Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite
Rom und die Deutschen.

So lernen wir auch hier unser Volk kennen als das Volk
der Arbeit, welches keine Ruhe hat, so lange noch ein Quell
geistiger Erkenntniß unbenutzt geblieben ist, und wenn sich
jene nordischen Freunde in Rom die Hyperboreer nannten, so
lassen wir uns gerne an die liebliche Sage von den Opfer¬
gaben erinnern, welche vom Nordrande der Erde nach Delos
gebracht wurden, dem Ursitze des apollinischen Cultus, welcher
die nahen und fernen Städte zu einer großen Gemeinde ver¬
einigte. Diese Idee von der Gemeinsamkeit aller geistigen
Interessen der Menschheit und dem einheitlichen Zusammen¬
hange aller wahren Erkenntniß haben die Deutschen niemals
aufgegeben; darum huldigen sie den Stätten, von denen Kunst
und Weisheit ausgegangen ist, und verbinden die Völker zu
gemeinsamer Pflege des geistigen Besitzes, dessen Geltung über
den Kreis der einzelnen Völker und Zeiten hinausgeht; sie
sind das priesterliche Volk, welches berufen ist, in reinen Hän¬
den die ewigen Güter der Menschheit zu tragen.


Rom und die Deutſchen.

So lernen wir auch hier unſer Volk kennen als das Volk
der Arbeit, welches keine Ruhe hat, ſo lange noch ein Quell
geiſtiger Erkenntniß unbenutzt geblieben iſt, und wenn ſich
jene nordiſchen Freunde in Rom die Hyperboreer nannten, ſo
laſſen wir uns gerne an die liebliche Sage von den Opfer¬
gaben erinnern, welche vom Nordrande der Erde nach Delos
gebracht wurden, dem Urſitze des apolliniſchen Cultus, welcher
die nahen und fernen Städte zu einer großen Gemeinde ver¬
einigte. Dieſe Idee von der Gemeinſamkeit aller geiſtigen
Intereſſen der Menſchheit und dem einheitlichen Zuſammen¬
hange aller wahren Erkenntniß haben die Deutſchen niemals
aufgegeben; darum huldigen ſie den Stätten, von denen Kunſt
und Weisheit ausgegangen iſt, und verbinden die Völker zu
gemeinſamer Pflege des geiſtigen Beſitzes, deſſen Geltung über
den Kreis der einzelnen Völker und Zeiten hinausgeht; ſie
ſind das prieſterliche Volk, welches berufen iſt, in reinen Hän¬
den die ewigen Güter der Menſchheit zu tragen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0074" n="58"/>
        <fw place="top" type="header">Rom und die Deut&#x017F;chen.<lb/></fw>
        <p>So lernen wir auch hier un&#x017F;er Volk kennen als das Volk<lb/>
der Arbeit, welches keine Ruhe hat, &#x017F;o lange noch ein Quell<lb/>
gei&#x017F;tiger Erkenntniß unbenutzt geblieben i&#x017F;t, und wenn &#x017F;ich<lb/>
jene nordi&#x017F;chen Freunde in Rom die Hyperboreer nannten, &#x017F;o<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en wir uns gerne an die liebliche Sage von den Opfer¬<lb/>
gaben erinnern, welche vom Nordrande der Erde nach Delos<lb/>
gebracht wurden, dem Ur&#x017F;itze des apollini&#x017F;chen Cultus, welcher<lb/>
die nahen und fernen Städte zu einer großen Gemeinde ver¬<lb/>
einigte. Die&#x017F;e Idee von der Gemein&#x017F;amkeit aller gei&#x017F;tigen<lb/>
Intere&#x017F;&#x017F;en der Men&#x017F;chheit und dem einheitlichen Zu&#x017F;ammen¬<lb/>
hange aller wahren Erkenntniß haben die Deut&#x017F;chen niemals<lb/>
aufgegeben; darum huldigen &#x017F;ie den Stätten, von denen Kun&#x017F;t<lb/>
und Weisheit ausgegangen i&#x017F;t, und verbinden die Völker zu<lb/>
gemein&#x017F;amer Pflege des gei&#x017F;tigen Be&#x017F;itzes, de&#x017F;&#x017F;en Geltung über<lb/>
den Kreis der einzelnen Völker und Zeiten hinausgeht; &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ind das prie&#x017F;terliche Volk, welches berufen i&#x017F;t, in reinen Hän¬<lb/>
den die ewigen Güter der Men&#x017F;chheit zu tragen.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0074] Rom und die Deutſchen. So lernen wir auch hier unſer Volk kennen als das Volk der Arbeit, welches keine Ruhe hat, ſo lange noch ein Quell geiſtiger Erkenntniß unbenutzt geblieben iſt, und wenn ſich jene nordiſchen Freunde in Rom die Hyperboreer nannten, ſo laſſen wir uns gerne an die liebliche Sage von den Opfer¬ gaben erinnern, welche vom Nordrande der Erde nach Delos gebracht wurden, dem Urſitze des apolliniſchen Cultus, welcher die nahen und fernen Städte zu einer großen Gemeinde ver¬ einigte. Dieſe Idee von der Gemeinſamkeit aller geiſtigen Intereſſen der Menſchheit und dem einheitlichen Zuſammen¬ hange aller wahren Erkenntniß haben die Deutſchen niemals aufgegeben; darum huldigen ſie den Stätten, von denen Kunſt und Weisheit ausgegangen iſt, und verbinden die Völker zu gemeinſamer Pflege des geiſtigen Beſitzes, deſſen Geltung über den Kreis der einzelnen Völker und Zeiten hinausgeht; ſie ſind das prieſterliche Volk, welches berufen iſt, in reinen Hän¬ den die ewigen Güter der Menſchheit zu tragen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/74
Zitationshilfe: Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/74>, abgerufen am 27.11.2024.