Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.Das Mittleramt der Philologie. anerkennen, deren Verständniß uns die Bürgschaft giebt, daßauch das wissenschaftliche Leben und Fortschreiten der Mensch¬ heit nach göttlichen Plänen geleitet wird. Wenn nun in Folge großartiger Entdeckungen fast alle Mühsam ringt die Wissenschaft mit dem aufgehäuften Wenn also das Interesse, das im Kreise der Universitäts¬ Das Mittleramt der Philologie. anerkennen, deren Verſtändniß uns die Bürgſchaft giebt, daßauch das wiſſenſchaftliche Leben und Fortſchreiten der Menſch¬ heit nach göttlichen Plänen geleitet wird. Wenn nun in Folge großartiger Entdeckungen faſt alle Mühſam ringt die Wiſſenſchaft mit dem aufgehäuften Wenn alſo das Intereſſe, das im Kreiſe der Univerſitäts¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0034" n="18"/><fw place="top" type="header">Das Mittleramt der Philologie.<lb/></fw> anerkennen, deren Verſtändniß uns die Bürgſchaft giebt, daß<lb/> auch das wiſſenſchaftliche Leben und Fortſchreiten der Menſch¬<lb/> heit nach göttlichen Plänen geleitet wird.</p><lb/> <p>Wenn nun in Folge großartiger Entdeckungen faſt alle<lb/> Hauptſtätten der alten Geſchichte wieder aufgefunden worden<lb/> ſind, wenn der Gang der alten Cultur in den religiöſen Ur¬<lb/> kunden von Indien und Iran einen Anknüpfungspunkt ge¬<lb/> wonnen hat, wenn die Cultur von Babel und Aſſur aus dem<lb/> Schutthaufen Meſopotamiens wieder aufgetaucht iſt, wenn die<lb/> perſiſchen Reichsurkunden in Bild und Schrift uns deutlich<lb/> vorliegen, wenn Aegypten mit dem ſtarren Ernſte ſeiner vier¬<lb/> tauſendjährigen Geſchichte an das Tageslicht getreten und<lb/> dadurch nicht nur ein breiter und tiefer Hintergrund gewonnen<lb/> iſt für Griechenland und Rom, ſondern auch die Quelle mannig¬<lb/> faltiger Cultur, die aus jenen Ländern gefloſſen iſt, ſich nach¬<lb/> weiſen läßt: ſo darf ſich die Alterthumswiſſenſchaft wohl neben<lb/> die Naturwiſſenſchaften ſtellen; denn den wiſſenſchaftlichen Werth<lb/> der Entdeckungen wird an dieſer Stelle Niemand von dem<lb/> Geſichtspunkte praktiſcher Nutzbarkeit abhängig machen. Die<lb/> hiſtoriſchen Wiſſenſchaften vermögen freilich nicht unerkannte<lb/> Kräfte aufzubieten, um dieſelben als Sendboten und Laſtthiere<lb/> dem Menſchen dienſtbar zu machen, aber ſie vertiefen des<lb/> Menſchen eigenſtes Bewußtſein, indem ſie die lebende Gene¬<lb/> ration in Verbindung ſetzen mit verſchollenen Thatſachen, die<lb/> vor Jahrtauſenden der menſchliche Geiſt hervorgebracht hat.</p><lb/> <p>Mühſam ringt die Wiſſenſchaft mit dem aufgehäuften<lb/> Stoffe; ſie ſtrebt darnach, die Wechſelbeziehungen der verſchie¬<lb/> denen Völkerracen und Einzelvölker der alten Welt zu ent¬<lb/> räthſeln; ſie ſucht eine allgemeine Geſchichte der Religion, der<lb/> Cultur, der Kunſt, der Schrift im Alterthume zu begründen,<lb/> und von den großen Erweiterungen der hiſtoriſchen Kenntniß<lb/> bleiben auch ſelbſt die engſten Fachſtudien des Philologen nicht<lb/> unberührt. Schon können die Keilſchriften auf dem heiligen<lb/> Berge an der Oſtgränze Aſſyriens benutzt werden, um den<lb/> Text Herodot's feſtzuſtellen und zu erklären.</p><lb/> <p>Wenn alſo das Intereſſe, das im Kreiſe der Univerſitäts¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [18/0034]
Das Mittleramt der Philologie.
anerkennen, deren Verſtändniß uns die Bürgſchaft giebt, daß
auch das wiſſenſchaftliche Leben und Fortſchreiten der Menſch¬
heit nach göttlichen Plänen geleitet wird.
Wenn nun in Folge großartiger Entdeckungen faſt alle
Hauptſtätten der alten Geſchichte wieder aufgefunden worden
ſind, wenn der Gang der alten Cultur in den religiöſen Ur¬
kunden von Indien und Iran einen Anknüpfungspunkt ge¬
wonnen hat, wenn die Cultur von Babel und Aſſur aus dem
Schutthaufen Meſopotamiens wieder aufgetaucht iſt, wenn die
perſiſchen Reichsurkunden in Bild und Schrift uns deutlich
vorliegen, wenn Aegypten mit dem ſtarren Ernſte ſeiner vier¬
tauſendjährigen Geſchichte an das Tageslicht getreten und
dadurch nicht nur ein breiter und tiefer Hintergrund gewonnen
iſt für Griechenland und Rom, ſondern auch die Quelle mannig¬
faltiger Cultur, die aus jenen Ländern gefloſſen iſt, ſich nach¬
weiſen läßt: ſo darf ſich die Alterthumswiſſenſchaft wohl neben
die Naturwiſſenſchaften ſtellen; denn den wiſſenſchaftlichen Werth
der Entdeckungen wird an dieſer Stelle Niemand von dem
Geſichtspunkte praktiſcher Nutzbarkeit abhängig machen. Die
hiſtoriſchen Wiſſenſchaften vermögen freilich nicht unerkannte
Kräfte aufzubieten, um dieſelben als Sendboten und Laſtthiere
dem Menſchen dienſtbar zu machen, aber ſie vertiefen des
Menſchen eigenſtes Bewußtſein, indem ſie die lebende Gene¬
ration in Verbindung ſetzen mit verſchollenen Thatſachen, die
vor Jahrtauſenden der menſchliche Geiſt hervorgebracht hat.
Mühſam ringt die Wiſſenſchaft mit dem aufgehäuften
Stoffe; ſie ſtrebt darnach, die Wechſelbeziehungen der verſchie¬
denen Völkerracen und Einzelvölker der alten Welt zu ent¬
räthſeln; ſie ſucht eine allgemeine Geſchichte der Religion, der
Cultur, der Kunſt, der Schrift im Alterthume zu begründen,
und von den großen Erweiterungen der hiſtoriſchen Kenntniß
bleiben auch ſelbſt die engſten Fachſtudien des Philologen nicht
unberührt. Schon können die Keilſchriften auf dem heiligen
Berge an der Oſtgränze Aſſyriens benutzt werden, um den
Text Herodot's feſtzuſtellen und zu erklären.
Wenn alſo das Intereſſe, das im Kreiſe der Univerſitäts¬
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