Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.griechischen Etymologie' solchem Schein vorgebeugt. In der griechischen Etymologie’ solchem Schein vorgebeugt. In der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0016" n="8"/> griechischen Etymologie’ solchem Schein vorgebeugt. In der<lb/> That hat die fortschreitende Forschung manches seitdem in<lb/> ein andres Licht gestellt, wie denn z. B. die Abschnitte über<lb/> Labialismus und Dentalismus nach den von Ascoli und Fick<lb/> erkannten Thatsachen, wonach nur einer der beiden ursprach-<lb/> lichen K-Laute labialisirt und andrerseits dentalisirt, der andre<lb/> unverändert fest gehalten wurde, jetzt nicht mehr als blosse<lb/> Abweichungen von der constanten Regel, sondern als besondre,<lb/> gesetzmässige Unregelmässigkeiten erscheinen. Aber das Stre-<lb/> ben, jedes Schwanken unbedingt zu beseitigen und der Sprache<lb/> den Vorwurf zu ersparen, dass sie, wie man sich ausdrückte,<lb/> „einer wissenschaftlichen Erkenntniss nicht zugänglich sei“,<lb/> richtete sich sehr bald mit Entschiedenheit gegen die ganze<lb/> von mir aufgestellte zweite Weise der Lautbewegungen und<lb/> überhaupt gegen die Zulassung irgend einer rein lautlichen<lb/> Bewegung, die nicht innerhalb desselben Sprachgebiets und<lb/> zu derselben Zeit völlig constant geworden wäre. Der Gegen-<lb/> satz spricht sich am schärfsten aus in dem, was im ersten Heft<lb/> der „Morphologischen Untersuchungen von Osthoff und Brug-<lb/> mann (L. 1878) S. XIII“ als erster „methodologischer Grund-<lb/> satz“ der „junggrammatischen Richtung“ hingestellt wird.<lb/> „Aller Lautwandel, <hi rendition="#g">soweit er mechanisch vor sich<lb/> geht</hi>, vollzieht sich nach <hi rendition="#g">ausnahmslosen Gesetzen</hi>“.<lb/> Der relative Zwischensatz ‘soweit er mechanisch vor sich<lb/> geht’ erklärt sich aus den an andern Stellen von den Ver-<lb/> fassern ausgeführten Untersuchungen und Aufstellungen über<lb/> die Analogiebildungen, Anlehnungen, Aus- und Angleichungen,<lb/> über deren Wesen wir in dem zweiten Abschnitte dieser Schrift<lb/> zu handeln haben. Der Zwischensatz bedeutet also nichts<lb/> andres, als ‘so weit nicht Analogie in Betracht kommt’, man<lb/> kann daher in andrer Weise die Lehre auch so fassen: „Es<lb/> gibt in den Sprachen <hi rendition="#g">überhaupt keine Lautbewegung</hi>,<lb/> welche nicht <hi rendition="#g">entweder </hi>auf einem <hi rendition="#g">Gesetze</hi> beruht, das<lb/> während eines begrenzten Zeitraums für ein bestimmtes Sprach-<lb/><lb/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [8/0016]
griechischen Etymologie’ solchem Schein vorgebeugt. In der
That hat die fortschreitende Forschung manches seitdem in
ein andres Licht gestellt, wie denn z. B. die Abschnitte über
Labialismus und Dentalismus nach den von Ascoli und Fick
erkannten Thatsachen, wonach nur einer der beiden ursprach-
lichen K-Laute labialisirt und andrerseits dentalisirt, der andre
unverändert fest gehalten wurde, jetzt nicht mehr als blosse
Abweichungen von der constanten Regel, sondern als besondre,
gesetzmässige Unregelmässigkeiten erscheinen. Aber das Stre-
ben, jedes Schwanken unbedingt zu beseitigen und der Sprache
den Vorwurf zu ersparen, dass sie, wie man sich ausdrückte,
„einer wissenschaftlichen Erkenntniss nicht zugänglich sei“,
richtete sich sehr bald mit Entschiedenheit gegen die ganze
von mir aufgestellte zweite Weise der Lautbewegungen und
überhaupt gegen die Zulassung irgend einer rein lautlichen
Bewegung, die nicht innerhalb desselben Sprachgebiets und
zu derselben Zeit völlig constant geworden wäre. Der Gegen-
satz spricht sich am schärfsten aus in dem, was im ersten Heft
der „Morphologischen Untersuchungen von Osthoff und Brug-
mann (L. 1878) S. XIII“ als erster „methodologischer Grund-
satz“ der „junggrammatischen Richtung“ hingestellt wird.
„Aller Lautwandel, soweit er mechanisch vor sich
geht, vollzieht sich nach ausnahmslosen Gesetzen“.
Der relative Zwischensatz ‘soweit er mechanisch vor sich
geht’ erklärt sich aus den an andern Stellen von den Ver-
fassern ausgeführten Untersuchungen und Aufstellungen über
die Analogiebildungen, Anlehnungen, Aus- und Angleichungen,
über deren Wesen wir in dem zweiten Abschnitte dieser Schrift
zu handeln haben. Der Zwischensatz bedeutet also nichts
andres, als ‘so weit nicht Analogie in Betracht kommt’, man
kann daher in andrer Weise die Lehre auch so fassen: „Es
gibt in den Sprachen überhaupt keine Lautbewegung,
welche nicht entweder auf einem Gesetze beruht, das
während eines begrenzten Zeitraums für ein bestimmtes Sprach-
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