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Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.

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I.
Das Mittleramt der Philologie.

Jede Feier, welche den alltäglichen Gang unserer Be¬
schäftigungen unterbricht, hat ihre wesentliche Bedingung in
der Gemeinsamkeit. Denn es liegt jeder öffentlichen Feier das
Bewußtsein zu Grunde, daß alles Gute und Schöne, zu dessen
Verwirklichung der Mensch berufen ist, ihm erst dann recht
gelinge, wenn er nicht mit vereinzelter Kraft seinem Ziele
gegenüber stehe, sondern mit Anderen zu einem Vereine ver¬
bunden, in dessen Mitte alle Lebensthätigkeiten sich steigern
und alle Einzelkräfte sich stärken, ordnen und veredeln. Im
Anschlusse an ein größeres Ganze, an Haus und Stamm, an
Staat und Kirche, ist das Beste, was Menschen gelungen ist,
zu Stande gekommen. Das ist die Ueberzeugung, welche jeder
Festtag neu beleben und stärken soll. Denn bei den selbstischen
Trieben, welche unserer Natur eingepflanzt sind, regen sich
überall die Sondergelüste, die lauernden Feinde jeder größeren
Gemeinschaft.

Darum hat man zu allen Zeiten den geordneten Staat
als das Schwierigste und Größte betrachtet, was menschliche
Weisheit hervorbringen kann, weil in ihm eine Menge eigen¬
williger Persönlichkeiten in einen höheren Gesammtwillen auf¬
gehen, und die Alten haben diese sittliche Grundlage politischer
Vereinigung in dem schönen Worte ausgedrückt, daß es die
Freundschaft sei, welche den Staat zusammenhalte.

Curtius, Alterthum. 1
I.
Das Mittleramt der Philologie.

Jede Feier, welche den alltäglichen Gang unſerer Be¬
ſchäftigungen unterbricht, hat ihre weſentliche Bedingung in
der Gemeinſamkeit. Denn es liegt jeder öffentlichen Feier das
Bewußtſein zu Grunde, daß alles Gute und Schöne, zu deſſen
Verwirklichung der Menſch berufen iſt, ihm erſt dann recht
gelinge, wenn er nicht mit vereinzelter Kraft ſeinem Ziele
gegenüber ſtehe, ſondern mit Anderen zu einem Vereine ver¬
bunden, in deſſen Mitte alle Lebensthätigkeiten ſich ſteigern
und alle Einzelkräfte ſich ſtärken, ordnen und veredeln. Im
Anſchluſſe an ein größeres Ganze, an Haus und Stamm, an
Staat und Kirche, iſt das Beſte, was Menſchen gelungen iſt,
zu Stande gekommen. Das iſt die Ueberzeugung, welche jeder
Feſttag neu beleben und ſtärken ſoll. Denn bei den ſelbſtiſchen
Trieben, welche unſerer Natur eingepflanzt ſind, regen ſich
überall die Sondergelüſte, die lauernden Feinde jeder größeren
Gemeinſchaft.

Darum hat man zu allen Zeiten den geordneten Staat
als das Schwierigſte und Größte betrachtet, was menſchliche
Weisheit hervorbringen kann, weil in ihm eine Menge eigen¬
williger Perſönlichkeiten in einen höheren Geſammtwillen auf¬
gehen, und die Alten haben dieſe ſittliche Grundlage politiſcher
Vereinigung in dem ſchönen Worte ausgedrückt, daß es die
Freundſchaft ſei, welche den Staat zuſammenhalte.

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[0017] I. Das Mittleramt der Philologie. Jede Feier, welche den alltäglichen Gang unſerer Be¬ ſchäftigungen unterbricht, hat ihre weſentliche Bedingung in der Gemeinſamkeit. Denn es liegt jeder öffentlichen Feier das Bewußtſein zu Grunde, daß alles Gute und Schöne, zu deſſen Verwirklichung der Menſch berufen iſt, ihm erſt dann recht gelinge, wenn er nicht mit vereinzelter Kraft ſeinem Ziele gegenüber ſtehe, ſondern mit Anderen zu einem Vereine ver¬ bunden, in deſſen Mitte alle Lebensthätigkeiten ſich ſteigern und alle Einzelkräfte ſich ſtärken, ordnen und veredeln. Im Anſchluſſe an ein größeres Ganze, an Haus und Stamm, an Staat und Kirche, iſt das Beſte, was Menſchen gelungen iſt, zu Stande gekommen. Das iſt die Ueberzeugung, welche jeder Feſttag neu beleben und ſtärken ſoll. Denn bei den ſelbſtiſchen Trieben, welche unſerer Natur eingepflanzt ſind, regen ſich überall die Sondergelüſte, die lauernden Feinde jeder größeren Gemeinſchaft. Darum hat man zu allen Zeiten den geordneten Staat als das Schwierigſte und Größte betrachtet, was menſchliche Weisheit hervorbringen kann, weil in ihm eine Menge eigen¬ williger Perſönlichkeiten in einen höheren Geſammtwillen auf¬ gehen, und die Alten haben dieſe ſittliche Grundlage politiſcher Vereinigung in dem ſchönen Worte ausgedrückt, daß es die Freundſchaft ſei, welche den Staat zuſammenhalte. Curtius, Alterthum. 1

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Zitationshilfe: Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_alterthum01_1875/17>, abgerufen am 23.11.2024.