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Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.

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Die Weihe des Siegs.
Gefahr giebt nicht den Ausschlag noch der äußere Gewinn,
sondern das, worauf es ankommt, ist die Gerechtigkeit der
Sache; denn der Krieg ist von allen Aergernissen das größte
und wehe dem, durch welchen solch Aergerniß kommt! Meistens
beginnen aber die Kriege so, daß bei allmählich wachsender
Spannung schwer zu entscheiden ist, wo die Verantwortlichkeit
liegt. Hier war es anders, und das ist die größte Weihe
unsres Siegs, daß in Mit- und Nachwelt Keiner im Stande
sein wird, unserm Könige den Friedensbruch zuzuschieben.

War unser Feind nicht einem rauflustigen Gladiator gleich;
welcher keine Ruhe hat, so lange man sagen kann, daß in der
bekannten Welt Einer vorhanden sei, der die Waffen besser
als er zu führen wisse? Jede Waffenthat, die er nicht voll¬
bracht hat, schreibt er sich als Niederlage an. Wer aus solchen
Gründen Frieden bricht, opfert Leben und Gut des Volks dem
Götzen einer frevelhaften Ehrsucht. Von unserer Seite war
der Krieg ein solcher, welchen auch die blindesten Friedens¬
apostel nicht verdammen können. Denn die Völker würden
auf jede Selbstachtung verzichten und in stumpfe Genußsucht ver¬
sinken, wenn sie dem übermüthigen Nachbarn gestatten wollten,
sich bei jeder ihm gefälligen Gelegenheit in ihre Angelegen¬
heiten einzudrängen. Von deutscher Seite war der Krieg bis
auf die Höhen von Paris ein Vertheidigungskrieg und
unser König hat kein anderes Ziel erstrebt, als dem deutschen
Volke das bescheidene Recht zu sichern, innerhalb seiner Gränzen
vor fremder Ungebühr sicher wohnen und seinen Bedürfnissen
gemäß sich einrichten zu dürfen. Darum haben wir mit Gott
in den Krieg ziehen können, darum haben wir den köstlichen
Trost, daß unsere Todten für eine gerechte Sache gefallen sind.

Gerechte Kriege sind immer große Epochen im Völkerleben.
Es sind Tage der Prüfung, in denen die Völker fühlen lernen,
was ihnen anvertraut ist und wofür sie verantwortlich sind.
Die wahren Werthe der menschlichen Dinge treten zu Tage,
das Kleine verschwindet, das Große und Allgemeine erfüllt
die Seelen ganz. Es trennt sich, was nur äußerlich zusammen¬
hängt, wie die trocknen Blätter, die der erste Sturm abschüttelt;

Die Weihe des Siegs.
Gefahr giebt nicht den Ausſchlag noch der äußere Gewinn,
ſondern das, worauf es ankommt, iſt die Gerechtigkeit der
Sache; denn der Krieg iſt von allen Aergerniſſen das größte
und wehe dem, durch welchen ſolch Aergerniß kommt! Meiſtens
beginnen aber die Kriege ſo, daß bei allmählich wachſender
Spannung ſchwer zu entſcheiden iſt, wo die Verantwortlichkeit
liegt. Hier war es anders, und das iſt die größte Weihe
unſres Siegs, daß in Mit- und Nachwelt Keiner im Stande
ſein wird, unſerm Könige den Friedensbruch zuzuſchieben.

War unſer Feind nicht einem raufluſtigen Gladiator gleich;
welcher keine Ruhe hat, ſo lange man ſagen kann, daß in der
bekannten Welt Einer vorhanden ſei, der die Waffen beſſer
als er zu führen wiſſe? Jede Waffenthat, die er nicht voll¬
bracht hat, ſchreibt er ſich als Niederlage an. Wer aus ſolchen
Gründen Frieden bricht, opfert Leben und Gut des Volks dem
Götzen einer frevelhaften Ehrſucht. Von unſerer Seite war
der Krieg ein ſolcher, welchen auch die blindeſten Friedens¬
apoſtel nicht verdammen können. Denn die Völker würden
auf jede Selbſtachtung verzichten und in ſtumpfe Genußſucht ver¬
ſinken, wenn ſie dem übermüthigen Nachbarn geſtatten wollten,
ſich bei jeder ihm gefälligen Gelegenheit in ihre Angelegen¬
heiten einzudrängen. Von deutſcher Seite war der Krieg bis
auf die Höhen von Paris ein Vertheidigungskrieg und
unſer König hat kein anderes Ziel erſtrebt, als dem deutſchen
Volke das beſcheidene Recht zu ſichern, innerhalb ſeiner Gränzen
vor fremder Ungebühr ſicher wohnen und ſeinen Bedürfniſſen
gemäß ſich einrichten zu dürfen. Darum haben wir mit Gott
in den Krieg ziehen können, darum haben wir den köſtlichen
Troſt, daß unſere Todten für eine gerechte Sache gefallen ſind.

Gerechte Kriege ſind immer große Epochen im Völkerleben.
Es ſind Tage der Prüfung, in denen die Völker fühlen lernen,
was ihnen anvertraut iſt und wofür ſie verantwortlich ſind.
Die wahren Werthe der menſchlichen Dinge treten zu Tage,
das Kleine verſchwindet, das Große und Allgemeine erfüllt
die Seelen ganz. Es trennt ſich, was nur äußerlich zuſammen¬
hängt, wie die trocknen Blätter, die der erſte Sturm abſchüttelt;

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[343/0359] Die Weihe des Siegs. Gefahr giebt nicht den Ausſchlag noch der äußere Gewinn, ſondern das, worauf es ankommt, iſt die Gerechtigkeit der Sache; denn der Krieg iſt von allen Aergerniſſen das größte und wehe dem, durch welchen ſolch Aergerniß kommt! Meiſtens beginnen aber die Kriege ſo, daß bei allmählich wachſender Spannung ſchwer zu entſcheiden iſt, wo die Verantwortlichkeit liegt. Hier war es anders, und das iſt die größte Weihe unſres Siegs, daß in Mit- und Nachwelt Keiner im Stande ſein wird, unſerm Könige den Friedensbruch zuzuſchieben. War unſer Feind nicht einem raufluſtigen Gladiator gleich; welcher keine Ruhe hat, ſo lange man ſagen kann, daß in der bekannten Welt Einer vorhanden ſei, der die Waffen beſſer als er zu führen wiſſe? Jede Waffenthat, die er nicht voll¬ bracht hat, ſchreibt er ſich als Niederlage an. Wer aus ſolchen Gründen Frieden bricht, opfert Leben und Gut des Volks dem Götzen einer frevelhaften Ehrſucht. Von unſerer Seite war der Krieg ein ſolcher, welchen auch die blindeſten Friedens¬ apoſtel nicht verdammen können. Denn die Völker würden auf jede Selbſtachtung verzichten und in ſtumpfe Genußſucht ver¬ ſinken, wenn ſie dem übermüthigen Nachbarn geſtatten wollten, ſich bei jeder ihm gefälligen Gelegenheit in ihre Angelegen¬ heiten einzudrängen. Von deutſcher Seite war der Krieg bis auf die Höhen von Paris ein Vertheidigungskrieg und unſer König hat kein anderes Ziel erſtrebt, als dem deutſchen Volke das beſcheidene Recht zu ſichern, innerhalb ſeiner Gränzen vor fremder Ungebühr ſicher wohnen und ſeinen Bedürfniſſen gemäß ſich einrichten zu dürfen. Darum haben wir mit Gott in den Krieg ziehen können, darum haben wir den köſtlichen Troſt, daß unſere Todten für eine gerechte Sache gefallen ſind. Gerechte Kriege ſind immer große Epochen im Völkerleben. Es ſind Tage der Prüfung, in denen die Völker fühlen lernen, was ihnen anvertraut iſt und wofür ſie verantwortlich ſind. Die wahren Werthe der menſchlichen Dinge treten zu Tage, das Kleine verſchwindet, das Große und Allgemeine erfüllt die Seelen ganz. Es trennt ſich, was nur äußerlich zuſammen¬ hängt, wie die trocknen Blätter, die der erſte Sturm abſchüttelt;

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Zitationshilfe: Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/359>, abgerufen am 23.11.2024.