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Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.

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übergegangen wäre. Das ist aber nur selten der Fall. Nicht
agosi sondern agonessi ist die herrschende Form in solchen
Mundarten, denen jener Metaplasmus eigen ist. Der Ueber-
gang von agonessi zu agonois war jedenfalls leichter als der
von agosi. Eine äussere Analogiebildung wird um so wahr-
scheinlicher, je mehr sie sich einer Reihe ähnlicher Fälle an-
schliesst. Auch dies ist wiederum in dem angegebenen Bei-
spiel der Fall. Die O-Declination tritt in einer grossen Reihe
von Fällen als die bequemere an die Stelle der consonan-
tischen, ebenso wie im Verbum die einfachere und darum be-
quemere thematische Conjugation massenhaft die buntere nicht-
thematische überwuchert. Im Gebiet der Nominaldeclination
könnte man diesen Uebertritt in die gleichsilbige Declination
Isosyllabismus nennen *) Die weitere Untersuchung wird uns
noch einmal zu jenen merkwürdigen Dativen zurückführen
und, denke ich, von einer neuen Seite Licht auf ihre Ent-
stehung verbreiten. Sichere Schritte thun wir auf diesem
schlüpfrigen Boden nur, wenn wir die einzelnen Fälle im Zu-
sammenhang und von den verschiedensten Seiten betrachten.
Mit der kurzen Einweisung in die Kategorie "Analogiebildung"
ist es nicht gethan. Mit Ascoli müssen wir nach dem warum
fragen.

Eine mehrfach erörterte Frage ist die, inwiefern bei den
sprechenden ein Gefühl für die Bedeutsamkeit der Laute und
Silben als mitwirkend bei der Entscheidung zwischen Erhal-
tung und Veränderung vorauszusetzen ist. Delbrück in seiner
Einleitung2 S. 106 spricht sich über diesen Punkt folgender-
massen aus: "Man ist, wie mir scheint, nicht berechtigt an-

*) Belehrend sind die zahlreichen Fälle derselben Anomalie im Pali.
Torp in seiner Leipziger Doctordissertation "Die Flexion des Pali" (Chri-
stiania 1881) erläutert z.B. den Satz: "Die meisten einsilbigen consonan-
tischen Stämme treten im Pali durch Stammerweiterung in die vocalische
Flexion über" (S. 29) und ähnliche Uebergänge dieser Art durch viele
Beispiele.

übergegangen wäre. Das ist aber nur selten der Fall. Nicht
ἄγωσι sondern ἀγώνεσσι ist die herrschende Form in solchen
Mundarten, denen jener Metaplasmus eigen ist. Der Ueber-
gang von ἀγώνεσσι zu ἀγώνοις war jedenfalls leichter als der
von ἄγωσι. Eine äussere Analogiebildung wird um so wahr-
scheinlicher, je mehr sie sich einer Reihe ähnlicher Fälle an-
schliesst. Auch dies ist wiederum in dem angegebenen Bei-
spiel der Fall. Die O-Declination tritt in einer grossen Reihe
von Fällen als die bequemere an die Stelle der consonan-
tischen, ebenso wie im Verbum die einfachere und darum be-
quemere thematische Conjugation massenhaft die buntere nicht-
thematische überwuchert. Im Gebiet der Nominaldeclination
könnte man diesen Uebertritt in die gleichsilbige Declination
Isosyllabismus nennen *) Die weitere Untersuchung wird uns
noch einmal zu jenen merkwürdigen Dativen zurückführen
und, denke ich, von einer neuen Seite Licht auf ihre Ent-
stehung verbreiten. Sichere Schritte thun wir auf diesem
schlüpfrigen Boden nur, wenn wir die einzelnen Fälle im Zu-
sammenhang und von den verschiedensten Seiten betrachten.
Mit der kurzen Einweisung in die Kategorie „Analogiebildung“
ist es nicht gethan. Mit Ascoli müssen wir nach dem warum
fragen.

Eine mehrfach erörterte Frage ist die, inwiefern bei den
sprechenden ein Gefühl für die Bedeutsamkeit der Laute und
Silben als mitwirkend bei der Entscheidung zwischen Erhal-
tung und Veränderung vorauszusetzen ist. Delbrück in seiner
Einleitung2 S. 106 spricht sich über diesen Punkt folgender-
massen aus: „Man ist, wie mir scheint, nicht berechtigt an-

*) Belehrend sind die zahlreichen Fälle derselben Anomalie im Pali.
Torp in seiner Leipziger Doctordissertation „Die Flexion des Pali“ (Chri-
stiania 1881) erläutert z.B. den Satz: „Die meisten einsilbigen consonan-
tischen Stämme treten im Pali durch Stammerweiterung in die vocalische
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[70/0078] übergegangen wäre. Das ist aber nur selten der Fall. Nicht ἄγωσι sondern ἀγώνεσσι ist die herrschende Form in solchen Mundarten, denen jener Metaplasmus eigen ist. Der Ueber- gang von ἀγώνεσσι zu ἀγώνοις war jedenfalls leichter als der von ἄγωσι. Eine äussere Analogiebildung wird um so wahr- scheinlicher, je mehr sie sich einer Reihe ähnlicher Fälle an- schliesst. Auch dies ist wiederum in dem angegebenen Bei- spiel der Fall. Die O-Declination tritt in einer grossen Reihe von Fällen als die bequemere an die Stelle der consonan- tischen, ebenso wie im Verbum die einfachere und darum be- quemere thematische Conjugation massenhaft die buntere nicht- thematische überwuchert. Im Gebiet der Nominaldeclination könnte man diesen Uebertritt in die gleichsilbige Declination Isosyllabismus nennen *) Die weitere Untersuchung wird uns noch einmal zu jenen merkwürdigen Dativen zurückführen und, denke ich, von einer neuen Seite Licht auf ihre Ent- stehung verbreiten. Sichere Schritte thun wir auf diesem schlüpfrigen Boden nur, wenn wir die einzelnen Fälle im Zu- sammenhang und von den verschiedensten Seiten betrachten. Mit der kurzen Einweisung in die Kategorie „Analogiebildung“ ist es nicht gethan. Mit Ascoli müssen wir nach dem warum fragen. Eine mehrfach erörterte Frage ist die, inwiefern bei den sprechenden ein Gefühl für die Bedeutsamkeit der Laute und Silben als mitwirkend bei der Entscheidung zwischen Erhal- tung und Veränderung vorauszusetzen ist. Delbrück in seiner Einleitung2 S. 106 spricht sich über diesen Punkt folgender- massen aus: „Man ist, wie mir scheint, nicht berechtigt an- *) Belehrend sind die zahlreichen Fälle derselben Anomalie im Pali. Torp in seiner Leipziger Doctordissertation „Die Flexion des Pali“ (Chri- stiania 1881) erläutert z.B. den Satz: „Die meisten einsilbigen consonan- tischen Stämme treten im Pali durch Stammerweiterung in die vocalische Flexion über“ (S. 29) und ähnliche Uebergänge dieser Art durch viele Beispiele.

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Zitationshilfe: Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_sprachforschung_1885/78>, abgerufen am 22.11.2024.