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Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.

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zu machen, so bildete sich jene Regel schon in der Periode
vor entwickelter Nominalflexion. In dieser Zeit rückten ein-
fache, damals noch unflectirte Themen, also z. B. sanskr. dvi
und pad, zu dem Compositum dvipad (zweifüssig) zusammen.
Ebenso panda und pan (trinken) zu pandapa (pedibus bibens, Be-
zeichnung des Baumes). Den damals gebildeten Wörtern folg-
ten im Laufe der Jahrhunderte zahllose andere nach dem-
selben Typus. So erhielt sich dies Bildungsgesetz durch alle
Zeiten und Völker, auch als längst diese nackten Stammformen
ihre Sonderexistenz eingebüsst hatten. Griechische Stämme
wie di-pod (vgl. egkhes-palos, kluto-polos), lateinische wie
bi-ped sind jenen Typen nachgebildete Formen. Dennoch kön-
nen wir die ersten Glieder jener Composita mit vollem Rechte
Stammformen nennen und demgemäss lehren, der Stamm di
sei mit dem Stamme pod zusammengesetzt u. s. w. Natürlich
sind aber die einzelnen Composita dieser Art nach demselben
Typus zu sehr verschiedenen Zeiten aus ganz verschiedenen
Elementen gebildet. Die meisten Composita gehören also zwar
ihrem Wortgehalte nach den Einzelsprachen, aber ihrem Typus
nach einer proethnischen Zeit an. Der Fall ist selten, dass
wir ganz dieselben Elemente zu gleicher Bedeutung in ver-
schiedenen Sprachen verbunden finden, wie dies z. B. in dem
erwähnten Sanskritwort dvi-pad, griechisch di-pod, lat. bi-ped,
umbr. du-purs der Fall ist. Bei solchen Wörtern besteht zwar
die Möglichkeit, dass sie schon in der Ursprache als Com-
posita vorhanden waren, und Fick hat sie in seinem indo-
germanischen Wörterbuch wirklich als solche oder doch als
mehreren Sprachgebieten von allem Anfang an gemeinsame
aufgeführt. Mit Sicherheit aber lässt sich aus dem Vorkommen
solcher Composita, der so benannten bahu-vrinhi's, in den ver-
schiedensten Sprachen unseres Stammes nur dies schliessen,
dass diese Form der Zusammensetzung schon in der Grund-
sprache vorhanden war. Ob dieser Typus auch schon für
Composita mit dem zweiten Zahlwort damals bestand, was

zu machen, so bildete sich jene Regel schon in der Periode
vor entwickelter Nominalflexion. In dieser Zeit rückten ein-
fache, damals noch unflectirte Themen, also z. B. sanskr. dvi
und pad, zu dem Compositum dvipad (zweifüssig) zusammen.
Ebenso pāda und pā (trinken) zu pādapa (pedibus bibens, Be-
zeichnung des Baumes). Den damals gebildeten Wörtern folg-
ten im Laufe der Jahrhunderte zahllose andere nach dem-
selben Typus. So erhielt sich dies Bildungsgesetz durch alle
Zeiten und Völker, auch als längst diese nackten Stammformen
ihre Sonderexistenz eingebüsst hatten. Griechische Stämme
wie δι-ποδ (vgl. ἐγχεσ-πάλος, κλυτό-πωλος), lateinische wie
bi-ped sind jenen Typen nachgebildete Formen. Dennoch kön-
nen wir die ersten Glieder jener Composita mit vollem Rechte
Stammformen nennen und demgemäss lehren, der Stamm δι
sei mit dem Stamme ποδ zusammengesetzt u. s. w. Natürlich
sind aber die einzelnen Composita dieser Art nach demselben
Typus zu sehr verschiedenen Zeiten aus ganz verschiedenen
Elementen gebildet. Die meisten Composita gehören also zwar
ihrem Wortgehalte nach den Einzelsprachen, aber ihrem Typus
nach einer proethnischen Zeit an. Der Fall ist selten, dass
wir ganz dieselben Elemente zu gleicher Bedeutung in ver-
schiedenen Sprachen verbunden finden, wie dies z. B. in dem
erwähnten Sanskritwort dvi-pad, griechisch δι-ποδ, lat. bi-ped,
umbr. du-purs der Fall ist. Bei solchen Wörtern besteht zwar
die Möglichkeit, dass sie schon in der Ursprache als Com-
posita vorhanden waren, und Fick hat sie in seinem indo-
germanischen Wörterbuch wirklich als solche oder doch als
mehreren Sprachgebieten von allem Anfang an gemeinsame
aufgeführt. Mit Sicherheit aber lässt sich aus dem Vorkommen
solcher Composita, der so benannten bahu-vrīhi's, in den ver-
schiedensten Sprachen unseres Stammes nur dies schliessen,
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sprache vorhanden war. Ob dieser Typus auch schon für
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[136/0144] zu machen, so bildete sich jene Regel schon in der Periode vor entwickelter Nominalflexion. In dieser Zeit rückten ein- fache, damals noch unflectirte Themen, also z. B. sanskr. dvi und pad, zu dem Compositum dvipad (zweifüssig) zusammen. Ebenso pāda und pā (trinken) zu pādapa (pedibus bibens, Be- zeichnung des Baumes). Den damals gebildeten Wörtern folg- ten im Laufe der Jahrhunderte zahllose andere nach dem- selben Typus. So erhielt sich dies Bildungsgesetz durch alle Zeiten und Völker, auch als längst diese nackten Stammformen ihre Sonderexistenz eingebüsst hatten. Griechische Stämme wie δι-ποδ (vgl. ἐγχεσ-πάλος, κλυτό-πωλος), lateinische wie bi-ped sind jenen Typen nachgebildete Formen. Dennoch kön- nen wir die ersten Glieder jener Composita mit vollem Rechte Stammformen nennen und demgemäss lehren, der Stamm δι sei mit dem Stamme ποδ zusammengesetzt u. s. w. Natürlich sind aber die einzelnen Composita dieser Art nach demselben Typus zu sehr verschiedenen Zeiten aus ganz verschiedenen Elementen gebildet. Die meisten Composita gehören also zwar ihrem Wortgehalte nach den Einzelsprachen, aber ihrem Typus nach einer proethnischen Zeit an. Der Fall ist selten, dass wir ganz dieselben Elemente zu gleicher Bedeutung in ver- schiedenen Sprachen verbunden finden, wie dies z. B. in dem erwähnten Sanskritwort dvi-pad, griechisch δι-ποδ, lat. bi-ped, umbr. du-purs der Fall ist. Bei solchen Wörtern besteht zwar die Möglichkeit, dass sie schon in der Ursprache als Com- posita vorhanden waren, und Fick hat sie in seinem indo- germanischen Wörterbuch wirklich als solche oder doch als mehreren Sprachgebieten von allem Anfang an gemeinsame aufgeführt. Mit Sicherheit aber lässt sich aus dem Vorkommen solcher Composita, der so benannten bahu-vrīhi's, in den ver- schiedensten Sprachen unseres Stammes nur dies schliessen, dass diese Form der Zusammensetzung schon in der Grund- sprache vorhanden war. Ob dieser Typus auch schon für Composita mit dem zweiten Zahlwort damals bestand, was

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Zitationshilfe: Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_sprachforschung_1885/144>, abgerufen am 24.11.2024.