Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.Die öffentliche Pflege von Wissenschaft und Kunst. Auslande gegenüber als die würdigsten Vertreter ihrer Staatenund wurden zu den wichtigsten Gesandtschaften benutzt. Den Thebanern erklärte Epaminondas, wenn sie Athen den Vor¬ rang in Griechenland streitig machen wollten, so müßten sie auch die Propyläen der Akropolis an den Aufgang der Kadmea versetzen. König Philipp ließ die Gebeine des Linos nach Makedonien bringen, um seine Herrschaftsansprüche dadurch zu begründen, daß er seine Heimath als den Ursitz hellenischer Poesie in Erinnerung brachte, und von Alexander sagte man, daß er mehr durch Aristoteles als durch Philipp die Macht empfangen habe die Welt zu überwinden. Daß in der Bildung der Bürger die Macht der Staaten Die öffentliche Pflege von Wiſſenſchaft und Kunſt. Auslande gegenüber als die würdigſten Vertreter ihrer Staatenund wurden zu den wichtigſten Geſandtſchaften benutzt. Den Thebanern erklärte Epaminondas, wenn ſie Athen den Vor¬ rang in Griechenland ſtreitig machen wollten, ſo müßten ſie auch die Propyläen der Akropolis an den Aufgang der Kadmea verſetzen. König Philipp ließ die Gebeine des Linos nach Makedonien bringen, um ſeine Herrſchaftsanſprüche dadurch zu begründen, daß er ſeine Heimath als den Urſitz helleniſcher Poeſie in Erinnerung brachte, und von Alexander ſagte man, daß er mehr durch Ariſtoteles als durch Philipp die Macht empfangen habe die Welt zu überwinden. Daß in der Bildung der Bürger die Macht der Staaten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0134" n="118"/><fw place="top" type="header">Die öffentliche Pflege von Wiſſenſchaft und Kunſt.<lb/></fw>Auslande gegenüber als die würdigſten Vertreter ihrer Staaten<lb/> und wurden zu den wichtigſten Geſandtſchaften benutzt. Den<lb/> Thebanern erklärte Epaminondas, wenn ſie Athen den Vor¬<lb/> rang in Griechenland ſtreitig machen wollten, ſo müßten ſie<lb/> auch die Propyläen der Akropolis an den Aufgang der Kadmea<lb/> verſetzen. König Philipp ließ die Gebeine des Linos nach<lb/> Makedonien bringen, um ſeine Herrſchaftsanſprüche dadurch<lb/> zu begründen, daß er ſeine Heimath als den Urſitz helleniſcher<lb/> Poeſie in Erinnerung brachte, und von Alexander ſagte man,<lb/> daß er mehr durch Ariſtoteles als durch Philipp die Macht<lb/> empfangen habe die Welt zu überwinden.</p><lb/> <p>Daß in der Bildung der Bürger die Macht der Staaten<lb/> ruhe, war die allgemeine Anſicht, aber die Bildung wurde ſehr<lb/> verſchieden aufgefaßt. Denn diejenigen Staaten, welche alles<lb/> Gewicht auf unveränderte Fortdauer der überlieferten Satzungen<lb/> legten, mußten auch die geſammte Erziehung darauf einrichten<lb/> und Alles fernhalten, was die Jugend in der unbedingten<lb/> Hingabe an das Beſtehende irre machen könnte. In Athen<lb/> dachte man zu hoch von der geiſtigen Bildung, um ſie als<lb/> Staatsmittel im Sinne einer conſervativen Politik zu verwen¬<lb/> den, und man dachte vom <hi rendition="#g">Staate</hi> zu hoch, um ſeinen Be¬<lb/> ſtand von einer Verkümmerung der menſchlichen Natur ab¬<lb/> hängig machen zu wollen. Athen iſt der erſte Staat, welcher<lb/> es gewagt hat, die freie Ausbildung des Menſchen als die<lb/> beſte Vorbereitung des Bürgers anzuſehen, und indem man<lb/> ſich dabei auf den angeborenen Lerneifer verließ ſowie auf<lb/> die Macht der Ueberlieferung, durch welche die leibliche und<lb/> geiſtige Jugendbildung geregelt war, enthielt man ſich von<lb/> Staatswegen jedes Eingriffs in eine Angelegenheit, welche man<lb/> als eine häusliche angeſehen wiſſen wollte. Darum gab es<lb/> keinen Schulzwang, keinen öffentlich anerkannten Lehrplan oder<lb/> Lehrſtand, und das ſoloniſche Unterrichtsgeſetz beruhte im<lb/> Weſentlichen auf dem Satze, daß, während in den übrigen<lb/> Staaten Verpflegung der Eltern als unbedingte Pflicht der<lb/> Kinder geſetzlich anerkannt war, dies in Athen ausdrücklich<lb/> auf diejenigen beſchränkt wurde, welche ihren Kindern die ge¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [118/0134]
Die öffentliche Pflege von Wiſſenſchaft und Kunſt.
Auslande gegenüber als die würdigſten Vertreter ihrer Staaten
und wurden zu den wichtigſten Geſandtſchaften benutzt. Den
Thebanern erklärte Epaminondas, wenn ſie Athen den Vor¬
rang in Griechenland ſtreitig machen wollten, ſo müßten ſie
auch die Propyläen der Akropolis an den Aufgang der Kadmea
verſetzen. König Philipp ließ die Gebeine des Linos nach
Makedonien bringen, um ſeine Herrſchaftsanſprüche dadurch
zu begründen, daß er ſeine Heimath als den Urſitz helleniſcher
Poeſie in Erinnerung brachte, und von Alexander ſagte man,
daß er mehr durch Ariſtoteles als durch Philipp die Macht
empfangen habe die Welt zu überwinden.
Daß in der Bildung der Bürger die Macht der Staaten
ruhe, war die allgemeine Anſicht, aber die Bildung wurde ſehr
verſchieden aufgefaßt. Denn diejenigen Staaten, welche alles
Gewicht auf unveränderte Fortdauer der überlieferten Satzungen
legten, mußten auch die geſammte Erziehung darauf einrichten
und Alles fernhalten, was die Jugend in der unbedingten
Hingabe an das Beſtehende irre machen könnte. In Athen
dachte man zu hoch von der geiſtigen Bildung, um ſie als
Staatsmittel im Sinne einer conſervativen Politik zu verwen¬
den, und man dachte vom Staate zu hoch, um ſeinen Be¬
ſtand von einer Verkümmerung der menſchlichen Natur ab¬
hängig machen zu wollen. Athen iſt der erſte Staat, welcher
es gewagt hat, die freie Ausbildung des Menſchen als die
beſte Vorbereitung des Bürgers anzuſehen, und indem man
ſich dabei auf den angeborenen Lerneifer verließ ſowie auf
die Macht der Ueberlieferung, durch welche die leibliche und
geiſtige Jugendbildung geregelt war, enthielt man ſich von
Staatswegen jedes Eingriffs in eine Angelegenheit, welche man
als eine häusliche angeſehen wiſſen wollte. Darum gab es
keinen Schulzwang, keinen öffentlich anerkannten Lehrplan oder
Lehrſtand, und das ſoloniſche Unterrichtsgeſetz beruhte im
Weſentlichen auf dem Satze, daß, während in den übrigen
Staaten Verpflegung der Eltern als unbedingte Pflicht der
Kinder geſetzlich anerkannt war, dies in Athen ausdrücklich
auf diejenigen beſchränkt wurde, welche ihren Kindern die ge¬
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