anfang für unsere vaterländische Geschichte, der Anbruch eines Tags, an welchem die Sonnenwärme der Liebe und Treue so Gott will mit steigender Macht alle Mächte der Finsterniß überwinden und alles Nachtgevögel verjagen wird.
Das ist die Weihe des Siegs und in der Weihe liegt auch die Bürgschaft seiner Beständigkeit. Denn nur bei rohen Stämmen besteht der ganze Sieg im Niederwerfen des Gegners; edleren Völkern ist der Sieg nur Mittel zum Zweck und nur als ein Uebergang zu dauernden Zuständen werthvoll.
Auch die hellenische Siegesgöttin war keine Göttin der Gewalt, keine beutegierige Bellona. Sie war überhaupt keine Göttin für sich, sondern nur eine Eigenschaft der stadtschirmen¬ den Gottheit, deren Segenskraft sich vor Allem darin bewährte, daß sie ihre Gemeinde vor Niederlage und Unehre behütete, und als man später die Eigenschaften der Götter ablöste, um sie als besondere Wesen zu verehren, baute man nach glück¬ lichen Feldzügen nicht der Nike Altäre, sondern der Friedens¬ göttin, und es war also ganz im Sinne der Hellenen gedacht, als unser König nach der Uebergabe von Paris anordnete, daß erst der Friedensabschluß als Siegesfest gefeiert werden solle.
Der Werth eines Siegs liegt also in der Beständigkeit seines Erfolgs, und wie kann es dafür eine bessere Bürgschaft geben, als die, daß der gewonnene Sieg nicht ein einzelnes Ge¬ lingen gewesen ist, sondern das Ergebniß einer durch lange Arbeit wohl begründeten Ueberlegenheit. Fragen wir aber nach der Begründung derselben, so sind es gewiß nicht die Massen der Krieger noch die Vorzüge ihrer Waffen, sondern es sind sitt¬ liche Eigenschaften und geistige Mächte, welche auf den fran¬ zösischen Schlachtfeldern die Entscheidung gegeben haben, so gut wie bei Marathon und Salamis. Die Hellenen siegten, weil sie Mann für Mann wußten, wofür sie kämpften; jeder Einzelne fühlte, daß das Vaterland auf ihn zähle. Ein solches Heer ist unbesiegbar und darum ist die Sieghaftigkeit eine Eigenschaft, für deren Bewahrung ein Volk verantwortlich ist. Und dies führt uns auf den Antheil, welchen auch unsere Universität am Siege in Anspruch nehmen darf, und zwar
Die Weihe des Siegs.
anfang für unſere vaterländiſche Geſchichte, der Anbruch eines Tags, an welchem die Sonnenwärme der Liebe und Treue ſo Gott will mit ſteigender Macht alle Mächte der Finſterniß überwinden und alles Nachtgevögel verjagen wird.
Das iſt die Weihe des Siegs und in der Weihe liegt auch die Bürgſchaft ſeiner Beſtändigkeit. Denn nur bei rohen Stämmen beſteht der ganze Sieg im Niederwerfen des Gegners; edleren Völkern iſt der Sieg nur Mittel zum Zweck und nur als ein Uebergang zu dauernden Zuſtänden werthvoll.
Auch die helleniſche Siegesgöttin war keine Göttin der Gewalt, keine beutegierige Bellona. Sie war überhaupt keine Göttin für ſich, ſondern nur eine Eigenſchaft der ſtadtſchirmen¬ den Gottheit, deren Segenskraft ſich vor Allem darin bewährte, daß ſie ihre Gemeinde vor Niederlage und Unehre behütete, und als man ſpäter die Eigenſchaften der Götter ablöſte, um ſie als beſondere Weſen zu verehren, baute man nach glück¬ lichen Feldzügen nicht der Nike Altäre, ſondern der Friedens¬ göttin, und es war alſo ganz im Sinne der Hellenen gedacht, als unſer König nach der Uebergabe von Paris anordnete, daß erſt der Friedensabſchluß als Siegesfeſt gefeiert werden ſolle.
Der Werth eines Siegs liegt alſo in der Beſtändigkeit ſeines Erfolgs, und wie kann es dafür eine beſſere Bürgſchaft geben, als die, daß der gewonnene Sieg nicht ein einzelnes Ge¬ lingen geweſen iſt, ſondern das Ergebniß einer durch lange Arbeit wohl begründeten Ueberlegenheit. Fragen wir aber nach der Begründung derſelben, ſo ſind es gewiß nicht die Maſſen der Krieger noch die Vorzüge ihrer Waffen, ſondern es ſind ſitt¬ liche Eigenſchaften und geiſtige Mächte, welche auf den fran¬ zöſiſchen Schlachtfeldern die Entſcheidung gegeben haben, ſo gut wie bei Marathon und Salamis. Die Hellenen ſiegten, weil ſie Mann für Mann wußten, wofür ſie kämpften; jeder Einzelne fühlte, daß das Vaterland auf ihn zähle. Ein ſolches Heer iſt unbeſiegbar und darum iſt die Sieghaftigkeit eine Eigenſchaft, für deren Bewahrung ein Volk verantwortlich iſt. Und dies führt uns auf den Antheil, welchen auch unſere Univerſität am Siege in Anſpruch nehmen darf, und zwar
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Die Weihe des Siegs.
anfang für unſere vaterländiſche Geſchichte, der Anbruch eines
Tags, an welchem die Sonnenwärme der Liebe und Treue ſo
Gott will mit ſteigender Macht alle Mächte der Finſterniß
überwinden und alles Nachtgevögel verjagen wird.
Das iſt die Weihe des Siegs und in der Weihe liegt
auch die Bürgſchaft ſeiner Beſtändigkeit. Denn nur bei rohen
Stämmen beſteht der ganze Sieg im Niederwerfen des Gegners;
edleren Völkern iſt der Sieg nur Mittel zum Zweck und nur
als ein Uebergang zu dauernden Zuſtänden werthvoll.
Auch die helleniſche Siegesgöttin war keine Göttin der
Gewalt, keine beutegierige Bellona. Sie war überhaupt keine
Göttin für ſich, ſondern nur eine Eigenſchaft der ſtadtſchirmen¬
den Gottheit, deren Segenskraft ſich vor Allem darin bewährte,
daß ſie ihre Gemeinde vor Niederlage und Unehre behütete,
und als man ſpäter die Eigenſchaften der Götter ablöſte, um
ſie als beſondere Weſen zu verehren, baute man nach glück¬
lichen Feldzügen nicht der Nike Altäre, ſondern der Friedens¬
göttin, und es war alſo ganz im Sinne der Hellenen gedacht,
als unſer König nach der Uebergabe von Paris anordnete, daß
erſt der Friedensabſchluß als Siegesfeſt gefeiert werden ſolle.
Der Werth eines Siegs liegt alſo in der Beſtändigkeit
ſeines Erfolgs, und wie kann es dafür eine beſſere Bürgſchaft
geben, als die, daß der gewonnene Sieg nicht ein einzelnes Ge¬
lingen geweſen iſt, ſondern das Ergebniß einer durch lange Arbeit
wohl begründeten Ueberlegenheit. Fragen wir aber nach der
Begründung derſelben, ſo ſind es gewiß nicht die Maſſen der
Krieger noch die Vorzüge ihrer Waffen, ſondern es ſind ſitt¬
liche Eigenſchaften und geiſtige Mächte, welche auf den fran¬
zöſiſchen Schlachtfeldern die Entſcheidung gegeben haben, ſo
gut wie bei Marathon und Salamis. Die Hellenen ſiegten,
weil ſie Mann für Mann wußten, wofür ſie kämpften; jeder
Einzelne fühlte, daß das Vaterland auf ihn zähle. Ein ſolches
Heer iſt unbeſiegbar und darum iſt die Sieghaftigkeit eine
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Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/363>, abgerufen am 03.07.2024.
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