeholfenheit manchmal
despotiſch, was die Finanzen am wenigſten dulden, und
als er an die Generalpächter rührte, war ſein Fall ent-
ſchieden. Nach nur ſieben Monaten war Frankreich aber-Oct.
mals ohne Finanzminiſter. Die Welt der Schurken ſchrie
Triumph als es der ungeſchickten Ehrlichkeit ſo übel ge-
lungen war, und aus einer nicht kleinen Zahl von Bewer-
bern, die jetzt mit kecker Stirn in die lange Reihe derjeni-
gen traten, von deren Rechtlichkeit nichts zu fürchten war,
griff Ludwigs unglückliche Hand gerade den Schlimmſten
heraus. Der Herr von Calonne war als Intendant der
Generalität Lille ſo übel berufen, ſolch ein Schuldenmacher

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[93/0103] tages, die Stadt Rennes einrückten. Nun erfolgte eine Unterwerfung, welcher die Minderzahl des Adels wider- ſprach. Ludwig war Despot geworden ohne es zu wollen. Unterdeſſen gewann Vergennes täglich mehr Gebiet bei dem Könige und ſchien geneigt an die Stelle von Mau- repas zu treten. Da er aber Widerſtand bei den andern Miniſtern fand, ſtand er ab und Joly de Fleury, der ſich an ihn gehangen, mußte fallen. Der Friede war inzwi- ſchen wieder hergeſtellt; um ſo weniger fühlte ſich der Kö- nig geneigt ſeine Antipathie gegen Necker zu überwinden, er hatte einen vollkommen ehrlichen Mann an dem Staats- rathe D’Ormeſſon gefunden, der freilich beſcheiden einge- ſtand daß er von den Finanzen wenig verſtehe; dieſen zwang er beinahe die Finanzen zu übernehmen. Allein die Dinge gingen ſchief; der redliche Mann hatte das Schick- ſal ſeines Königes, er ward aus Unbeholfenheit manchmal despotiſch, was die Finanzen am wenigſten dulden, und als er an die Generalpächter rührte, war ſein Fall ent- ſchieden. Nach nur ſieben Monaten war Frankreich aber- mals ohne Finanzminiſter. Die Welt der Schurken ſchrie Triumph als es der ungeſchickten Ehrlichkeit ſo übel ge- lungen war, und aus einer nicht kleinen Zahl von Bewer- bern, die jetzt mit kecker Stirn in die lange Reihe derjeni- gen traten, von deren Rechtlichkeit nichts zu fürchten war, griff Ludwigs unglückliche Hand gerade den Schlimmſten heraus. Der Herr von Calonne war als Intendant der Generalität Lille ſo übel berufen, ſolch ein Schuldenmacher 1783. März. Oct.

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/103>, abgerufen am 24.11.2024.