Seufzern als denjenigen zu erkennen, der er war, und that ein Geständ- niß von dem Streiche, den er aus Liebe gemacht hatte, um sie wieder zu sehen, und in seinen Armen zu finden. Ein Vater, der den Tod seines Sohnes beweinet hat, umar- met ihn, wenn er denselben siehet, nicht mit einer so grossen Freude, die der Donne Marie ihrer gleich ist, da sie ihren alten Liebsten wie- der erkannte. Jhre Freude war so groß, daß sie stumm blieb. So ar- tig eine solche Rührung ist, so konn- te es doch Don Francesco wegen der Nacht in den Augen derjenigen, die er liebte, nicht lesen. Wie er we- gen ihres Stillschweigens bestürzt wur- de, so machte er es wie ein verlieb- ter Tauber, welcher, wenn er sie- het, daß seine zarte Taube an einer Aehre, die ihr in der Kähle stecken blieben, leidet, alle seine Kräfte an- wendet mit seinen Schnabel sie ihr heraus zu nehmen. Eben so schonete er keine Liebkosungen, um sie zum reden zu nöthigen. Doch endlich faß-
te
Seufzern als denjenigen zu erkennen, der er war, und that ein Geſtaͤnd- niß von dem Streiche, den er aus Liebe gemacht hatte, um ſie wieder zu ſehen, und in ſeinen Armen zu finden. Ein Vater, der den Tod ſeines Sohnes beweinet hat, umar- met ihn, wenn er denſelben ſiehet, nicht mit einer ſo groſſen Freude, die der Donne Marie ihrer gleich iſt, da ſie ihren alten Liebſten wie- der erkannte. Jhre Freude war ſo groß, daß ſie ſtumm blieb. So ar- tig eine ſolche Ruͤhrung iſt, ſo konn- te es doch Don Franceſco wegen der Nacht in den Augen derjenigen, die er liebte, nicht leſen. Wie er we- gen ihres Stillſchweigens beſtuͤrzt wur- de, ſo machte er es wie ein verlieb- ter Tauber, welcher, wenn er ſie- het, daß ſeine zarte Taube an einer Aehre, die ihr in der Kaͤhle ſtecken blieben, leidet, alle ſeine Kraͤfte an- wendet mit ſeinen Schnabel ſie ihr heraus zu nehmen. Eben ſo ſchonete er keine Liebkoſungen, um ſie zum reden zu noͤthigen. Doch endlich faß-
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Seufzern als denjenigen zu erkennen,
der er war, und that ein Geſtaͤnd-
niß von dem Streiche, den er aus
Liebe gemacht hatte, um ſie wieder
zu ſehen, und in ſeinen Armen zu
finden. Ein Vater, der den Tod
ſeines Sohnes beweinet hat, umar-
met ihn, wenn er denſelben ſiehet,
nicht mit einer ſo groſſen Freude,
die der Donne Marie ihrer gleich
iſt, da ſie ihren alten Liebſten wie-
der erkannte. Jhre Freude war ſo
groß, daß ſie ſtumm blieb. So ar-
tig eine ſolche Ruͤhrung iſt, ſo konn-
te es doch Don Franceſco wegen
der Nacht in den Augen derjenigen,
die er liebte, nicht leſen. Wie er we-
gen ihres Stillſchweigens beſtuͤrzt wur-
de, ſo machte er es wie ein verlieb-
ter Tauber, welcher, wenn er ſie-
het, daß ſeine zarte Taube an einer
Aehre, die ihr in der Kaͤhle ſtecken
blieben, leidet, alle ſeine Kraͤfte an-
wendet mit ſeinen Schnabel ſie ihr
heraus zu nehmen. Eben ſo ſchonete
er keine Liebkoſungen, um ſie zum
reden zu noͤthigen. Doch endlich faß-
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Frau von D.: Die in der Liebe herumschweifende oder bestrafte Untreue. 1763, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/d_untreue_1763/63>, abgerufen am 22.07.2024.
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