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Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845.

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1782.wollte. Als sie am Ende Zutritt erlangt, vernahmen sie
mit Entrüstung daß ihre Freiheiten als widerrufbare Pri-
vilegien, von den Vorfahren des Königs gnädigst bewil-
ligt, behandelt würden. Dieser Ansicht aber widersprachen
die Stände in einer Gegenvorstellung voll altbretagnischen
Stolzes. "Unsere Vorrechte und Freiheiten" so schreiben
sie "sind wesentliche Bedingungen des Vertrages, durch
welchen Sie die Betragne erworben haben. Wir können
Ihnen, Sire, die traurigen Folgen von Ausdrücken nicht
verhehlen, welche den alten Grundsätzen unseres National-
rechtes von Grundaus widerstreiten. Sie sind höchst be-
unruhigend für Unterthanen, welche ihrem Souverain eben
so ergeben als auf ihre Verfassungsrechte eifersüchtig sind,
für Unterthanen, nicht an knechtischen Gehorsam, sondern
an eine durch verständige Gesetze geleitete Unterwürfigkeit
gewöhnt, welche Eure Majestät zu achten geschworen ha-
ben. Diese Gesinnung ist in unserm Herzen eins mit der
Liebe zum Vaterlande. Ja, Sire, diesen heiligen Namen
kennen die Bretagner: sie haben ein Vaterland: sie haben
Pflichten zu erfüllen: sie haben Rechte, die sie um des
Interesses Ihres Staates willen nicht vergessen dürfen.
Als Vater Ihrer Völker werden Sie allein die Herrschaft
der Gesetze ausüben; die Gesetze herrschen durch Sie und
Sie herrschen durch die Gesetze. Die Bedingungen, welche
Ihnen unsern Gehorsam sichern, machen einen Theil der
positiven Gesetze Ihres Königreiches aus." Der Wider-
stand ging so weit, daß Soldaten in den Sitz des Land-

1782.wollte. Als ſie am Ende Zutritt erlangt, vernahmen ſie
mit Entrüſtung daß ihre Freiheiten als widerrufbare Pri-
vilegien, von den Vorfahren des Königs gnädigſt bewil-
ligt, behandelt würden. Dieſer Anſicht aber widerſprachen
die Stände in einer Gegenvorſtellung voll altbretagniſchen
Stolzes. „Unſere Vorrechte und Freiheiten“ ſo ſchreiben
ſie „ſind weſentliche Bedingungen des Vertrages, durch
welchen Sie die Betragne erworben haben. Wir können
Ihnen, Sire, die traurigen Folgen von Ausdrücken nicht
verhehlen, welche den alten Grundſätzen unſeres National-
rechtes von Grundaus widerſtreiten. Sie ſind höchſt be-
unruhigend für Unterthanen, welche ihrem Souverain eben
ſo ergeben als auf ihre Verfaſſungsrechte eiferſüchtig ſind,
für Unterthanen, nicht an knechtiſchen Gehorſam, ſondern
an eine durch verſtändige Geſetze geleitete Unterwürfigkeit
gewöhnt, welche Eure Majeſtät zu achten geſchworen ha-
ben. Dieſe Geſinnung iſt in unſerm Herzen eins mit der
Liebe zum Vaterlande. Ja, Sire, dieſen heiligen Namen
kennen die Bretagner: ſie haben ein Vaterland: ſie haben
Pflichten zu erfüllen: ſie haben Rechte, die ſie um des
Intereſſes Ihres Staates willen nicht vergeſſen dürfen.
Als Vater Ihrer Völker werden Sie allein die Herrſchaft
der Geſetze ausüben; die Geſetze herrſchen durch Sie und
Sie herrſchen durch die Geſetze. Die Bedingungen, welche
Ihnen unſern Gehorſam ſichern, machen einen Theil der
poſitiven Geſetze Ihres Königreiches aus.“ Der Wider-
ſtand ging ſo weit, daß Soldaten in den Sitz des Land-

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[92/0102] wollte. Als ſie am Ende Zutritt erlangt, vernahmen ſie mit Entrüſtung daß ihre Freiheiten als widerrufbare Pri- vilegien, von den Vorfahren des Königs gnädigſt bewil- ligt, behandelt würden. Dieſer Anſicht aber widerſprachen die Stände in einer Gegenvorſtellung voll altbretagniſchen Stolzes. „Unſere Vorrechte und Freiheiten“ ſo ſchreiben ſie „ſind weſentliche Bedingungen des Vertrages, durch welchen Sie die Betragne erworben haben. Wir können Ihnen, Sire, die traurigen Folgen von Ausdrücken nicht verhehlen, welche den alten Grundſätzen unſeres National- rechtes von Grundaus widerſtreiten. Sie ſind höchſt be- unruhigend für Unterthanen, welche ihrem Souverain eben ſo ergeben als auf ihre Verfaſſungsrechte eiferſüchtig ſind, für Unterthanen, nicht an knechtiſchen Gehorſam, ſondern an eine durch verſtändige Geſetze geleitete Unterwürfigkeit gewöhnt, welche Eure Majeſtät zu achten geſchworen ha- ben. Dieſe Geſinnung iſt in unſerm Herzen eins mit der Liebe zum Vaterlande. Ja, Sire, dieſen heiligen Namen kennen die Bretagner: ſie haben ein Vaterland: ſie haben Pflichten zu erfüllen: ſie haben Rechte, die ſie um des Intereſſes Ihres Staates willen nicht vergeſſen dürfen. Als Vater Ihrer Völker werden Sie allein die Herrſchaft der Geſetze ausüben; die Geſetze herrſchen durch Sie und Sie herrſchen durch die Geſetze. Die Bedingungen, welche Ihnen unſern Gehorſam ſichern, machen einen Theil der poſitiven Geſetze Ihres Königreiches aus.“ Der Wider- ſtand ging ſo weit, daß Soldaten in den Sitz des Land- 1782.

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Geschichte der französischen Revolution bis auf die Stiftung der Republik. Leipzig, 1845, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_geschichte_1845/102>, abgerufen am 27.11.2024.