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Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.

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Die Gastfreundschaft.
heit, die von den Besten aller Nationen wetteifernd gepflegte,
allen Mißformen gegenüber zu vertreten wissen und, wie es
den Männern der Wissenschaft geziemt, überall dafür ein¬
stehen, daß wahre Geselligkeit auf geistigem Austausche be¬
ruhe, der das Gemüth erwärmt und den Gesichtskreis er¬
weitert. Wo Sinnengenuß sich vordrängt oder eitle Prunk¬
sucht, da fühlt sich wie bei jedem Uebermaße der feinere
Sinn verletzt; der Geist wird gedämpft, und man erkennt,
daß die zarte Linie überschritten ist, welche die Ueppigkeit
trennt von jener Gastfreiheit, welcher die Verheißung des Se¬
gens gegeben ist.

Die Betrachtung der Gastfreundschaft ist so reich an er¬
freulichen Gesichtspunkten, daß sie mir des Tags nicht un¬
werth schien, an welchem unsere Universität die Freude hat,
die Leiter, Gönner und Freunde ihrer wissenschaftlichen Ar¬
beiten als Gäste in ihrem Hause zu sehen, nicht unwürdig
des Festtags selbst, an dem jeder öffentlichen Anstalt geziemt,
von ihrer Berufsfreudigkeit ein Zeugniß abzulegen. Wenn
aber die Gastfreiheit in der That einer der Grundzüge preu¬
ßischer Geschichte ist, so führt sie uns ja auch unmittelbar
auf die erhabene Person unseres Fürsten, der darin nicht
nur dem Beispiele seiner großen Ahnen gefolgt ist, sondern
in hervorragendem Grade gezeigt hat, daß eine selbstsüchtige
Staatspolitik Seinem Herzen von Anfang an fremd war,
und kein wahrheitsliebender Mann wird im Stande sein,
eine andere Triebfeder Seiner vaterländischen Politik nachzu¬
weisen, als die, daß er an dem, was Preußen Gutes hat,
alle Deutsche Theil nehmen lassen und wiederum das preu¬
ßische Wesen durch der Nachbarn Art und Sitte in heilsamer
Weise ergänzen möchte.

Und Sein Werk -- dessen freuen wir uns heute mit Dank
gegen Gott -- geht sicher vorwärts, weil es nicht auf Men¬
schenlaune beruht, sondern auf geschichtlicher Nothwendigkeit,
d. h. auf göttlichem Willen. Schon ist der Deutsche in frem¬
den Zonen nicht mehr auf mitleidige Gastfreundschaft an¬
gewiesen, sondern fühlt sich unter deutscher Flagge sicher und

Die Gaſtfreundſchaft.
heit, die von den Beſten aller Nationen wetteifernd gepflegte,
allen Mißformen gegenüber zu vertreten wiſſen und, wie es
den Männern der Wiſſenſchaft geziemt, überall dafür ein¬
ſtehen, daß wahre Geſelligkeit auf geiſtigem Austauſche be¬
ruhe, der das Gemüth erwärmt und den Geſichtskreis er¬
weitert. Wo Sinnengenuß ſich vordrängt oder eitle Prunk¬
ſucht, da fühlt ſich wie bei jedem Uebermaße der feinere
Sinn verletzt; der Geiſt wird gedämpft, und man erkennt,
daß die zarte Linie überſchritten iſt, welche die Ueppigkeit
trennt von jener Gaſtfreiheit, welcher die Verheißung des Se¬
gens gegeben iſt.

Die Betrachtung der Gaſtfreundſchaft iſt ſo reich an er¬
freulichen Geſichtspunkten, daß ſie mir des Tags nicht un¬
werth ſchien, an welchem unſere Univerſität die Freude hat,
die Leiter, Gönner und Freunde ihrer wiſſenſchaftlichen Ar¬
beiten als Gäſte in ihrem Hauſe zu ſehen, nicht unwürdig
des Feſttags ſelbſt, an dem jeder öffentlichen Anſtalt geziemt,
von ihrer Berufsfreudigkeit ein Zeugniß abzulegen. Wenn
aber die Gaſtfreiheit in der That einer der Grundzüge preu¬
ßiſcher Geſchichte iſt, ſo führt ſie uns ja auch unmittelbar
auf die erhabene Perſon unſeres Fürſten, der darin nicht
nur dem Beiſpiele ſeiner großen Ahnen gefolgt iſt, ſondern
in hervorragendem Grade gezeigt hat, daß eine ſelbſtſüchtige
Staatspolitik Seinem Herzen von Anfang an fremd war,
und kein wahrheitsliebender Mann wird im Stande ſein,
eine andere Triebfeder Seiner vaterländiſchen Politik nachzu¬
weiſen, als die, daß er an dem, was Preußen Gutes hat,
alle Deutſche Theil nehmen laſſen und wiederum das preu¬
ßiſche Weſen durch der Nachbarn Art und Sitte in heilſamer
Weiſe ergänzen möchte.

Und Sein Werk — deſſen freuen wir uns heute mit Dank
gegen Gott — geht ſicher vorwärts, weil es nicht auf Men¬
ſchenlaune beruht, ſondern auf geſchichtlicher Nothwendigkeit,
d. h. auf göttlichem Willen. Schon iſt der Deutſche in frem¬
den Zonen nicht mehr auf mitleidige Gaſtfreundſchaft an¬
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[217/0233] Die Gaſtfreundſchaft. heit, die von den Beſten aller Nationen wetteifernd gepflegte, allen Mißformen gegenüber zu vertreten wiſſen und, wie es den Männern der Wiſſenſchaft geziemt, überall dafür ein¬ ſtehen, daß wahre Geſelligkeit auf geiſtigem Austauſche be¬ ruhe, der das Gemüth erwärmt und den Geſichtskreis er¬ weitert. Wo Sinnengenuß ſich vordrängt oder eitle Prunk¬ ſucht, da fühlt ſich wie bei jedem Uebermaße der feinere Sinn verletzt; der Geiſt wird gedämpft, und man erkennt, daß die zarte Linie überſchritten iſt, welche die Ueppigkeit trennt von jener Gaſtfreiheit, welcher die Verheißung des Se¬ gens gegeben iſt. Die Betrachtung der Gaſtfreundſchaft iſt ſo reich an er¬ freulichen Geſichtspunkten, daß ſie mir des Tags nicht un¬ werth ſchien, an welchem unſere Univerſität die Freude hat, die Leiter, Gönner und Freunde ihrer wiſſenſchaftlichen Ar¬ beiten als Gäſte in ihrem Hauſe zu ſehen, nicht unwürdig des Feſttags ſelbſt, an dem jeder öffentlichen Anſtalt geziemt, von ihrer Berufsfreudigkeit ein Zeugniß abzulegen. Wenn aber die Gaſtfreiheit in der That einer der Grundzüge preu¬ ßiſcher Geſchichte iſt, ſo führt ſie uns ja auch unmittelbar auf die erhabene Perſon unſeres Fürſten, der darin nicht nur dem Beiſpiele ſeiner großen Ahnen gefolgt iſt, ſondern in hervorragendem Grade gezeigt hat, daß eine ſelbſtſüchtige Staatspolitik Seinem Herzen von Anfang an fremd war, und kein wahrheitsliebender Mann wird im Stande ſein, eine andere Triebfeder Seiner vaterländiſchen Politik nachzu¬ weiſen, als die, daß er an dem, was Preußen Gutes hat, alle Deutſche Theil nehmen laſſen und wiederum das preu¬ ßiſche Weſen durch der Nachbarn Art und Sitte in heilſamer Weiſe ergänzen möchte. Und Sein Werk — deſſen freuen wir uns heute mit Dank gegen Gott — geht ſicher vorwärts, weil es nicht auf Men¬ ſchenlaune beruht, ſondern auf geſchichtlicher Nothwendigkeit, d. h. auf göttlichem Willen. Schon iſt der Deutſche in frem¬ den Zonen nicht mehr auf mitleidige Gaſtfreundſchaft an¬ gewieſen, ſondern fühlt ſich unter deutſcher Flagge ſicher und

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Zitationshilfe: Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/233>, abgerufen am 24.11.2024.