sunden Mischung verschiedenartiger Culturen, in welcher sich das abgelebte Cäsarenthum bewegt hatte.
So haben nach den Gothen die Franken und die Sachsen um Rom geworben. Ihnen folgten die Salier wie die Stau¬ fen. Der König aus dem Luxemburger Hause erneuerte die deutsche Hofburg auf dem Aventin, welche von den Ottonen gegründet war, und in der Santa Sabina sehen wir noch die Grabsteine der deutschen Ritter, welche, um Heinrich VII. ge¬ schaart, in wildem Straßenkampfe für die Idee des römischen Reichs deutscher Nation geblutet haben. Von Italien nicht zu lassen war eine heilige Tradition. Es war wie die Liebe zu einer Zauberin, von deren Reizen umstrickt man der Hei¬ math vergaß, eine Liebe ohne Gegenliebe. Denn auch den Ghibellinen waren die Waffen der Deutschen nur Mittel für ihre Zwecke. Im Ganzen wurde das Kaiserthum als Fremd¬ herrschaft empfunden, und während die Deutschen für Italien schwärmten, war kein Deutscher daselbst vor Gift sicher.
Wir bewundern die unverwüstliche Energie, mit welcher unsre Fürsten und Völker, nicht aus Eroberungsgier, sondern im Dienste einer großen Idee, um Rom gekämpft und an Rom gearbeitet haben. Wir erkennen, wie in diesen Kämpfen die Volkskraft gestählt, der Volksgeist gehoben worden ist. Aber die herrlichsten Siege riefen nur neue Schwierigkeiten hervor, und die ganze von Carl dem Großen überkommene Politik war eine in sich unmögliche geworden. Der Kirche Schutz sollte dem weltlichen Fürsten eine Weihe geben, aber die mächtig gewordene Kirche wollte nicht geschützt und geleitet sein. Die beiden auf unverbrüchliche Gemeinschaft angewiese¬ nen Aemter an der Spitze der Christenheit traten sich als unversöhnliche Feinde gegenüber, und so wurde das, was der Menschheit eine Bürgschaft des Friedens sein sollte, die Quelle eines unaufhörlichen Kriegszustandes der Christenwelt bis in das vierzehnte Jahrhundert hinein. Zum Danke für Alles, was die Kirche durch unsere Kaiser geworden war, war Rom der natürliche Verbündete aller antikaiserlichen und antideut¬ schen Bestrebungen; aus dem neutralen Boden außerhalb des
Rom und die Deutſchen.
ſunden Miſchung verſchiedenartiger Culturen, in welcher ſich das abgelebte Cäſarenthum bewegt hatte.
So haben nach den Gothen die Franken und die Sachſen um Rom geworben. Ihnen folgten die Salier wie die Stau¬ fen. Der König aus dem Luxemburger Hauſe erneuerte die deutſche Hofburg auf dem Aventin, welche von den Ottonen gegründet war, und in der Santa Sabina ſehen wir noch die Grabſteine der deutſchen Ritter, welche, um Heinrich VII. ge¬ ſchaart, in wildem Straßenkampfe für die Idee des römiſchen Reichs deutſcher Nation geblutet haben. Von Italien nicht zu laſſen war eine heilige Tradition. Es war wie die Liebe zu einer Zauberin, von deren Reizen umſtrickt man der Hei¬ math vergaß, eine Liebe ohne Gegenliebe. Denn auch den Ghibellinen waren die Waffen der Deutſchen nur Mittel für ihre Zwecke. Im Ganzen wurde das Kaiſerthum als Fremd¬ herrſchaft empfunden, und während die Deutſchen für Italien ſchwärmten, war kein Deutſcher daſelbſt vor Gift ſicher.
Wir bewundern die unverwüſtliche Energie, mit welcher unſre Fürſten und Völker, nicht aus Eroberungsgier, ſondern im Dienſte einer großen Idee, um Rom gekämpft und an Rom gearbeitet haben. Wir erkennen, wie in dieſen Kämpfen die Volkskraft geſtählt, der Volksgeiſt gehoben worden iſt. Aber die herrlichſten Siege riefen nur neue Schwierigkeiten hervor, und die ganze von Carl dem Großen überkommene Politik war eine in ſich unmögliche geworden. Der Kirche Schutz ſollte dem weltlichen Fürſten eine Weihe geben, aber die mächtig gewordene Kirche wollte nicht geſchützt und geleitet ſein. Die beiden auf unverbrüchliche Gemeinſchaft angewieſe¬ nen Aemter an der Spitze der Chriſtenheit traten ſich als unverſöhnliche Feinde gegenüber, und ſo wurde das, was der Menſchheit eine Bürgſchaft des Friedens ſein ſollte, die Quelle eines unaufhörlichen Kriegszuſtandes der Chriſtenwelt bis in das vierzehnte Jahrhundert hinein. Zum Danke für Alles, was die Kirche durch unſere Kaiſer geworden war, war Rom der natürliche Verbündete aller antikaiſerlichen und antideut¬ ſchen Beſtrebungen; aus dem neutralen Boden außerhalb des
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[45/0061]
Rom und die Deutſchen.
ſunden Miſchung verſchiedenartiger Culturen, in welcher ſich
das abgelebte Cäſarenthum bewegt hatte.
So haben nach den Gothen die Franken und die Sachſen
um Rom geworben. Ihnen folgten die Salier wie die Stau¬
fen. Der König aus dem Luxemburger Hauſe erneuerte die
deutſche Hofburg auf dem Aventin, welche von den Ottonen
gegründet war, und in der Santa Sabina ſehen wir noch die
Grabſteine der deutſchen Ritter, welche, um Heinrich VII. ge¬
ſchaart, in wildem Straßenkampfe für die Idee des römiſchen
Reichs deutſcher Nation geblutet haben. Von Italien nicht
zu laſſen war eine heilige Tradition. Es war wie die Liebe
zu einer Zauberin, von deren Reizen umſtrickt man der Hei¬
math vergaß, eine Liebe ohne Gegenliebe. Denn auch den
Ghibellinen waren die Waffen der Deutſchen nur Mittel für
ihre Zwecke. Im Ganzen wurde das Kaiſerthum als Fremd¬
herrſchaft empfunden, und während die Deutſchen für Italien
ſchwärmten, war kein Deutſcher daſelbſt vor Gift ſicher.
Wir bewundern die unverwüſtliche Energie, mit welcher
unſre Fürſten und Völker, nicht aus Eroberungsgier, ſondern
im Dienſte einer großen Idee, um Rom gekämpft und an
Rom gearbeitet haben. Wir erkennen, wie in dieſen Kämpfen
die Volkskraft geſtählt, der Volksgeiſt gehoben worden iſt.
Aber die herrlichſten Siege riefen nur neue Schwierigkeiten
hervor, und die ganze von Carl dem Großen überkommene
Politik war eine in ſich unmögliche geworden. Der Kirche
Schutz ſollte dem weltlichen Fürſten eine Weihe geben, aber
die mächtig gewordene Kirche wollte nicht geſchützt und geleitet
ſein. Die beiden auf unverbrüchliche Gemeinſchaft angewieſe¬
nen Aemter an der Spitze der Chriſtenheit traten ſich als
unverſöhnliche Feinde gegenüber, und ſo wurde das, was der
Menſchheit eine Bürgſchaft des Friedens ſein ſollte, die Quelle
eines unaufhörlichen Kriegszuſtandes der Chriſtenwelt bis in
das vierzehnte Jahrhundert hinein. Zum Danke für Alles,
was die Kirche durch unſere Kaiſer geworden war, war Rom
der natürliche Verbündete aller antikaiſerlichen und antideut¬
ſchen Beſtrebungen; aus dem neutralen Boden außerhalb des
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Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/61>, abgerufen am 23.11.2024.
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