Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.Der Gruß. wechselnder Modelaune und ein Gegenstand sophistischer Spie¬lerei. Lucian hat eine eigene Schrift verfaßt, um sich darüber zu rechtfertigen, daß er einmal am Morgen anstatt des üblichen Chaire "gute Gesundheit" gewünscht hatte. Der Römergruß war von Anfang an ernster und prak¬ Wie bei den Griechen, so waren auch die Römergrüße, Die Römer waren förmlicher als die Griechen, umständ¬ Die Unterschiede wurden schärfer hervorgehoben. Ihr Schon die republikanischen Staatsmänner legten hohen Es war aber eine häßliche Nachäffung bürgerlicher Gleich¬ Wenn hier schon in republikanischer Zeit viel Gemachtes Der Gruß. wechſelnder Modelaune und ein Gegenſtand ſophiſtiſcher Spie¬lerei. Lucian hat eine eigene Schrift verfaßt, um ſich darüber zu rechtfertigen, daß er einmal am Morgen anſtatt des üblichen Chaire »gute Geſundheit« gewünſcht hatte. Der Römergruß war von Anfang an ernſter und prak¬ Wie bei den Griechen, ſo waren auch die Römergrüße, Die Römer waren förmlicher als die Griechen, umſtänd¬ Die Unterſchiede wurden ſchärfer hervorgehoben. Ihr Schon die republikaniſchen Staatsmänner legten hohen Es war aber eine häßliche Nachäffung bürgerlicher Gleich¬ Wenn hier ſchon in republikaniſcher Zeit viel Gemachtes <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0258" n="242"/><fw place="top" type="header">Der Gruß.<lb/></fw> wechſelnder Modelaune und ein Gegenſtand ſophiſtiſcher Spie¬<lb/> lerei. Lucian hat eine eigene Schrift verfaßt, um ſich darüber<lb/> zu rechtfertigen, daß er einmal am Morgen anſtatt des üblichen<lb/> Chaire »gute Geſundheit« gewünſcht hatte.</p><lb/> <p>Der Römergruß war von Anfang an ernſter und prak¬<lb/> tiſcher. Er ging nicht, wie der griechiſche, auf die Blüthe<lb/> des Daſeins, der Freude Glanz, ſondern auf die Grundbedin¬<lb/> gung alles Lebens und Wirkens, auf männliche Kraft und<lb/> Geſundheit.</p><lb/> <p>Wie bei den Griechen, ſo waren auch die Römergrüße,<lb/> das Salve und Vale, urſprünglich nicht an beſtimmte Anläſſe<lb/> gebunden; auch ſie wurden ſowohl an Götter gerichtet als<lb/> an Abgeſchiedene; auch ſie verbanden, ſo lange die alte Sitte<lb/> beſtand, alle Stände des Volks gleichmäßig unter einander.</p><lb/> <p>Die Römer waren förmlicher als die Griechen, umſtänd¬<lb/> licher und mehr Freunde des Amtlichen und Feierlichen.</p><lb/> <p>Die Unterſchiede wurden ſchärfer hervorgehoben. Ihr<lb/> Ave iſt ſchon ein Gruß, in welchem ein Gunſtſuchen enthalten<lb/> iſt, und der deshalb dem Verhältniß des Clienten zum Patrone<lb/> beſonders entſprechend gefunden wurde.</p><lb/> <p>Schon die republikaniſchen Staatsmänner legten hohen<lb/> Werth darauf, feierlich gegrüßt zu werden; ſie erkannten darin<lb/> einen Maßſtab ihrer Popularität und betrachteten das Wech¬<lb/> ſeln der Grüße auf Straßen und Plätzen als eine Sache von<lb/> öffentlicher Wichtigkeit.</p><lb/> <p>Es war aber eine häßliche Nachäffung bürgerlicher Gleich¬<lb/> heit und Leutſeligkeit, wenn die vornehmen Herren, von<lb/> ihrem Nomenclator begleitet, die Begegnenden mit ihren<lb/> Namen begrüßten, ihnen bieder die Hand ſchüttelten und zarte<lb/> Verbindlichkeiten zuriefen, während ihnen die Leute im Grunde<lb/> vollkommen gleichgültig oder verächtlich waren.</p><lb/> <p>Wenn hier ſchon in republikaniſcher Zeit viel Gemachtes<lb/> und Unwahres vorkam, ſo nahm dies in raſcher Steigerung<lb/> zu, als alle üblichen Begrüßungen auszeichnender Art, Zuruf<lb/> von Ehrennamen, Empfang mit Tücherſchwenken und Glück¬<lb/> wünſche, in ſolenner Wiederholung taktmäßig eingeübt, auf<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [242/0258]
Der Gruß.
wechſelnder Modelaune und ein Gegenſtand ſophiſtiſcher Spie¬
lerei. Lucian hat eine eigene Schrift verfaßt, um ſich darüber
zu rechtfertigen, daß er einmal am Morgen anſtatt des üblichen
Chaire »gute Geſundheit« gewünſcht hatte.
Der Römergruß war von Anfang an ernſter und prak¬
tiſcher. Er ging nicht, wie der griechiſche, auf die Blüthe
des Daſeins, der Freude Glanz, ſondern auf die Grundbedin¬
gung alles Lebens und Wirkens, auf männliche Kraft und
Geſundheit.
Wie bei den Griechen, ſo waren auch die Römergrüße,
das Salve und Vale, urſprünglich nicht an beſtimmte Anläſſe
gebunden; auch ſie wurden ſowohl an Götter gerichtet als
an Abgeſchiedene; auch ſie verbanden, ſo lange die alte Sitte
beſtand, alle Stände des Volks gleichmäßig unter einander.
Die Römer waren förmlicher als die Griechen, umſtänd¬
licher und mehr Freunde des Amtlichen und Feierlichen.
Die Unterſchiede wurden ſchärfer hervorgehoben. Ihr
Ave iſt ſchon ein Gruß, in welchem ein Gunſtſuchen enthalten
iſt, und der deshalb dem Verhältniß des Clienten zum Patrone
beſonders entſprechend gefunden wurde.
Schon die republikaniſchen Staatsmänner legten hohen
Werth darauf, feierlich gegrüßt zu werden; ſie erkannten darin
einen Maßſtab ihrer Popularität und betrachteten das Wech¬
ſeln der Grüße auf Straßen und Plätzen als eine Sache von
öffentlicher Wichtigkeit.
Es war aber eine häßliche Nachäffung bürgerlicher Gleich¬
heit und Leutſeligkeit, wenn die vornehmen Herren, von
ihrem Nomenclator begleitet, die Begegnenden mit ihren
Namen begrüßten, ihnen bieder die Hand ſchüttelten und zarte
Verbindlichkeiten zuriefen, während ihnen die Leute im Grunde
vollkommen gleichgültig oder verächtlich waren.
Wenn hier ſchon in republikaniſcher Zeit viel Gemachtes
und Unwahres vorkam, ſo nahm dies in raſcher Steigerung
zu, als alle üblichen Begrüßungen auszeichnender Art, Zuruf
von Ehrennamen, Empfang mit Tücherſchwenken und Glück¬
wünſche, in ſolenner Wiederholung taktmäßig eingeübt, auf
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