Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.
werde gekommen!", "man komme!", also in jener neutralen Dazu kommt noch ein andrer Bedeutungsunterschied. So wird es begreiflich, dass jene Herleitung der Impera-
werde gekommen!“, „man komme!“, also in jener neutralen Dazu kommt noch ein andrer Bedeutungsunterschied. So wird es begreiflich, dass jene Herleitung der Impera- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><hi rendition="#i"><pb facs="#f0151" n="143"/> werde gekommen!</hi>“, „<hi rendition="#i">man komme!</hi>“, also in jener neutralen<lb/> Anwendung des Passivs, die wohl nur im Lateinischen, z. B.<lb/><hi rendition="#i">vivitur recte</hi>, häufiger ist. Im Sanskrit und Griechischen haben<lb/> die fraglichen Verbaladjectiva durchaus nicht ausschliesslich<lb/> passivische Bedeutung, z. B. sanskr. <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="san">gatás</foreign></hi> = griech. <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">βατός</foreign></hi>,<lb/><hi rendition="#i">patitás</hi> (gefallen), <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">μενετός</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ῥυτός</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">θνητός</foreign></hi>. Wir haben also,<lb/> denke ich, kein Recht, jene für die erwähnte Erklärung noth-<lb/> wendige passivische Bedeutung als ursprachlich vorauszusetzen.</p><lb/> <p>Dazu kommt noch ein andrer Bedeutungsunterschied.<lb/> Solche Zurufe wie „<hi rendition="#i">aufgemerkt!</hi>“ sind Commandoworte nach<lb/> Art des militärischen „<hi rendition="#i">Achtung!</hi>“, „<hi rendition="#i">Augen rechts!</hi>“, die wie<lb/> jedes Commando augenblickliche Ausführung heischen. Die<lb/> entsprechenden lateinischen Imperative auf <hi rendition="#i">to</hi> dagegen, von<lb/> den Alten imperativi futuri genannt, in Gesetzesformeln vor-<lb/> zugsweise gebraucht, sind auf alles eher als auf unmittel-<lb/> bare Ausführung berechnet. Zu dieser Beziehung auf die Zu-<lb/> kunft hat Delbrück syntakt. Forsch. III, 5 Anklänge in den<lb/> Veden gefunden, wonach wir vermuthen dürfen, dass schon<lb/> vor der Sprachtrennung ein solcher Gebrauch vorhanden war.<lb/> Ist dies richtig, so tritt eine neue bedeutende Verschieden-<lb/> heit zwischen den fraglichen Formen und den deutschen Aus-<lb/> rufungen hervor.</p><lb/> <p>So wird es begreiflich, dass jene Herleitung der Impera-<lb/> tive aus Verbaladjectiven, nachdem sie 15 Jahre (1868—1883)<lb/> sich behauptet hat, vielfach wiederholt ist und sogar von einer<lb/> Seite zur Aufnahme in die Schulgrammatik empfohlen war,<lb/> jetzt zurücktritt und einer andern weicht, der von Thurneysen<lb/> (Ztschr. XXVII, 179), dem freilich schon Gaedicke „über den<lb/> Accusativ im Veda“ S. 225 vorausgegangen war. Beide Ge-<lb/> lehrte führen die Endung <hi rendition="#i">tāt</hi> auf den Ablativ des Pronominal-<lb/> stammes <hi rendition="#i">ta</hi> zurück, in der Bedeutung „von da an“. Dieser ad-<lb/> verbiale Ablativ, meinen sie, sei schon in der Ursprache an die<lb/> Form der 2. Sing. kürzerer Bildung angefügt, also z. B. <hi rendition="#i">bharatāt</hi><lb/> in dieser Weise aus <hi rendition="#i">bhara</hi> = <hi rendition="#i">fer</hi>(<hi rendition="#i">e</hi>) entstanden. Wollten wir<lb/><lb/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [143/0151]
werde gekommen!“, „man komme!“, also in jener neutralen
Anwendung des Passivs, die wohl nur im Lateinischen, z. B.
vivitur recte, häufiger ist. Im Sanskrit und Griechischen haben
die fraglichen Verbaladjectiva durchaus nicht ausschliesslich
passivische Bedeutung, z. B. sanskr. gatás = griech. βατός,
patitás (gefallen), μενετός, ῥυτός, θνητός. Wir haben also,
denke ich, kein Recht, jene für die erwähnte Erklärung noth-
wendige passivische Bedeutung als ursprachlich vorauszusetzen.
Dazu kommt noch ein andrer Bedeutungsunterschied.
Solche Zurufe wie „aufgemerkt!“ sind Commandoworte nach
Art des militärischen „Achtung!“, „Augen rechts!“, die wie
jedes Commando augenblickliche Ausführung heischen. Die
entsprechenden lateinischen Imperative auf to dagegen, von
den Alten imperativi futuri genannt, in Gesetzesformeln vor-
zugsweise gebraucht, sind auf alles eher als auf unmittel-
bare Ausführung berechnet. Zu dieser Beziehung auf die Zu-
kunft hat Delbrück syntakt. Forsch. III, 5 Anklänge in den
Veden gefunden, wonach wir vermuthen dürfen, dass schon
vor der Sprachtrennung ein solcher Gebrauch vorhanden war.
Ist dies richtig, so tritt eine neue bedeutende Verschieden-
heit zwischen den fraglichen Formen und den deutschen Aus-
rufungen hervor.
So wird es begreiflich, dass jene Herleitung der Impera-
tive aus Verbaladjectiven, nachdem sie 15 Jahre (1868—1883)
sich behauptet hat, vielfach wiederholt ist und sogar von einer
Seite zur Aufnahme in die Schulgrammatik empfohlen war,
jetzt zurücktritt und einer andern weicht, der von Thurneysen
(Ztschr. XXVII, 179), dem freilich schon Gaedicke „über den
Accusativ im Veda“ S. 225 vorausgegangen war. Beide Ge-
lehrte führen die Endung tāt auf den Ablativ des Pronominal-
stammes ta zurück, in der Bedeutung „von da an“. Dieser ad-
verbiale Ablativ, meinen sie, sei schon in der Ursprache an die
Form der 2. Sing. kürzerer Bildung angefügt, also z. B. bharatāt
in dieser Weise aus bhara = fer(e) entstanden. Wollten wir
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