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Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.

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XI.
Die Freundschaft im Alterthume.

Es ist bekannt, wie sehr das Verhältniß des Menschen
zu den irdischen Gütern sich verändert, und die Wissenschaft
sucht dem wechselnden Werth derselben durch die verschiedenen
Zeiten und Länder zu folgen. Aber auch die geistigen Güter
sind ähnlichen Schwankungen unterworfen; auch sie verändern
ihre Stellung unter einander, so daß die einzelnen derselben
in ihrer Bedeutung für das gesammte Volksleben höher oder
niedriger zu stehen kommen. Diese Veränderungen hängen
mit der ganzen Volkssitte eng zusammen, und es ist deshalb eine
anziehende Aufgabe, ihnen nachzugehen. Die allgemeine Ge¬
schichte kann die inneren Bewegungen des Volksbewußtseins
nur gelegentlich berühren, und in der Geschichte der Philo¬
sophie kommen sie nur dann zu ihrem Rechte, wenn sie sich
in Lehrbegriffen ausgeprägt haben. Auch widerstreben diese
zartesten Seiten des geschichtlichen Lebens einer streng wissen¬
schaftlichen Methode. Um so mehr eignen sie sich zu gelegent¬
licher Behandlung und namentlich an solchen Festen, wie das
unsrige ist, wo die Universitätsgenossen versammelt sind, um
einer Betrachtung von allgemein wissenschaftlichem Interesse
ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Unser gemeinsames Interesse
aber gilt den geistigen Gütern, um deren Werthstellung es sich

XI.
Die Freundſchaft im Alterthume.

Es iſt bekannt, wie ſehr das Verhältniß des Menſchen
zu den irdiſchen Gütern ſich verändert, und die Wiſſenſchaft
ſucht dem wechſelnden Werth derſelben durch die verſchiedenen
Zeiten und Länder zu folgen. Aber auch die geiſtigen Güter
ſind ähnlichen Schwankungen unterworfen; auch ſie verändern
ihre Stellung unter einander, ſo daß die einzelnen derſelben
in ihrer Bedeutung für das geſammte Volksleben höher oder
niedriger zu ſtehen kommen. Dieſe Veränderungen hängen
mit der ganzen Volksſitte eng zuſammen, und es iſt deshalb eine
anziehende Aufgabe, ihnen nachzugehen. Die allgemeine Ge¬
ſchichte kann die inneren Bewegungen des Volksbewußtſeins
nur gelegentlich berühren, und in der Geſchichte der Philo¬
ſophie kommen ſie nur dann zu ihrem Rechte, wenn ſie ſich
in Lehrbegriffen ausgeprägt haben. Auch widerſtreben dieſe
zarteſten Seiten des geſchichtlichen Lebens einer ſtreng wiſſen¬
ſchaftlichen Methode. Um ſo mehr eignen ſie ſich zu gelegent¬
licher Behandlung und namentlich an ſolchen Feſten, wie das
unſrige iſt, wo die Univerſitätsgenoſſen verſammelt ſind, um
einer Betrachtung von allgemein wiſſenſchaftlichem Intereſſe
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[0199] XI. Die Freundſchaft im Alterthume. Es iſt bekannt, wie ſehr das Verhältniß des Menſchen zu den irdiſchen Gütern ſich verändert, und die Wiſſenſchaft ſucht dem wechſelnden Werth derſelben durch die verſchiedenen Zeiten und Länder zu folgen. Aber auch die geiſtigen Güter ſind ähnlichen Schwankungen unterworfen; auch ſie verändern ihre Stellung unter einander, ſo daß die einzelnen derſelben in ihrer Bedeutung für das geſammte Volksleben höher oder niedriger zu ſtehen kommen. Dieſe Veränderungen hängen mit der ganzen Volksſitte eng zuſammen, und es iſt deshalb eine anziehende Aufgabe, ihnen nachzugehen. Die allgemeine Ge¬ ſchichte kann die inneren Bewegungen des Volksbewußtſeins nur gelegentlich berühren, und in der Geſchichte der Philo¬ ſophie kommen ſie nur dann zu ihrem Rechte, wenn ſie ſich in Lehrbegriffen ausgeprägt haben. Auch widerſtreben dieſe zarteſten Seiten des geſchichtlichen Lebens einer ſtreng wiſſen¬ ſchaftlichen Methode. Um ſo mehr eignen ſie ſich zu gelegent¬ licher Behandlung und namentlich an ſolchen Feſten, wie das unſrige iſt, wo die Univerſitätsgenoſſen verſammelt ſind, um einer Betrachtung von allgemein wiſſenſchaftlichem Intereſſe ihre Aufmerkſamkeit zu ſchenken. Unſer gemeinſames Intereſſe aber gilt den geiſtigen Gütern, um deren Werthſtellung es ſich

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Zitationshilfe: Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/199>, abgerufen am 24.11.2024.