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Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.

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Die Freundschaft im Alterthume.
Freundschaft bei uns und an uns in ihrer dreifachen Wirk¬
samkeit sich vollkräftig bezeugen, in ihrer sittlich erziehenden,
ihrer die Erkenntniß fördernden und endlich in ihrer das Heil
des Vaterlandes begründenden Macht.

Ja hierin ist ohne Frage ihre Bedeutung am größten
und hier kann ihr Segen am wenigsten entbehrt werden.
Denn Staaten wie Völker bestehen durch das Band der Freund¬
schaft. Sie ist die Lebenskraft, welche die verschiedenartigen
Elemente zum Dienste des Organismus bindet; ihr Erlöschen
ist der Tod desselben.

Wo aber soll diese staat- und volkerhaltende Liebe gepflegt
werden, wenn nicht vor Allem bei uns? Wenn der Partei¬
hader unablässig geschäftig ist, aufzulösen und zu trennen, was
zusammengehört, wenn jedes Mittel benutzt wird, um die An¬
dersdenkenden zu verketzern, wenn selbst der Name Gottes
gemißbraucht wird, um gleichsam zu seiner Ehre den giftigen
Samen von Haß und Mißtrauen auszustreuen: so sollen wir
an unserm Theile nicht müde werden, zu sammeln und zu
bauen und zu stärken den Geist der Eintracht und des Ver¬
trauens. Die großen Entscheidungen der Volksgeschichte liegen
nicht in vorübergehenden Parteisiegen noch in einzelnen Ereig¬
nissen, welche die Tagesblätter füllen, sondern in dem sittlichen
Verhalten des Volks, in der Stärkung seines Rechtsgefühls,
in der Pflege seiner geistigen Güter, in der wachsenden Gewi߬
heit, daß über allen Gegensätzen, die sich noch bekämpfen, wie
ein fester Stern das Bewußtsein einer unverbrüchlichen Ge¬
meinschaft steht.


Die Freundſchaft im Alterthume.
Freundſchaft bei uns und an uns in ihrer dreifachen Wirk¬
ſamkeit ſich vollkräftig bezeugen, in ihrer ſittlich erziehenden,
ihrer die Erkenntniß fördernden und endlich in ihrer das Heil
des Vaterlandes begründenden Macht.

Ja hierin iſt ohne Frage ihre Bedeutung am größten
und hier kann ihr Segen am wenigſten entbehrt werden.
Denn Staaten wie Völker beſtehen durch das Band der Freund¬
ſchaft. Sie iſt die Lebenskraft, welche die verſchiedenartigen
Elemente zum Dienſte des Organismus bindet; ihr Erlöſchen
iſt der Tod deſſelben.

Wo aber ſoll dieſe ſtaat- und volkerhaltende Liebe gepflegt
werden, wenn nicht vor Allem bei uns? Wenn der Partei¬
hader unabläſſig geſchäftig iſt, aufzulöſen und zu trennen, was
zuſammengehört, wenn jedes Mittel benutzt wird, um die An¬
dersdenkenden zu verketzern, wenn ſelbſt der Name Gottes
gemißbraucht wird, um gleichſam zu ſeiner Ehre den giftigen
Samen von Haß und Mißtrauen auszuſtreuen: ſo ſollen wir
an unſerm Theile nicht müde werden, zu ſammeln und zu
bauen und zu ſtärken den Geiſt der Eintracht und des Ver¬
trauens. Die großen Entſcheidungen der Volksgeſchichte liegen
nicht in vorübergehenden Parteiſiegen noch in einzelnen Ereig¬
niſſen, welche die Tagesblätter füllen, ſondern in dem ſittlichen
Verhalten des Volks, in der Stärkung ſeines Rechtsgefühls,
in der Pflege ſeiner geiſtigen Güter, in der wachſenden Gewi߬
heit, daß über allen Gegenſätzen, die ſich noch bekämpfen, wie
ein feſter Stern das Bewußtſein einer unverbrüchlichen Ge¬
meinſchaft ſteht.


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[202/0218] Die Freundſchaft im Alterthume. Freundſchaft bei uns und an uns in ihrer dreifachen Wirk¬ ſamkeit ſich vollkräftig bezeugen, in ihrer ſittlich erziehenden, ihrer die Erkenntniß fördernden und endlich in ihrer das Heil des Vaterlandes begründenden Macht. Ja hierin iſt ohne Frage ihre Bedeutung am größten und hier kann ihr Segen am wenigſten entbehrt werden. Denn Staaten wie Völker beſtehen durch das Band der Freund¬ ſchaft. Sie iſt die Lebenskraft, welche die verſchiedenartigen Elemente zum Dienſte des Organismus bindet; ihr Erlöſchen iſt der Tod deſſelben. Wo aber ſoll dieſe ſtaat- und volkerhaltende Liebe gepflegt werden, wenn nicht vor Allem bei uns? Wenn der Partei¬ hader unabläſſig geſchäftig iſt, aufzulöſen und zu trennen, was zuſammengehört, wenn jedes Mittel benutzt wird, um die An¬ dersdenkenden zu verketzern, wenn ſelbſt der Name Gottes gemißbraucht wird, um gleichſam zu ſeiner Ehre den giftigen Samen von Haß und Mißtrauen auszuſtreuen: ſo ſollen wir an unſerm Theile nicht müde werden, zu ſammeln und zu bauen und zu ſtärken den Geiſt der Eintracht und des Ver¬ trauens. Die großen Entſcheidungen der Volksgeſchichte liegen nicht in vorübergehenden Parteiſiegen noch in einzelnen Ereig¬ niſſen, welche die Tagesblätter füllen, ſondern in dem ſittlichen Verhalten des Volks, in der Stärkung ſeines Rechtsgefühls, in der Pflege ſeiner geiſtigen Güter, in der wachſenden Gewi߬ heit, daß über allen Gegenſätzen, die ſich noch bekämpfen, wie ein feſter Stern das Bewußtſein einer unverbrüchlichen Ge¬ meinſchaft ſteht.

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Zitationshilfe: Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/218>, abgerufen am 24.11.2024.