Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

lieh entstandene Varietäten von k und g erklärt, weiter fort
und stellen sich auch vor einem dem i fern liegenden a oder u
und vor Consonanten ein, z. B. in bhrangas (Glanz) vor dem-
selben Suffix, das in dem gleichbedeutenden bharg-as den Gut-
tural festhält. Haben wir hier Producte verschiedener Zeiten
vor uns? Lässt sich das erweisen? Ich gebe gern zu, dass
Joh. Schmidt mit grösstem Scharfsinn sich bemüht, für jeden
einzelnen Fall besondere Motive herauszufinden, aber es bleibt
doch sehr vieles völlig unmotivirt, und dieser eifrigste For-
scher auf diesem Gebiete gesteht selbst S. 63 des erwähnten
Aufsatzes, es sei schwierig, "die dem Gesetze widersprechen-
den Fälle zu erklären". Ich treffe daher mit dem Urtheil zu-
sammen, das Fröhde Bezzenb. Beitr. V, 275 abgibt: "Da die
Palatalen mehrfach an Stellen auftreten, wo man sie nicht
erwartet, so wird die Annahme (von dem Zusammenhang der
Palatalen mit dem Vocalismus) noch nicht streng bewiesen".

Die für die arischen Sprachen vorausgesetzte Entstehung
der palatalen Laute aus gutturalen unter dem Einfluss eines
e- oder i-Lautes findet sich thatsächlich, was natürlich den
genannten Forschern nicht entgangen ist, in den slawischen
Sprachen, am consequentesten im Kirchenslawischen. Hier
lauten die drei Singularpersonen und die 3. Pl. des Präsens
der W. pek = sanskr. pak (coquere):

peka,dagegenimSanskritpakanmi
pecesiwie""pakasi
pecetiwie""pakati
pekati,dagegen""pakanti
Im Slawischen steht also durchaus regelmässig das k vor
einem dunklen, das c vor einem hellen Vocal, während das
Sanskrit den Laut k im Verbum durchführt, im Nomen aber
den K-Laut bewahrt. Das Kirchenslawische ist ebenso conse-
quent im Nomen wie im Verbum. So


ksl. Ncloueku (Mensch),vgl.sanskr. N.vrka-s=lukos
Voc.clouece,"" Voc.vrka=luke,

lieh entstandene Varietäten von k und g erklärt, weiter fort
und stellen sich auch vor einem dem i fern liegenden a oder u
und vor Consonanten ein, z. B. in bhrāǵas (Glanz) vor dem-
selben Suffix, das in dem gleichbedeutenden bharg-as den Gut-
tural festhält. Haben wir hier Producte verschiedener Zeiten
vor uns? Lässt sich das erweisen? Ich gebe gern zu, dass
Joh. Schmidt mit grösstem Scharfsinn sich bemüht, für jeden
einzelnen Fall besondere Motive herauszufinden, aber es bleibt
doch sehr vieles völlig unmotivirt, und dieser eifrigste For-
scher auf diesem Gebiete gesteht selbst S. 63 des erwähnten
Aufsatzes, es sei schwierig, „die dem Gesetze widersprechen-
den Fälle zu erklären“. Ich treffe daher mit dem Urtheil zu-
sammen, das Fröhde Bezzenb. Beitr. V, 275 abgibt: „Da die
Palatalen mehrfach an Stellen auftreten, wo man sie nicht
erwartet, so wird die Annahme (von dem Zusammenhang der
Palatalen mit dem Vocalismus) noch nicht streng bewiesen“.

Die für die arischen Sprachen vorausgesetzte Entstehung
der palatalen Laute aus gutturalen unter dem Einfluss eines
e- oder i-Lautes findet sich thatsächlich, was natürlich den
genannten Forschern nicht entgangen ist, in den slawischen
Sprachen, am consequentesten im Kirchenslawischen. Hier
lauten die drei Singularpersonen und die 3. Pl. des Präsens
der W. pek = sanskr. paḱ (coquere):

peka̜,dagegenimSanskritpaḱāmi
pec̍es̍iwiepaḱasi
pec̍etiwiepak̍ati
peka̜tĭ,dagegenpak̍anti
Im Slawischen steht also durchaus regelmässig das k vor
einem dunklen, das vor einem hellen Vocal, während das
Sanskrit den Laut im Verbum durchführt, im Nomen aber
den K-Laut bewahrt. Das Kirchenslawische ist ebenso conse-
quent im Nomen wie im Verbum. So


ksl. Nčlouěkŭ (Mensch),vgl.sanskr. N.vṛka-s=λύκος
Voc.člouěče,„ Voc.vṛka=λύκε,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0108" n="100"/>
lieh entstandene Varietäten von <hi rendition="#i">k</hi> und <hi rendition="#i">g</hi> erklärt, weiter fort<lb/>
und stellen sich auch vor einem dem <hi rendition="#i">i</hi> fern liegenden <hi rendition="#i">a</hi> oder <hi rendition="#i">u</hi><lb/>
und vor Consonanten ein, z. B. in <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="san">bhra&#x0304;g&#x0301;as</foreign></hi> (Glanz) vor dem-<lb/>
selben Suffix, das in dem gleichbedeutenden <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="san">bharg-as</foreign></hi> den Gut-<lb/>
tural festhält. Haben wir hier Producte verschiedener Zeiten<lb/>
vor uns? Lässt sich das erweisen? Ich gebe gern zu, dass<lb/>
Joh. Schmidt mit grösstem Scharfsinn sich bemüht, für jeden<lb/>
einzelnen Fall besondere Motive herauszufinden, aber es bleibt<lb/>
doch sehr vieles völlig unmotivirt, und dieser eifrigste For-<lb/>
scher auf diesem Gebiete gesteht selbst S. 63 des erwähnten<lb/>
Aufsatzes, es sei schwierig, &#x201E;die dem Gesetze widersprechen-<lb/>
den Fälle zu erklären&#x201C;. Ich treffe daher mit dem Urtheil zu-<lb/>
sammen, das Fröhde Bezzenb. Beitr. V, 275 abgibt: &#x201E;Da die<lb/>
Palatalen mehrfach an Stellen auftreten, wo man sie nicht<lb/>
erwartet, so wird die Annahme (von dem Zusammenhang der<lb/>
Palatalen mit dem Vocalismus) noch nicht streng bewiesen&#x201C;.</p><lb/>
        <p>Die für die arischen Sprachen vorausgesetzte Entstehung<lb/>
der palatalen Laute aus gutturalen unter dem Einfluss eines<lb/><hi rendition="#i">e</hi>- oder <hi rendition="#i">i</hi>-Lautes findet sich thatsächlich, was natürlich den<lb/>
genannten Forschern nicht entgangen ist, in den slawischen<lb/>
Sprachen, am consequentesten im Kirchenslawischen. Hier<lb/>
lauten die drei Singularpersonen und die 3. Pl. des Präsens<lb/>
der W. <hi rendition="#i">pek</hi> = sanskr. <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="san">pak&#x0301;</foreign></hi> (<foreign xml:lang="lat">coquere</foreign>):         <table><row><cell rendition="#c"><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="chu">peka&#x031C;</foreign></hi>,</cell><cell rendition="#c">dagegen</cell><cell rendition="#c">im</cell><cell rendition="#c">Sanskrit</cell><cell rendition="#c"><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="san">pak&#x0301;a&#x0304;mi</foreign></hi></cell></row><row><cell rendition="#c"><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="chu">pec&#x030D;es&#x030D;i</foreign></hi></cell><cell rendition="#c">wie</cell><cell rendition="#c">&#x201E;</cell><cell rendition="#c">&#x201E;</cell><cell rendition="#c"><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="san">pak&#x0301;asi</foreign></hi></cell></row><row><cell rendition="#c"><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="chu">pec&#x030D;eti</foreign></hi></cell><cell rendition="#c">wie</cell><cell rendition="#c">&#x201E;</cell><cell rendition="#c">&#x201E;</cell><cell rendition="#c"><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="san">pak&#x030D;ati</foreign></hi></cell></row><row><cell rendition="#c"><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="chu">peka&#x031C;ti&#x0306;</foreign></hi>,</cell><cell rendition="#c">dagegen</cell><cell rendition="#c">&#x201E;</cell><cell rendition="#c">&#x201E;</cell><cell rendition="#c"><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="san">pak&#x030D;anti</foreign></hi></cell></row></table>                  Im Slawischen steht also durchaus regelmässig das <hi rendition="#i">k</hi> vor<lb/>
einem dunklen, das <hi rendition="#i">c&#x030C;</hi> vor einem hellen Vocal, während das<lb/>
Sanskrit den Laut <hi rendition="#i">k&#x030D;</hi> im Verbum durchführt, im Nomen aber<lb/>
den K-Laut bewahrt. Das Kirchenslawische ist ebenso conse-<lb/>
quent im Nomen wie im Verbum.   So</p><lb/>
        <table>
          <row>
            <cell rendition="#c">ksl. N</cell>
            <cell rendition="#c"><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="chu">c&#x030C;loue&#x030C;ku&#x0306;</foreign></hi> (Mensch),</cell>
            <cell rendition="#c">vgl.</cell>
            <cell rendition="#c">sanskr. N.</cell>
            <cell rendition="#c"><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="san">vr&#x0323;ka-s</foreign></hi>=<hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03BB;&#x03CD;&#x03BA;&#x03BF;&#x03C2;</foreign></hi></cell>
          </row>
          <row>
            <cell rendition="#c">Voc.</cell>
            <cell rendition="#c"><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="chu">c&#x030C;loue&#x030C;c&#x030C;e</foreign></hi>,</cell>
            <cell rendition="#c">&#x201E;</cell>
            <cell rendition="#c">&#x201E; Voc.</cell>
            <cell rendition="#c"><hi rendition="#i"><foreign xml:lang="san">vr&#x0323;ka</foreign></hi>=<hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03BB;&#x03CD;&#x03BA;&#x03B5;</foreign></hi>,</cell>
          </row>
        </table>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0108] lieh entstandene Varietäten von k und g erklärt, weiter fort und stellen sich auch vor einem dem i fern liegenden a oder u und vor Consonanten ein, z. B. in bhrāǵas (Glanz) vor dem- selben Suffix, das in dem gleichbedeutenden bharg-as den Gut- tural festhält. Haben wir hier Producte verschiedener Zeiten vor uns? Lässt sich das erweisen? Ich gebe gern zu, dass Joh. Schmidt mit grösstem Scharfsinn sich bemüht, für jeden einzelnen Fall besondere Motive herauszufinden, aber es bleibt doch sehr vieles völlig unmotivirt, und dieser eifrigste For- scher auf diesem Gebiete gesteht selbst S. 63 des erwähnten Aufsatzes, es sei schwierig, „die dem Gesetze widersprechen- den Fälle zu erklären“. Ich treffe daher mit dem Urtheil zu- sammen, das Fröhde Bezzenb. Beitr. V, 275 abgibt: „Da die Palatalen mehrfach an Stellen auftreten, wo man sie nicht erwartet, so wird die Annahme (von dem Zusammenhang der Palatalen mit dem Vocalismus) noch nicht streng bewiesen“. Die für die arischen Sprachen vorausgesetzte Entstehung der palatalen Laute aus gutturalen unter dem Einfluss eines e- oder i-Lautes findet sich thatsächlich, was natürlich den genannten Forschern nicht entgangen ist, in den slawischen Sprachen, am consequentesten im Kirchenslawischen. Hier lauten die drei Singularpersonen und die 3. Pl. des Präsens der W. pek = sanskr. paḱ (coquere): peka̜, dagegen im Sanskrit paḱāmi pec̍es̍i wie „ „ paḱasi pec̍eti wie „ „ pak̍ati peka̜tĭ, dagegen „ „ pak̍anti Im Slawischen steht also durchaus regelmässig das k vor einem dunklen, das č vor einem hellen Vocal, während das Sanskrit den Laut k̍ im Verbum durchführt, im Nomen aber den K-Laut bewahrt. Das Kirchenslawische ist ebenso conse- quent im Nomen wie im Verbum. So ksl. N člouěkŭ (Mensch), vgl. sanskr. N. vṛka-s=λύκος Voc. člouěče, „ „ Voc. vṛka=λύκε,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_sprachforschung_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_sprachforschung_1885/108
Zitationshilfe: Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_sprachforschung_1885/108>, abgerufen am 24.11.2024.