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Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.

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Die Idee des Königthums.
schien sich erfüllen zu sollen, was den edelsten Hellenen als
Ideal vorschwebte. So wie aber Alexander die Schwindel
erregende Höhe eines asiatischen Königthrons bestiegen hatte,
verschwanden vor seinem Auge die Unterschiede der Völker, die
ihm zu Füßen lagen; er vergaß die Lehre des Aristoteles, daß
man die Barbaren despotisch, die Hellenen hegemonisch regieren
müsse. Er ging auf das ägyptische Vergötterungssystem ein
und auch unter seinen Nachfolgern erwies die hellenische Bil¬
dung sich unfähig, dem berauschenden Genusse orientalischer
Alleinherrschaft zu widerstehen, bis sich in der dritten Gene¬
ration auf europäischem Boden das makedonische Königthum
wieder ernüchterte und in die Wege einer vernünftigen Staats¬
leitung einlenkte.

Die Römer haben das Königthum noch fruchtbarer für
den Staat zu machen gewußt. Sie verdanken ihm ja die
dauerhafte Grundlage ihres öffentlichen Rechts; sie haben nicht
nur eine Erinnerung an das Königthum festgehalten wie die
Athener, und nicht nur in außerordentlichen Fällen zu einem
Wahlkönigthum auf Zeit ihre Zuflucht genommen, wie die
griechische Aesymnetie war, sondern sie haben ein besonderes
Amt in ihrer Republik eingerichtet, um in demselben alle Voll¬
machten, welche sich aus dem Königthum in die verschiedenen
Magistraturen zersplittert hatten, von Neuem zu sammeln, wenn
es galt die durch nichts zu ersetzende rettende Macht des König¬
thums für den Staat in Anspruch zu nehmen.

Diese für Ausnahmsfälle bestimmte Concentrirung der
amtlichen Gewalt mußte eine dauernde werden, seitdem sich
für das zu einem Weltreiche angeschwollene Stadtgebiet das
republikanische Aemtersystem als unmöglich erwies; und als
auf den Feldern von Pharsalos und Thapsos die Entscheidung
gefallen war, schickte Cicero sich an, die Lehren, welche Aristo¬
teles seinem Zöglinge gegeben, für den neuen Herrn der Welt
zu verwerthen.

Aber philosophische Reflexionen waren für die Ausbildung
des Cäsarenthums nicht maßgebend, sondern das ansteckende

Die Idee des Königthums.
ſchien ſich erfüllen zu ſollen, was den edelſten Hellenen als
Ideal vorſchwebte. So wie aber Alexander die Schwindel
erregende Höhe eines aſiatiſchen Königthrons beſtiegen hatte,
verſchwanden vor ſeinem Auge die Unterſchiede der Völker, die
ihm zu Füßen lagen; er vergaß die Lehre des Ariſtoteles, daß
man die Barbaren despotiſch, die Hellenen hegemoniſch regieren
müſſe. Er ging auf das ägyptiſche Vergötterungsſyſtem ein
und auch unter ſeinen Nachfolgern erwies die helleniſche Bil¬
dung ſich unfähig, dem berauſchenden Genuſſe orientaliſcher
Alleinherrſchaft zu widerſtehen, bis ſich in der dritten Gene¬
ration auf europäiſchem Boden das makedoniſche Königthum
wieder ernüchterte und in die Wege einer vernünftigen Staats¬
leitung einlenkte.

Die Römer haben das Königthum noch fruchtbarer für
den Staat zu machen gewußt. Sie verdanken ihm ja die
dauerhafte Grundlage ihres öffentlichen Rechts; ſie haben nicht
nur eine Erinnerung an das Königthum feſtgehalten wie die
Athener, und nicht nur in außerordentlichen Fällen zu einem
Wahlkönigthum auf Zeit ihre Zuflucht genommen, wie die
griechiſche Aeſymnetie war, ſondern ſie haben ein beſonderes
Amt in ihrer Republik eingerichtet, um in demſelben alle Voll¬
machten, welche ſich aus dem Königthum in die verſchiedenen
Magiſtraturen zerſplittert hatten, von Neuem zu ſammeln, wenn
es galt die durch nichts zu erſetzende rettende Macht des König¬
thums für den Staat in Anſpruch zu nehmen.

Dieſe für Ausnahmsfälle beſtimmte Concentrirung der
amtlichen Gewalt mußte eine dauernde werden, ſeitdem ſich
für das zu einem Weltreiche angeſchwollene Stadtgebiet das
republikaniſche Aemterſyſtem als unmöglich erwies; und als
auf den Feldern von Pharſalos und Thapſos die Entſcheidung
gefallen war, ſchickte Cicero ſich an, die Lehren, welche Ariſto¬
teles ſeinem Zöglinge gegeben, für den neuen Herrn der Welt
zu verwerthen.

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des Cäſarenthums nicht maßgebend, ſondern das anſteckende

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[361/0377] Die Idee des Königthums. ſchien ſich erfüllen zu ſollen, was den edelſten Hellenen als Ideal vorſchwebte. So wie aber Alexander die Schwindel erregende Höhe eines aſiatiſchen Königthrons beſtiegen hatte, verſchwanden vor ſeinem Auge die Unterſchiede der Völker, die ihm zu Füßen lagen; er vergaß die Lehre des Ariſtoteles, daß man die Barbaren despotiſch, die Hellenen hegemoniſch regieren müſſe. Er ging auf das ägyptiſche Vergötterungsſyſtem ein und auch unter ſeinen Nachfolgern erwies die helleniſche Bil¬ dung ſich unfähig, dem berauſchenden Genuſſe orientaliſcher Alleinherrſchaft zu widerſtehen, bis ſich in der dritten Gene¬ ration auf europäiſchem Boden das makedoniſche Königthum wieder ernüchterte und in die Wege einer vernünftigen Staats¬ leitung einlenkte. Die Römer haben das Königthum noch fruchtbarer für den Staat zu machen gewußt. Sie verdanken ihm ja die dauerhafte Grundlage ihres öffentlichen Rechts; ſie haben nicht nur eine Erinnerung an das Königthum feſtgehalten wie die Athener, und nicht nur in außerordentlichen Fällen zu einem Wahlkönigthum auf Zeit ihre Zuflucht genommen, wie die griechiſche Aeſymnetie war, ſondern ſie haben ein beſonderes Amt in ihrer Republik eingerichtet, um in demſelben alle Voll¬ machten, welche ſich aus dem Königthum in die verſchiedenen Magiſtraturen zerſplittert hatten, von Neuem zu ſammeln, wenn es galt die durch nichts zu erſetzende rettende Macht des König¬ thums für den Staat in Anſpruch zu nehmen. Dieſe für Ausnahmsfälle beſtimmte Concentrirung der amtlichen Gewalt mußte eine dauernde werden, ſeitdem ſich für das zu einem Weltreiche angeſchwollene Stadtgebiet das republikaniſche Aemterſyſtem als unmöglich erwies; und als auf den Feldern von Pharſalos und Thapſos die Entſcheidung gefallen war, ſchickte Cicero ſich an, die Lehren, welche Ariſto¬ teles ſeinem Zöglinge gegeben, für den neuen Herrn der Welt zu verwerthen. Aber philoſophiſche Reflexionen waren für die Ausbildung des Cäſarenthums nicht maßgebend, ſondern das anſteckende

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Zitationshilfe: Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/377>, abgerufen am 23.11.2024.