Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.Der Weltgang der griechischen Cultur. ein neues Philhellenenthum; es beruhte auf einer Pietät, wiesie von Pflanzstädten der Mutterstadt erwiesen wurde. Die neuen Städte waren Pflanzstädte, aber nicht, wie die alten Colonieen, von einzelnen Städten ausgesendete, sondern überall hatten sich Hellenen der verschiedensten Herkunft zusammen ge¬ funden. Darum wendete sich das gemeinsame Heimathsgefühl vorzugsweise der Stadt zu, in welcher zuerst die Volksbildung eine solche allgemeine Gültigkeit erlangt hatte, daß sie als die gemeinhellenische angesehen werden konnte. So empfing Athen schon die Erstlinge von der Siegesbeute Alexander's, die Perser¬ rüstungen aus der Schlacht am Granikos, und während die Stadt selbst kraft- und thatenlos darniederlag, wurde sie mit Lorbern geschmückt und erhielt, als die geistige Metropole der orientalischen Städte, eine neue Glorie. Das waren die unsterblichen Ehren, welche sie ihrem Perikles verdankte. Die Könige des Morgenlandes wetteifern ihr zu huldigen; die Gebäude, Bildwerke und Feste Athens werden bei ihnen nach¬ geahmt, sie prägen auf ihre Münzen attische Symbole. Die unvollendeten Tempel der Athener werden von den Seleuciden ausgebaut, die Ptolemäer schicken ihnen nicht nur Kornschiffe, sondern schmücken auch die Stadt mit einem prachtvollen Gym¬ nasium; die Pergamener wissen ihre Kriegsthaten nicht besser zu verherrlichen, als indem sie auf den Mauern der Akropolis ihre Siege über die Gallier in Bildwerken darstellen; kappa¬ docische Fürsten erneuen das perikleische Odeion und selbst He¬ rodes der Idumäer sucht sein neu gegründetes Fürstenthum in die Reihe der hellenistischen Staaten einzuführen, indem er die Stadt der Athener mit seinen Weihgeschenken anfüllt. Die Fürsten von Damascus, die Könige Parthiens legen sich als Ehrentitel den Namen der Philhellenen bei. Während die griechische Cultur den Orient bis Indien 5*
Der Weltgang der griechiſchen Cultur. ein neues Philhellenenthum; es beruhte auf einer Pietät, wieſie von Pflanzſtädten der Mutterſtadt erwieſen wurde. Die neuen Städte waren Pflanzſtädte, aber nicht, wie die alten Colonieen, von einzelnen Städten ausgeſendete, ſondern überall hatten ſich Hellenen der verſchiedenſten Herkunft zuſammen ge¬ funden. Darum wendete ſich das gemeinſame Heimathsgefühl vorzugsweiſe der Stadt zu, in welcher zuerſt die Volksbildung eine ſolche allgemeine Gültigkeit erlangt hatte, daß ſie als die gemeinhelleniſche angeſehen werden konnte. So empfing Athen ſchon die Erſtlinge von der Siegesbeute Alexander's, die Perſer¬ rüſtungen aus der Schlacht am Granikos, und während die Stadt ſelbſt kraft- und thatenlos darniederlag, wurde ſie mit Lorbern geſchmückt und erhielt, als die geiſtige Metropole der orientaliſchen Städte, eine neue Glorie. Das waren die unſterblichen Ehren, welche ſie ihrem Perikles verdankte. Die Könige des Morgenlandes wetteifern ihr zu huldigen; die Gebäude, Bildwerke und Feſte Athens werden bei ihnen nach¬ geahmt, ſie prägen auf ihre Münzen attiſche Symbole. Die unvollendeten Tempel der Athener werden von den Seleuciden ausgebaut, die Ptolemäer ſchicken ihnen nicht nur Kornſchiffe, ſondern ſchmücken auch die Stadt mit einem prachtvollen Gym¬ naſium; die Pergamener wiſſen ihre Kriegsthaten nicht beſſer zu verherrlichen, als indem ſie auf den Mauern der Akropolis ihre Siege über die Gallier in Bildwerken darſtellen; kappa¬ dociſche Fürſten erneuen das perikleiſche Odeion und ſelbſt He¬ rodes der Idumäer ſucht ſein neu gegründetes Fürſtenthum in die Reihe der helleniſtiſchen Staaten einzuführen, indem er die Stadt der Athener mit ſeinen Weihgeſchenken anfüllt. Die Fürſten von Damascus, die Könige Parthiens legen ſich als Ehrentitel den Namen der Philhellenen bei. Während die griechiſche Cultur den Orient bis Indien 5*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0083" n="67"/><fw place="top" type="header">Der Weltgang der griechiſchen Cultur.<lb/></fw> ein neues Philhellenenthum; es beruhte auf einer Pietät, wie<lb/> ſie von Pflanzſtädten der Mutterſtadt erwieſen wurde. Die<lb/> neuen Städte waren Pflanzſtädte, aber nicht, wie die alten<lb/> Colonieen, von einzelnen Städten ausgeſendete, ſondern überall<lb/> hatten ſich Hellenen der verſchiedenſten Herkunft zuſammen ge¬<lb/> funden. Darum wendete ſich das gemeinſame Heimathsgefühl<lb/> vorzugsweiſe der Stadt zu, in welcher zuerſt die Volksbildung<lb/> eine ſolche allgemeine Gültigkeit erlangt hatte, daß ſie als die<lb/> gemeinhelleniſche angeſehen werden konnte. So empfing Athen<lb/> ſchon die Erſtlinge von der Siegesbeute Alexander's, die Perſer¬<lb/> rüſtungen aus der Schlacht am Granikos, und während die<lb/> Stadt ſelbſt kraft- und thatenlos darniederlag, wurde ſie mit<lb/> Lorbern geſchmückt und erhielt, als die geiſtige Metropole<lb/> der orientaliſchen Städte, eine neue Glorie. Das waren die<lb/> unſterblichen Ehren, welche ſie ihrem Perikles verdankte. Die<lb/> Könige des Morgenlandes wetteifern ihr zu huldigen; die<lb/> Gebäude, Bildwerke und Feſte Athens werden bei ihnen nach¬<lb/> geahmt, ſie prägen auf ihre Münzen attiſche Symbole. Die<lb/> unvollendeten Tempel der Athener werden von den Seleuciden<lb/> ausgebaut, die Ptolemäer ſchicken ihnen nicht nur Kornſchiffe,<lb/> ſondern ſchmücken auch die Stadt mit einem prachtvollen Gym¬<lb/> naſium; die Pergamener wiſſen ihre Kriegsthaten nicht beſſer<lb/> zu verherrlichen, als indem ſie auf den Mauern der Akropolis<lb/> ihre Siege über die Gallier in Bildwerken darſtellen; kappa¬<lb/> dociſche Fürſten erneuen das perikleiſche Odeion und ſelbſt He¬<lb/> rodes der Idumäer ſucht ſein neu gegründetes Fürſtenthum in<lb/> die Reihe der helleniſtiſchen Staaten einzuführen, indem er die<lb/> Stadt der Athener mit ſeinen Weihgeſchenken anfüllt. Die<lb/> Fürſten von Damascus, die Könige Parthiens legen ſich als<lb/> Ehrentitel den Namen der Philhellenen bei.</p><lb/> <p>Während die griechiſche Cultur den Orient bis Indien<lb/> und Turan durchdrungen hatte, war der Weſten dieſer großen<lb/> Umwandelung fern geblieben. Wohl war von den Küſten,<lb/> welche im Bereiche griechiſcher Seefahrt und Anſiedelung<lb/> lagen, mancherlei Bildung in Italien eingedrungen und hatte<lb/> auch zum Aufbaue des römiſchen Staats weſentlich beigetragen.<lb/> <fw place="bottom" type="sig">5*<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [67/0083]
Der Weltgang der griechiſchen Cultur.
ein neues Philhellenenthum; es beruhte auf einer Pietät, wie
ſie von Pflanzſtädten der Mutterſtadt erwieſen wurde. Die
neuen Städte waren Pflanzſtädte, aber nicht, wie die alten
Colonieen, von einzelnen Städten ausgeſendete, ſondern überall
hatten ſich Hellenen der verſchiedenſten Herkunft zuſammen ge¬
funden. Darum wendete ſich das gemeinſame Heimathsgefühl
vorzugsweiſe der Stadt zu, in welcher zuerſt die Volksbildung
eine ſolche allgemeine Gültigkeit erlangt hatte, daß ſie als die
gemeinhelleniſche angeſehen werden konnte. So empfing Athen
ſchon die Erſtlinge von der Siegesbeute Alexander's, die Perſer¬
rüſtungen aus der Schlacht am Granikos, und während die
Stadt ſelbſt kraft- und thatenlos darniederlag, wurde ſie mit
Lorbern geſchmückt und erhielt, als die geiſtige Metropole
der orientaliſchen Städte, eine neue Glorie. Das waren die
unſterblichen Ehren, welche ſie ihrem Perikles verdankte. Die
Könige des Morgenlandes wetteifern ihr zu huldigen; die
Gebäude, Bildwerke und Feſte Athens werden bei ihnen nach¬
geahmt, ſie prägen auf ihre Münzen attiſche Symbole. Die
unvollendeten Tempel der Athener werden von den Seleuciden
ausgebaut, die Ptolemäer ſchicken ihnen nicht nur Kornſchiffe,
ſondern ſchmücken auch die Stadt mit einem prachtvollen Gym¬
naſium; die Pergamener wiſſen ihre Kriegsthaten nicht beſſer
zu verherrlichen, als indem ſie auf den Mauern der Akropolis
ihre Siege über die Gallier in Bildwerken darſtellen; kappa¬
dociſche Fürſten erneuen das perikleiſche Odeion und ſelbſt He¬
rodes der Idumäer ſucht ſein neu gegründetes Fürſtenthum in
die Reihe der helleniſtiſchen Staaten einzuführen, indem er die
Stadt der Athener mit ſeinen Weihgeſchenken anfüllt. Die
Fürſten von Damascus, die Könige Parthiens legen ſich als
Ehrentitel den Namen der Philhellenen bei.
Während die griechiſche Cultur den Orient bis Indien
und Turan durchdrungen hatte, war der Weſten dieſer großen
Umwandelung fern geblieben. Wohl war von den Küſten,
welche im Bereiche griechiſcher Seefahrt und Anſiedelung
lagen, mancherlei Bildung in Italien eingedrungen und hatte
auch zum Aufbaue des römiſchen Staats weſentlich beigetragen.
5*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |