Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.Vocalen erhalten hat. Ausnahmslos ist aber auch diese Regel *) Vgl. Rutherford New Phryn. p. 432, wo auch andre Sprachvarianten
aus bester attischer Zeit gesammelt sind, z. B. eauton und auton, eis und es. Vocalen erhalten hat. Ausnahmslos ist aber auch diese Regel *) Vgl. Rutherford New Phryn. p. 432, wo auch andre Sprachvarianten
aus bester attischer Zeit gesammelt sind, z. B. ἑαυτόν und αὑτόν, εἰς und ἐς. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0037" n="29"/> Vocalen erhalten hat. Ausnahmslos ist aber auch diese Regel<lb/> nicht, wie denn das Compositum <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">νεομενία</foreign></hi> (Neumond) bei den<lb/> Attikern beständig zu <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">νουμενία</foreign></hi> ward (vgl. Rutherford in sei-<lb/> nem New Phrynichus p. 225), und der St. <hi rendition="#i">θεο</hi> in verschiedenen<lb/> zusammengesetzten Eigennamen, z. B. in <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">Θουκυδίδης</foreign></hi>, die Zu-<lb/> sammenziehung erlitt, die er als Simplex verschmähte. —<lb/> Man hat bezweifelt, dass ein Diphthong einen ihm unmittel-<lb/> bar nachfolgenden Vocal verschlingen könne. Dennoch wird<lb/> man <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">οἶμαι</foreign></hi> und <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ᾤμην</foreign></hi> neben <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">οἴομαι</foreign></hi> und <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ᾠόμην</foreign></hi> <note place="foot" n="*)">Vgl. Rutherford New Phryn. p. 432, wo auch andre Sprachvarianten<lb/> aus bester attischer Zeit gesammelt sind, z. B. <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ἑαυτόν</foreign></hi> und <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">αὑτόν</foreign>, <foreign xml:lang="ell">εἰς</foreign></hi> und <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ἐς</foreign></hi>.</note> kaum anders<lb/> deuten können. Ebensowenig weiss ich, wie man <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">οἰσπάτη</foreign></hi><lb/> (Schafmist) anders erklären will, denn als ein casuales Com-<lb/> positum aus <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">οἰὸς πάτη</foreign></hi> (vgl. <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">πάτημα</foreign></hi>). Das hom. <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">δείελος</foreign> Θ</hi> 232<lb/> (vgl. <hi rendition="#i">ο</hi> 29, <hi rendition="#i">ρ</hi> 606. 599) hat neben sich die contrahirte Form<lb/><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">δείλη</foreign></hi>, die bei Homer allerdings nur einmal (<hi rendition="#i">Θ</hi> 111) vorkommt<lb/> und an dieser Stelle von Nauck bezweifelt wird, aber später<lb/> in allgemeinen Gebrauch überging. Das Neutrum des Com-<lb/> parativs von <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">πολύς</foreign></hi> ist im Attischen durch drei Formen ver-<lb/> treten: <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">πλεῖον</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">πλεῖν</foreign></hi> und <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">πλέον</foreign></hi>. Gibt es für die mittlere<lb/> Form eine einfachere Erklärung als die Zusammenziehung<lb/> aus der ersten? Ganz auf einer Linie mit <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">πλεῖν</foreign></hi> steht das<lb/> von Usener in Fleckeis. Jahrb. 1872 S. 741 in diesem Zusam-<lb/> menhang erkannte <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">δεῖν</foreign></hi> in der Redensart <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ὀλίγου δεῖν</foreign></hi>. Es ist<lb/> aus *<hi rendition="#i">δεῖον</hi> entstanden, der älteren Form des Particips <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">δέον</foreign></hi>.<lb/><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">δεῖν</foreign></hi> verhält sich zu *<hi rendition="#i">δεῖον</hi> wie <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ζείδωρος</foreign></hi> zu dem vorauszu-<lb/> setzenden *<hi rendition="#i">ζειόδωρος</hi>. Dadurch rechtfertigt es sich vollstän-<lb/> dig, den thessalischen Genitiv auf <hi rendition="#i">-οι</hi> als zusammengezogen<lb/> aus dem homerischen auf <hi rendition="#i">-οιο</hi> zu betrachten. Die alten Gram-<lb/> matiker waren durchaus im Recht, wenn sie diese unter ein-<lb/> ander verbanden, wie denn niemand bezweifelt, dass in der-<lb/> selben Mundart der Genitiv der masculinischen Α-Stämme<lb/> auf <hi rendition="#i">ᾱ</hi> aus <hi rendition="#i">α̅ο̅</hi> zusammengezogen ist. Wir brauchen bei dieser<lb/><lb/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [29/0037]
Vocalen erhalten hat. Ausnahmslos ist aber auch diese Regel
nicht, wie denn das Compositum νεομενία (Neumond) bei den
Attikern beständig zu νουμενία ward (vgl. Rutherford in sei-
nem New Phrynichus p. 225), und der St. θεο in verschiedenen
zusammengesetzten Eigennamen, z. B. in Θουκυδίδης, die Zu-
sammenziehung erlitt, die er als Simplex verschmähte. —
Man hat bezweifelt, dass ein Diphthong einen ihm unmittel-
bar nachfolgenden Vocal verschlingen könne. Dennoch wird
man οἶμαι und ᾤμην neben οἴομαι und ᾠόμην *) kaum anders
deuten können. Ebensowenig weiss ich, wie man οἰσπάτη
(Schafmist) anders erklären will, denn als ein casuales Com-
positum aus οἰὸς πάτη (vgl. πάτημα). Das hom. δείελος Θ 232
(vgl. ο 29, ρ 606. 599) hat neben sich die contrahirte Form
δείλη, die bei Homer allerdings nur einmal (Θ 111) vorkommt
und an dieser Stelle von Nauck bezweifelt wird, aber später
in allgemeinen Gebrauch überging. Das Neutrum des Com-
parativs von πολύς ist im Attischen durch drei Formen ver-
treten: πλεῖον, πλεῖν und πλέον. Gibt es für die mittlere
Form eine einfachere Erklärung als die Zusammenziehung
aus der ersten? Ganz auf einer Linie mit πλεῖν steht das
von Usener in Fleckeis. Jahrb. 1872 S. 741 in diesem Zusam-
menhang erkannte δεῖν in der Redensart ὀλίγου δεῖν. Es ist
aus *δεῖον entstanden, der älteren Form des Particips δέον.
δεῖν verhält sich zu *δεῖον wie ζείδωρος zu dem vorauszu-
setzenden *ζειόδωρος. Dadurch rechtfertigt es sich vollstän-
dig, den thessalischen Genitiv auf -οι als zusammengezogen
aus dem homerischen auf -οιο zu betrachten. Die alten Gram-
matiker waren durchaus im Recht, wenn sie diese unter ein-
ander verbanden, wie denn niemand bezweifelt, dass in der-
selben Mundart der Genitiv der masculinischen Α-Stämme
auf ᾱ aus α̅ο̅ zusammengezogen ist. Wir brauchen bei dieser
*) Vgl. Rutherford New Phryn. p. 432, wo auch andre Sprachvarianten
aus bester attischer Zeit gesammelt sind, z. B. ἑαυτόν und αὑτόν, εἰς und ἐς.
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Zitationshilfe: | Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_sprachforschung_1885/37>, abgerufen am 16.02.2025. |