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Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.

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Die patriotiſche Pflicht der Parteinahme.
in Stämme; die Weltgeſchichte, ſo weit wir von einem Beginne
derſelben reden können, mit dem Gegenſatze, welcher ein bis
dahin einiges Völkergeſchlecht ſcheidet, und die Sprache giebt
noch heute Zeugniß von den Spaltungen, welche im Gottes¬
bewußtſein der Völker eintraten, von den feindlichen Span¬
nungen innerhalb der von Natur verbundenen Menſchengruppen.
Alſo jede geſchichtliche Bewegung geht vom Gegenſatze der
Partei aus. Aber im Morgenlande erſtarrt die Bewegung;
die Kaſten Indiens ſind verſteinerte Parteien und die Kämpfe,
aus denen ſie hervorgegangen, früh verſchollen. Bei den
Iraniern iſt die geſchichtsbildende Bewegung viel deutlicher;
bei ihnen herrſcht keine zurückgezogene Beſchaulichkeit, ſondern
für ſie iſt das ganze Leben ein Kampf. Von böſen und guten
Geiſtern umgeben, ſoll Jeder nach eigener Wahl ſich frei ent¬
ſcheiden; er ſoll Partei nehmen und mit allen Waffen ſtreiten
für das Reich der Wahrheit und des Lichts. Bei ihnen fin¬
den wir eine reiche Volksgliederung und eine große Mannig¬
faltigkeit des Sonderlebens. Aber ſie geht unter in der Mo¬
notonie despotiſcher Reiche, in welchen keine anderen Parteien
zur Geltung kommen, als die am Hofe entſtehen und den
Thron betreffen. Auch die edelſten Stämme, wie die Perſer,
erliegen dem lähmenden Einfluſſe aſiatiſcher Reichsbildung.
Dagegen iſt bei den Hellenen der Trieb der Sonderung von
Anfang bis zu Ende herrſchend geblieben.

Schon in der homeriſchen Welt ſehen wir Prieſter- und
Königthum einander feindlich gegenüber; die Edlen erheben
ſich wider den König und erſchüttern die Macht ſeines Hauſes;
auch das Volk, obwohl noch eine dunkle Maſſe, meldet ſich
ſchon mit ſeinen Anſprüchen, wie die grelle Stimme des Ther¬
ſites bezeugt. Nach dem Sturze des Königthums betrachten
die Geſchlechter ſich als die Inhaber des Staats; aber ſo wie
der Seehandel aufblüht und mit dem Wohlſtande das Selbſt¬
gefühl ſteigt, da erhebt ſich die Gemeinde und verlangt Rechte
von dem Staate, der weſentlich auf ihrer Kraft beruht. Edel¬
leute von den Ihrigen zurückgeſetzt, treten an die Spitze der
Gemeinde; der ſiegreiche Führer wird der Obmann des Staats.

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Zitationshilfe: Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/338>, abgerufen am 19.02.2025.