über eine erschreckliche Untreue beklag- te, und ihre Stimme durch Seufzer, Thränen und Schluchsen unterbrach. Diejenigen, welche ein Herz voll Lie- be haben, haben mit allen Unglückse- ligen am meisten Mitleiden. Also stan- den Donne Marie, Donne Pantasilee und Don Ferdi- nand, mehr aus Mitleiden als Neu- begierde, auf, um diejenige, deren Unglück ihnen so empfindlich schien, zu betrachten. Sie machten einige Aeste eines Baumes von einander, und sa- hen eine Frau an dem Ufer eines Ba- ches; sie kehrte ihnen aber den Rü- cken zu. Jhre schöne Haare flogen ganz unordentlich, wohin sie der Wind trieb, sie hatte einen schwarzen samme- ten mit Silber-Blumen gestickten Rock an, mitten in einer ieden Blume war ein Stern von durchsichtigen Crystall mit einem Knopfe von Zahl-Perlen gesetzt. Unsere Reisende wurden un- gedultig, das Gesicht dieser Schön- heit zu sehen, und standen im Be- griff, sich zu nähern, da zwo sehr wohlgestalte Jungfrauen bey ihr ka-
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uͤber eine erſchreckliche Untreue beklag- te, und ihre Stimme durch Seufzer, Thraͤnen und Schluchſen unterbrach. Diejenigen, welche ein Herz voll Lie- be haben, haben mit allen Ungluͤckſe- ligen am meiſten Mitleiden. Alſo ſtan- den Donne Marie, Donne Pantaſilee und Don Ferdi- nand, mehr aus Mitleiden als Neu- begierde, auf, um diejenige, deren Ungluͤck ihnen ſo empfindlich ſchien, zu betrachten. Sie machten einige Aeſte eines Baumes von einander, und ſa- hen eine Frau an dem Ufer eines Ba- ches; ſie kehrte ihnen aber den Ruͤ- cken zu. Jhre ſchoͤne Haare flogen ganz unordentlich, wohin ſie der Wind trieb, ſie hatte einen ſchwarzen ſamme- ten mit Silber-Blumen geſtickten Rock an, mitten in einer ieden Blume war ein Stern von durchſichtigen Cryſtall mit einem Knopfe von Zahl-Perlen geſetzt. Unſere Reiſende wurden un- gedultig, das Geſicht dieſer Schoͤn- heit zu ſehen, und ſtanden im Be- griff, ſich zu naͤhern, da zwo ſehr wohlgeſtalte Jungfrauen bey ihr ka-
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uͤber eine erſchreckliche Untreue beklag-
te, und ihre Stimme durch Seufzer,
Thraͤnen und Schluchſen unterbrach.
Diejenigen, welche ein Herz voll Lie-
be haben, haben mit allen Ungluͤckſe-
ligen am meiſten Mitleiden. Alſo ſtan-
den Donne Marie, Donne
Pantaſilee und Don Ferdi-
nand, mehr aus Mitleiden als Neu-
begierde, auf, um diejenige, deren
Ungluͤck ihnen ſo empfindlich ſchien, zu
betrachten. Sie machten einige Aeſte
eines Baumes von einander, und ſa-
hen eine Frau an dem Ufer eines Ba-
ches; ſie kehrte ihnen aber den Ruͤ-
cken zu. Jhre ſchoͤne Haare flogen
ganz unordentlich, wohin ſie der Wind
trieb, ſie hatte einen ſchwarzen ſamme-
ten mit Silber-Blumen geſtickten Rock
an, mitten in einer ieden Blume war
ein Stern von durchſichtigen Cryſtall
mit einem Knopfe von Zahl-Perlen
geſetzt. Unſere Reiſende wurden un-
gedultig, das Geſicht dieſer Schoͤn-
heit zu ſehen, und ſtanden im Be-
griff, ſich zu naͤhern, da zwo ſehr
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Frau von D.: Die in der Liebe herumschweifende oder bestrafte Untreue. 1763, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/d_untreue_1763/71>, abgerufen am 22.07.2024.
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