Capitole erwachsen, welche durchaus einzig in ihrer Art ist, und wenn wir noch dazu nehmen, daß auf derselben Höhe auch der evangelischen Predigt eine würdige Stätte gegründet und den kranken Deutschen heimathliche Pflege bereitet worden ist, so darf man diese capitolinische Colonie im besten Sinne als ein Ehrendenkmal des deutschen Vaterlandes bezeichnen und im Namen desselben dem Fürstenhause dankbar sein, wel¬ ches für unsere geistigen Interessen in Rom so kräftig gesorgt und die alten Beziehungen zwischen Rom und den Deutschen so weise erneuert hat.
Spiegelt sich aber in diesen Beziehungen nicht auf eine merkwürdige Art der ganze Charakter der Deutschen, ist nicht ihre Ehre und Größe, wie ihre Schwäche und Demüthigung immer mit Rom im Zusammenhange und ist nicht jede Ver¬ änderung der Beziehungen zu Rom zugleich eine Entwickelungs¬ epoche der Deutschen?
Seit die Deutschen in die Geschichte eingetreten sind, haben sie sich nie auf die Heimath und ihre nächsten Aufgaben beschränken können. Voll Anerkennung und Bewunderung für jede geschichtliche Größe, haben sie Alles, was menschlich ist, in ihr Gebiet hereingezogen, haben alle weltbewegenden Ideen mit voller Wärme ergriffen und nichts ist ihnen zu fern und fremd gewesen, das sie sich nicht anzueignen versucht hätten. Dabei sind sie öfter, als andere Nationen in die Lage gekom¬ men, daß sie das Erreichbare und Nothwendige verschmähten, um das Unmögliche zu gewinnen; sie sind mehr, als Andere Täuschungen, Irrgängen und Demüthigungen ausgesetzt ge¬ wesen, aber sie haben mit zäher Ausdauer immer neue Wege versucht, und so haben sie auch, nachdem sie sich von dem Drucke Roms frei gemacht hatten, in voller Unabhängigkeit den geistigen Austausch, auf den Italien und Deutschland von Natur angewiesen sind, aufs Neue begonnen. Seit¬ dem keines der beiden Länder des andern Freiheit gefährdet, findet auch deutsche Bildung jenseit der Alpen überall Ein¬ gang und die Arbeit der Deutschen hat besseres Gedeihen, als je zuvor.
Rom und die Deutſchen.
Capitole erwachſen, welche durchaus einzig in ihrer Art iſt, und wenn wir noch dazu nehmen, daß auf derſelben Höhe auch der evangeliſchen Predigt eine würdige Stätte gegründet und den kranken Deutſchen heimathliche Pflege bereitet worden iſt, ſo darf man dieſe capitoliniſche Colonie im beſten Sinne als ein Ehrendenkmal des deutſchen Vaterlandes bezeichnen und im Namen deſſelben dem Fürſtenhauſe dankbar ſein, wel¬ ches für unſere geiſtigen Intereſſen in Rom ſo kräftig geſorgt und die alten Beziehungen zwiſchen Rom und den Deutſchen ſo weiſe erneuert hat.
Spiegelt ſich aber in dieſen Beziehungen nicht auf eine merkwürdige Art der ganze Charakter der Deutſchen, iſt nicht ihre Ehre und Größe, wie ihre Schwäche und Demüthigung immer mit Rom im Zuſammenhange und iſt nicht jede Ver¬ änderung der Beziehungen zu Rom zugleich eine Entwickelungs¬ epoche der Deutſchen?
Seit die Deutſchen in die Geſchichte eingetreten ſind, haben ſie ſich nie auf die Heimath und ihre nächſten Aufgaben beſchränken können. Voll Anerkennung und Bewunderung für jede geſchichtliche Größe, haben ſie Alles, was menſchlich iſt, in ihr Gebiet hereingezogen, haben alle weltbewegenden Ideen mit voller Wärme ergriffen und nichts iſt ihnen zu fern und fremd geweſen, das ſie ſich nicht anzueignen verſucht hätten. Dabei ſind ſie öfter, als andere Nationen in die Lage gekom¬ men, daß ſie das Erreichbare und Nothwendige verſchmähten, um das Unmögliche zu gewinnen; ſie ſind mehr, als Andere Täuſchungen, Irrgängen und Demüthigungen ausgeſetzt ge¬ weſen, aber ſie haben mit zäher Ausdauer immer neue Wege verſucht, und ſo haben ſie auch, nachdem ſie ſich von dem Drucke Roms frei gemacht hatten, in voller Unabhängigkeit den geiſtigen Austauſch, auf den Italien und Deutſchland von Natur angewieſen ſind, aufs Neue begonnen. Seit¬ dem keines der beiden Länder des andern Freiheit gefährdet, findet auch deutſche Bildung jenſeit der Alpen überall Ein¬ gang und die Arbeit der Deutſchen hat beſſeres Gedeihen, als je zuvor.
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Rom und die Deutſchen.
Capitole erwachſen, welche durchaus einzig in ihrer Art iſt,
und wenn wir noch dazu nehmen, daß auf derſelben Höhe
auch der evangeliſchen Predigt eine würdige Stätte gegründet
und den kranken Deutſchen heimathliche Pflege bereitet worden
iſt, ſo darf man dieſe capitoliniſche Colonie im beſten Sinne
als ein Ehrendenkmal des deutſchen Vaterlandes bezeichnen
und im Namen deſſelben dem Fürſtenhauſe dankbar ſein, wel¬
ches für unſere geiſtigen Intereſſen in Rom ſo kräftig geſorgt
und die alten Beziehungen zwiſchen Rom und den Deutſchen
ſo weiſe erneuert hat.
Spiegelt ſich aber in dieſen Beziehungen nicht auf eine
merkwürdige Art der ganze Charakter der Deutſchen, iſt nicht
ihre Ehre und Größe, wie ihre Schwäche und Demüthigung
immer mit Rom im Zuſammenhange und iſt nicht jede Ver¬
änderung der Beziehungen zu Rom zugleich eine Entwickelungs¬
epoche der Deutſchen?
Seit die Deutſchen in die Geſchichte eingetreten ſind,
haben ſie ſich nie auf die Heimath und ihre nächſten Aufgaben
beſchränken können. Voll Anerkennung und Bewunderung für
jede geſchichtliche Größe, haben ſie Alles, was menſchlich iſt,
in ihr Gebiet hereingezogen, haben alle weltbewegenden Ideen
mit voller Wärme ergriffen und nichts iſt ihnen zu fern und
fremd geweſen, das ſie ſich nicht anzueignen verſucht hätten.
Dabei ſind ſie öfter, als andere Nationen in die Lage gekom¬
men, daß ſie das Erreichbare und Nothwendige verſchmähten,
um das Unmögliche zu gewinnen; ſie ſind mehr, als Andere
Täuſchungen, Irrgängen und Demüthigungen ausgeſetzt ge¬
weſen, aber ſie haben mit zäher Ausdauer immer neue Wege
verſucht, und ſo haben ſie auch, nachdem ſie ſich von dem
Drucke Roms frei gemacht hatten, in voller Unabhängigkeit
den geiſtigen Austauſch, auf den Italien und Deutſchland
von Natur angewieſen ſind, aufs Neue begonnen. Seit¬
dem keines der beiden Länder des andern Freiheit gefährdet,
findet auch deutſche Bildung jenſeit der Alpen überall Ein¬
gang und die Arbeit der Deutſchen hat beſſeres Gedeihen, als
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Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/73>, abgerufen am 17.02.2025.
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